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Preise Die Inflation sinkt – aber der Weg nach unten bleibt „steinig“

Menschen an der Supermarktkasse
Die Inflation lag 2023 bei 5,9 Prozent. Auch 2024 wird sie die Preise im Supermarkt verteuern
© Markus Scholz / Picture Alliance
2023 war teuer für Verbraucher in Deutschland. Die Inflation soll 2024 sinken, aber erst mal bleiben die Preise hoch

Das Jahr 2023 ist ein teures gewesen für Deutschlands Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Inflationsrate lag im Jahresschnitt bei 5,9 Prozent – das ist die zweithöchste Teuerungssrate seit der Wiedervereinigung, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis vorläufiger Daten errechnet hat. Nur 2022 lag die Inflation mit 6,9 Prozent noch höher.

Im Dezember 2023 zog die Inflation nach fünf Monaten mit rückläufigen Werten wieder auf 3,7 Prozent an. Im November war mit 3,2 Prozent der niedrigsten Stand seit Juni 2021 erreicht worden. Volkswirte hatten mit der Umkehr des Trends im Dezember gerechnet: Denn ein Jahr zuvor hatte der Staat in dem Monat einmalig die Kosten für den Abschlag der Gas- und Fernwärmekunden übernommen. Dieser preisdämpfende Effekt entfällt in der Berechnung für Dezember 2023. Von November auf Dezember 2023 stiegen die Verbraucherpreise den vorläufigen Zahlen zufolge um 0,1 Prozent.

Die Folge: Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft der Menschen, sie können sich für einen Euro weniger leisten. Damit sinkt ihr finanzieller Spielraum, Einkommenszuwächse werden von der Inflation aufgezehrt.

Grund für die hohe Inflation im Gesamtjahr 2023 ist wie im Vorjahr der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der seit Februar 2022 läuft. Vor allem Energie und Lebensmittel verteuerten sich sprunghaft. Bis auf 8,8 Prozent kletterte die Teuerungsrate in Deutschland im Herbst 2022, das war der höchste Stand seit der Wiedervereinigung. Immerhin waren im Oktober und November 2023 laut Destatis viele Energieprodukte wieder günstiger als ein Jahr zuvor. Die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln gingen ebenfalls zurück, lagen aber weiterhin deutlich über der Gesamtteuerung.

Inflation 2024: Damit rechnen Experten

Mit Blick nach vorne gehen Wirtschaftsexperten davon aus, dass die Inflation in Deutschland weiter sinken wird. „Im Laufe des neuen Jahres kommen Angebot und Nachfrage immer besser ins Gleichgewicht, womit der Preisdruck nachlässt“, so Michael Herzum von Union Investment. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – die sogenannten Wirtschaftsweisen – rechnen mit einer Inflation von durchschnittlich 2,6 Prozent im Jahr 2024. Das Ifo-Institut prognostiziert 2,2 Prozent. 

Wenngleich die meisten Volkswirte einen Rückgang der Inflation voraussagen, bleibt das Inflationsziel der Notenbanken von zwei Prozent wohl außer Reichweite. „Die Inflation der vergangenen Jahre ist immer noch ein wunder Punkt“, sagt etwa Jan Hatzius, Chefvolkswirt der US-Investmentbank Goldman Sachs, kürzlich im Interview mit Capital. Tatsächlich dürfte sich die Stimmung an der Supermarktkasse so schnell nicht drehen. Der Weg hin zu dauerhaft niedrigeren Inflationsraten werde „wohl steinig bleiben“, so Deutsche-Bank-Volkswirt Sebastian Becker.

Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa, sieht eine potenzielle Gefahr für steigende Preise durch staatliche Maßnahmen, darunter den erhöhten CO2-Preis, die höhere Mehrwertsteuer für Gas sowie gestiegene Netzentgelte für Strom. Das könnte die Energiepreise steigen lassen. Dazu komme, dass die Mehrwertsteuer für Gaststätten ebenfalls wieder von 7 Prozent auf 19 Prozent angehoben wurde. „All dies könnte die Inflationsrate auch im Januar 2024 in Richtung 4 Prozent führen“, so Kastens. „Auch wenn die Kernrate in der Tendenz weiter leicht zurückgehen wird, die Inflationsgefahren in Deutschland sind vor allem durch den Lohnanstieg bei weitem noch nicht gebannt.“

Ein Grund für die zähe Inflation ist die verzögerte Wirkung der massiven Zinserhöhungen. Ein weiterer Faktor ist eine fundamentale Veränderung am Arbeitsmarkt. Wegen der Alterung der Bevölkerung und zu wenig Fachkräften wächst die Verhandlungsmacht von Arbeitnehmern.

Die bislang höchste Teuerungsrate in einem Gesamtjahr war in der damaligen Bundesrepublik 1951 mit 7,6 Prozent gemessen worden. Allerdings wurde die Berechnungsmethode im Laufe der Zeit geändert. Im Jahr 2021 waren die Verbraucherpreise in Europas größter Volkswirtschaft im Schnitt um 3,1 Prozent angezogen.

EZB dürfte Zinsen senken

Um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen, hatte die Europäische Zentralbank (EZB) im Sommer 2022 ihren Kurs geändert: Null- und Negativzinsen wurden abgeschafft, seither hat die EZB zehnmal in Folge die Leitzinsen im Euroraum erhöht. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann. Inzwischen liegt der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, bei 4,5 Prozent. Der Einlagezins, zu dem Geldhäuser Geld bei der EZB parken können, beträgt 4,0 Prozent Zinsen.

Angesichts der anhaltend hohen Inflation könnten Zweifel aufkommen, ob die EZB tatsächlich schon im Frühjahr mit Zinssenkungen beginnen kann. Darauf hatten viele Marktakteure zuletzt spekuliert angesichts der Erwartung einer weiter sinkenden Inflation und wirtschaftlichen Abkühlung. In den Wochen vor Weihnachten hatte diese Einschätzung die Märkte dominiert, nachdem Anfang November noch von anhaltend hohen Zinsen ausgegangen wurde. 

„Die Möglichkeiten für Zinssenkungen der EZB sind begrenzt“, warnte Deka-Volkswirt Ulrich Kater. „Erst ab dem zweiten Halbjahr kann sie die Zinsen zurückführen.“ Noch zurückhaltender zeigte sich sein Kollege Jörg Krämer von der Commerzbank. Erst Ende 2024 sollten die Leitzinsen in der Eurozone sinken, empfahl er. Nachdem ihre Erwartungen zuletzt überholt erschienen, könnten sie angesichts der jüngsten Inflationszahlen doch Recht behalten.

Mit dpa

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