Liebe und Leid liegen oft nah beieinander. Teenager wissen das, man denke nur an die Trennung der britischen Pop-Band Take That Ende der 1990er-Jahre. Ähnliche Dramen wie damals dürften sich heute unter Aktionären in Südkorea abspielen, und zwar ebenfalls wegen einer Boygroup. Hintergrund ist der Börsengang des Musiklabels Big Hit Entertainment, der größte koreanische IPO seit drei Jahren. Er sorgte erst für Aufsehen auf dem Börsenparkett – und dann für enttäuschte Gesichter. Dahinter steckte offenbar in beiden Fällen das Zugpferd des Labels, die K-Pop-Gruppe BTS.
Die siebenköpfige Boyband wurde im Jahr 2007 von Big Hit Entertainment gegründet. Seitdem ist um die Gruppe ein gewaltiger Hype entstanden. Als erste koreanische Band schaffte sie es mit ihrem englischsprachigen Song „Dynamite“ vor wenigen Wochen sogar an die Spitze der US-Charts. Für Big Hit ist dieser Erfolg nicht zu unterschätzen. Berichten zufolge erwirtschaftete die Agentur im ersten Halbjahr 2020 fast 90 Prozent ihres Umsatzes mit BTS.
Die Unterhaltungsindustrie ist in Südkorea eine wachsende Branche, K-Pop ein wichtiger Exportschlager – spätestens seit dem Jahr 2012, als der koreanische Rapper Psy mit „Gangnam Style“ die westlichen Charts stürmte. Deutlich beliebter als in Europa und den USA sind koreanische Popsänger bislang in den asiatischen Ländern. In China genieße K-Pop hohe Popularität, heißt es etwa in einem Report der japanischen Investmentbank Nomura. In manchen Jahren hätten Gruppenreisen nach Korea unter Chinesen schon allein deswegen einen hohen „Coolness-Faktor“ gehabt. Big Hit will sich damit offenbar nicht zufriedengeben und schickt sich an, mit BTS den US-Markt zu erobern. Ein Vorhaben, das nun ins Stocken geraten könnte.
Höhenflug von kurzer Dauer
Als Big Hit Mitte Oktober an die Börse ging, stieg der Aktienkurs zunächst rasant in die Höhe. Am Ende des ersten Handelstages lag er mehr als 90 Prozent über dem Ausgabepreis. Verantwortlich für das Kursfeuerwerk dürften nicht zuletzt Fans von BTS gewesen sein, die ihre Stars mit dem Kauf einer Aktie unterstützen wollten. Aber auch institutionelle Investoren griffen zu.
Der Höhenflug war indes nicht von Dauer. Der Aktienkurs ist seit dem Ende des Ausgabetages von 258.000 Won (195 Euro) auf 157.000 Won (119 Euro) abgestürzt. Damit liegt er zwar noch über dem Startpreis von umgerechnet 100 Euro. Eine Erfolgsstory sieht allerdings anders aus. Offenbar stießen vor allem Profi-Anleger rasch wieder Anteile ab, als sich abzeichnete, dass die Bewertung des Labels an der Börse völlig unrealistische Züge annahm.
Der Aktienkurs dürfte unter Druck bleiben, denn Big Hit droht Böses: In Südkorea werden alle jungen Männer für zwei Jahre zum Wehrdienst verpflichtet, ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt es nicht. Das älteste Mitglied von BTS, Kim Seok-jin, genannt Jin, muss sich bis Ende kommenden Jahres zum Dienst an der Waffe melden. Die jüngeren Bandmitglieder folgen sukzessive. Für Big Hit wäre eine Zwangspause ihres Geldbringers wohl existenzbedrohend.
Befreeiung von der Wehrpflicht?
Investoren in Deutschland dürfte das Drama um die K-Pop-Band und die Wehrpflicht indes kalt lassen. Zwar haben koreanische Aktien in vielen Asien-Aktienfonds ein hohes Gewicht. Die Aktien von Big Hit oder anderen Musiklabels sind darin aber in der Regel nicht zu finden, eher Klassiker wie die Anteilsscheine des Mischkonzerns Samsung oder Aktien aus der Healthcare-Branche.
Für Fans von BTS, die beim IPO zugegriffen haben und nun gleichermaßen um den Wert ihrer Aktien und die berufliche Zukunft ihrer Idole bangen, gibt es eventuell einen Lichtblick. Einige südkoreanische Politiker fordern laut Medienberichten, die Mitglieder der Boygroup von der Wehrpflicht zu befreien. Die Begründung: Sie unterstützen mit ihrem Erfolg ihr Land bereits genug.
Diskussionen um Musiker und die Wehrpflicht sind nicht neu. Vor 20 Jahren lebte der türkische Popstar Tarkan (größter Hit: „Simarik“ – genau, das Lied mit den zwei Küsschen) zeitweise in Frankreich, um dem Dienst an der Waffe zu entgehen. Damals erwogen türkische Politiker, ihn zum Kulturbotschafter zu ernennen, um ihm den Wehrdienst zu ersparen und ihn in die Türkei zurückzuholen. Letztlich konnte sich Tarkan freikaufen und musste nach Zahlung von umgerechnet 15.000 Mark statt 18 Monaten nur einen Monat dienen. Ein Ausweg, der womöglich auch für die BTS-Mitglieder in Frage kommt. Genug Geld hätten sie jedenfalls: Der Börsengang von Big Hit dürfte alle sieben zu Millionären gemacht haben.
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