Die schwächelnde Konjunktur unterbricht die Serie von Zinserhöhungen im Euroraum vorerst nicht: Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt alle drei wichtigen Zinsen um weitere 0,25 Prozentpunkte an. Die für Banken wichtige Einlagefazilität steigt damit auf 4,0 Prozent, der Leitzins auf 4,5 Prozent und der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität auf 4,75 Prozent. Der EZB-Rat beschloss damit am Donnerstag in Frankfurt die zehnte Zinserhöhung in Folge seit Juli 2022.
Mit den höheren Zinsen versucht die Notenbank, die hartnäckig hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Weil teurere Kredite zugleich eine Belastung für die Wirtschaft sind, waren zuletzt Forderungen nach einer Zinspause lauter geworden.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte nach der vorherigen Sitzung des EZB-Rates Ende Juli für die September-Sitzung sowohl eine weitere Zinserhöhung als auch eine Unterbrechung der beispiellosen Serie von Anhebungen nicht ausgeschlossen. Lediglich einer Zinssenkung erteilte die Französin bereits damals eine Absage.
Weit weg vom Inflationsziel
Mittelfristig strebt die EZB für den Euroraum eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Bei diesem Niveau sehen die Währungshüter Preisstabilität gewahrt. Doch von dieser Zielmarke ist die Teuerung nach wie vor weit entfernt. Im August schwächte sich der Anstieg der Verbraucherpreise im Währungsraum der 20 Länder nicht weiter ab. Die jährliche Inflationsrate verharrte einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge bei 5,3 Prozent. Im vergangenen Jahr war die Inflation infolge des Ukrainekiegs, in dessen Folge die Preise für Energie und Nahrungsmittel in die Höhe schnellten, zeitweise zweistellig gewesen.
Höhere Inflationsraten zehren an der Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Menschen können sich für ihr Geld weniger leisten. Das bremst den privaten Konsum, der eine wichtige Stütze der Konjunktur ist.
Die hohe Inflation im Euroraum wird nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) auch langsamer zurückgehen als noch vor drei Monaten erwartet. Für das laufende Jahr rechnet die Notenbank nun mit einer Teuerungsrate von 5,6 Prozent, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. In ihrer Juni-Prognose war sie noch von 5,4 Prozent Inflation im Jahresschnitt 2023 ausgegangen.
Für 2024 sagt die Notenbank ebenfalls eine höhere Teuerungsrate von 3,2 (Juni-Prognose: 3,0) Prozent voraus, 2025 wird inzwischen eine etwas niedrigere Rate von 2,1 (2,2) Prozent erwartet. Die EZB strebt für den Währungsraum der 20 Länder mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an.
Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 0,7 Prozent wachsen und damit noch etwas schwächer als die im Juni vorhergesagten 0,9 Prozent. Im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt demnach um 1,0 (Juni-Prognose: 1,5) Prozent zulegen. Für 2025 erwartet die EZB einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,5 (1,6) Prozent im Währungsraum.
Die Anleger am deutschen Aktienmarkt reagierten am Donnerstagnachmittag positiv auf die Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank. Das mag überraschen, da rund 60 Prozent der Marktteilnehmer mit einer Zinspause gerechnet hatten. Der Dax drehte aber leicht zurück ins Plus auf 15.674 Punkte, nachdem er zeitweise bis auf 15.588 Punkte gesunken war. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 legte zuletzt um gut 0,4 Prozent zu.
„Ein Verzicht auf die Zinsanhebung, eine Pause, hätte die Zinserhöhungserwartungen angesichts des noch hohen Inflationstempos lediglich auf die nächste Sitzung verschoben“, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. „Da wäre nicht viel gewonnen gewesen.“ Insgesamt lasse die EZB mit der zehnten Zinserhöhung keine Zweifel an ihrer Entschlossenheit bei der Inflationsbekämpfung.