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Neue Zahlen Insolvenzen: Droht 2024 eine Pleitewelle?

Der britische und deutsche Ableger von Body Shop haben Insolvenz angemeldet
Der britische und deutsche Ableger von Body Shop haben Insolvenz angemeldet
© empics | Lucy North / Picture Alliance
Regional haben die Fälle 2023 „alarmierend“ zugenommen, zeigen neue Daten. Was Experten für 2024 voraussagen

Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland wird nach Einschätzung des Finanzinformationsdienstes Crif im laufenden Jahr steigen. Nach einer Zunahme um gut ein Fünftel (22,4 Prozent) auf knapp 17.850 Fälle im vergangenen Jahr rechnet Crif nach Mitteilung vom Montag für 2024 mit 19.800 Unternehmensinsolvenzen. Das wären in etwa so viele wie in den Jahren vor der Pandemie (2018: 19.552, 2019: 19.005).

Amtliche Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2023 werden Mitte März erwartet. Von Januar bis November 2023 stieg die Zahl der Firmenpleiten der Wiesbadener Behörde zufolge zum Vorjahreszeitraum um knapp ein Viertel (23,2 Prozent) auf 16.264 Fälle. Im Gesamtjahr 2022 hatte das Bundesamt 14.590 Firmenpleiten gezählt. Zum Vergleich: Im Jahr der Wirtschaftskrise 2009 hatte es fast 33.000 Firmenpleiten hierzulande gegeben.

Trotz steigender Zahlen keine „Pleitewelle“

Von einer „Insolvenzwelle“ könne daher trotz des Trends nach oben keine Rede sein, ordnete Crif-Geschäftsführer Frank Schlein ein: „Der Großteil der Unternehmen ist weiterhin finanziell gut aufgestellt, auch wenn eine steigende Anzahl an Großinsolvenzen zu weiteren Insolvenzen führen kann.“

Regional betrachtet hätten die Zahlen im vergangenen Jahr mitunter allerdings „alarmierend“ angezogen: so etwa in Bremen (plus 53,9 Prozent), wo es den Crif-Berechnungen zufolge auch die höchste Insolvenzdichte mit 113 Pleiten je 10.000 Unternehmen gab. Über dem Bundesschnitt von 59 Pleiten je 10.000 Firmen lagen auch Berlin (100), Hamburg (78), Nordrhein-Westfalen (76), das Saarland (70), Schleswig-Holstein (64) und Hessen (60). Die wenigsten Pleiten je 10.000 Unternehmen gab es im Jahr 2023 demnach in Thüringen (38).

Mehr Insolvenzen in allen Bundesländern

In allen Bundesländern stiegen den Crif-Zahlen zufolge die Insolvenzzahlen im Vergleich zum Vorjahr. Mehr Pleiten als ein Jahr zuvor wurden demnach vor allem bei Pflegeeinrichtungen, Call-Centern, in der Gastronomie, bei Fitnessstudios und privaten Sicherheitsdiensten gezählt. Absolut gesehen meldeten nach Crif-Angaben 2023 Nordrhein-Westfalen (4639), Bayern (2492) und Baden-Württemberg (1862) die meisten Firmenpleiten.

Auch andere Experten rechnen damit, dass im laufenden Jahr die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland weiter steigt. Geschwächt von den Corona-Jahren, hohen Energiepreisen und gestiegenen Zinsen geraten immer mehr Firmen in Deutschland in Schieflage. Zudem sind Ausnahmeregelungen ausgelaufen, mit denen der Staat versucht hatte, eine Pleitewelle während der Pandemie abzuwenden. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform beispielsweise hatte Anfang Dezember eine Zahl von „um die 20 000“ Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2024 als realistisch bezeichnet. 

Deutschland nicht allein

Analysten von Allianz Trade erwarten 2024 einen Anstieg und etwa 20.260 Fälle. „Dieser Trend gilt – wenn auch verzögert im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern – auch für Deutschland“, prognostizieren die Volkswirte der in Hamburg ansässigen Allianz-Tochter. „So werden im Jahr 2024 laut Allianz Trade Insolvenzstudie die anhaltende Wirtschaftsschwäche, strukturelle Herausforderungen und engere Finanzierungsbedingungen voraussichtlich noch mehr deutsche Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten bringen.“

Die Anzahl von Insolvenzen bei deutschen Unternehmen dürften demnach 2024 um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zunehmen. „Dieser Anstieg hat bereits insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2023 begonnen“, sagte der Allianz-Trade-Chef für den deutschsprachigen Raum, Milo Bogaerts. Hier habe sich die Zahl der Insolvenzen mit einem 25-prozentigen Plus im Vergleich zur zweiten Hälfte des Vorjahres sichtbar beschleunigt, „wobei das Gastgewerbe, der Handel, die Baubranche und B2B-Dienstleistungen wesentlich dazu beitrugen“. B2B (business to business) bezeichnet Geschäfte von Firmen untereinander, nicht mit Verbrauchern.

Erst 2025 dürfte sie sich demnach aufgrund der erwarteten Erholung der deutschen Wirtschaft auf einem etwas stabileren Niveau knapp unter 20.000 einpendeln.

Insolvenzen in USA, Spanien, Niederlande

Weltweit rechnen die Allianz-Trade-Volkswirte mit einem Plus von 9 Prozent bei den Fallzahlen „in diesem Jahr die dritte Eskalation in Folge“ im Insolvenzgeschehen. Als entscheidende Faktoren dafür nennen sie geringeres Wachstum, Handelsunterbrechungen und geopolitische Unsicherheiten. 

Die größten Steigerungen werden in den USA (plus 28 Prozent), Spanien (plus 28 Prozent) und den Niederlanden (plus 31 Prozent) erwartet. „Dieser breit angelegte Anstieg würde dazu führen, dass die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2024 in zwei von drei Ländern die Zahl vor der Pandemie übersteigt. Im Jahr 2023 war das noch bei der Hälfte der Länder der Fall, sagt die Chefin der Allianz-Trade-Gruppe, Aylin Somersan Coqui. 

Allerdings rechnet Allianz Trade „nicht mit einem Tsunami von Unternehmensinsolvenzen, wie er nach der großen Finanzkrise zu verzeichnen war, als die weltweiten Insolvenzen 2008 und 2009 um 17 Prozent beziehungsweise 19 Prozent in die Höhe schnellten“. 

dpa/ess

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