Nach der Kursrally zum Jahresauftakt warnt Goldman Sachs vor zu viel Optimismus bei US-Aktien. „Es gibt nur das Risiko von Kursverlusten und quasi keine Chancen auf schnelle Kursgewinne“, sagt David Kostin, Chefstratege der Bank für US-Aktien, im Interview (Ausgabe 4/2023; ET 16. Februar 2023). „Bestenfalls bleibt alles konstant“, so Kostin.
Der US-Aktienleitindex S&P 500-Index war mit rund 3800 Punkten in das Jahr 2023 gestartet und hat seither rund 6,5 Prozent an Wert gewonnen und notiert derzeit knapp über 4000 Punkten. Damit hat der Markt Kostin zufolge die Erwartung einer „sanften Landung“ der US-Konjunktur eingepreist, also einer moderaten Konjunkturabkühlung.
„Eine der Herausforderungen auf dem US-Markt ist, dass die Gewinne stagnieren, zugleich die Aktien aber recht teuer sind“, sagt Kostin. Der Grund für sinkende Unternehmensgewinnen seien „sinkende Margen“, meint Kostin. „Selbst bei einem Soft Landing wächst die Wirtschaft nur noch in einem sehr bescheidenen Tempo“, so der Experte. Er erklärt: „Die Gewinnspannen werden wegen höherer Kosten sinken, so dass es am Ende kein Gewinnwachstum geben wird.“

Deshalb sei die Inflation auch nicht gut für den Aktienmarkt. „Die Inflation hilft den Umsätzen, aber sie schadet den Gewinnspannen“, betont Kostin. „Der Gewinnrückgang wird sich in diesem Jahr fortsetzen. Sinkende Margen bei stagnierenden Erträgen und konstantem Kurs-Gewinn-Verhältnis bedeuten stagnierende Aktienmärkte.“
Anleger sollten allerdings auch die politische Entwicklung in Washington im Blick haben. „Die Verhandlungen über die Schuldenobergrenze im Kongress sind ein Risiko“, warnt Kostin. Im Zeitraum zwischen August und September sei der Spielraum des US-Finanzministeriums wahrscheinlich ausgereizt. „Als im Sommer 2011 die Verhandlungen über die Schuldenobergrenze anstanden und die Frist ablief, fiel der US-Aktienmarkt in knapp drei Wochen um 15 Prozent.“, erläutert er. „Unternehmen, die einen hohen Prozentsatz ihrer Umsätze mit der Regierung erzielen wie beispielsweise einige Unternehmen der Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie, verloren in nur wenigen Wochen 25 Prozent ihres Aktienwertes.“