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Finanzberatung Droht dem Provisionsgeschäft das Aus?

Sparkassen-Logo am Standort der Kreissparkasse Köln
Sparkassen-Logo am Standort der Kreissparkasse Köln
© Future Images / IMAGO
Die Ampel-Koalitionäre überlegen offenbar, Bankkunden künftig nur noch gegen Honorar beraten zu lassen und Provisionsgeschäfte zu verbieten. Die Sparkassen laufen Sturm. Was die Pläne für Banken, Kleinanleger und Finanzberater bedeuten könnten

Honorarbasis statt Provision – das könnte bei Bankberatungen künftig die Regel sein. Laut Deutschem Sparkassen- und Giroverband (DSGV) werde in den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP erwogen, das System der Finanzberatung in Deutschland grundlegend zu ändern.

Wer bisher bei seiner Bank oder Sparkasse ein Finanzprodukt kauft, zahlt dafür eine Provision. Weil die Geldhäuser aber oftmals Produkte anbieten, die teuer oder für den jeweiligen Kunden ungeeignet sind, steht das System seit Längerem in der Kritik. Die Alternative könnte eine Kundenberatung auf Honorarbasis sein. Die Grünen fordern das explizit in ihrem Wahlprogramm: „Wir wollen weg von der Provisionsberatung und schrittweise zu einer unabhängigen Honorarberatung übergehen.“

DSGV-Präsident Helmut Schleweis dagegen warnt vor einem Verbot von Provisionsgeschäften. Eine verpflichtende Honorarberatung stelle für Kleinanleger eine „unüberwindbare Hürde“ dar. Auch der Deutsche Derivate-Verband spricht sich für die bisherige Regelung aus.

Was würde sich durch ein Verbot von Provisionsgeschäften ändern – für Kleinanleger, Banken und Finanzberater?

Kleinanleger: Mehr Chancen, aber auch Risiken

Würde künftig nur noch nach Honorar beraten, müssten Kleinanleger wohl keine Provision mehr zahlen. Je nach Produkt kann diese bei etwa drei bis fünf Prozent liegen. Fällig würde dafür aber das Honorar für die Beratung. „Wenn ein Kleinanleger für eine Erstberatung von zwei Stunden erst einmal die tatsächlichen Kosten von durchschnittlich 360 Euro als Honorar auf den Tisch legen muss, nehmen die meisten keinerlei Beratung mehr in Anspruch“, glaubt Sparkassenpräsident Schleweis. „Eine solche Vorgabe schließt große Teile der Bevölkerung vom Zugang zu guter Beratung aus und ist deshalb unsolidarisch.“ Ähnlich argumentiert der DDV: „Wenn für möglichst viele Menschen die Tür zu Wertpapieranlagen offenstehen soll, muss es auch weiterhin einen ‚Sowohl-als-auch-Ansatz‘ bei der Anlageberatung geben.“

Gerhard Schick, ehemaliger Grünen-Bundestagsabgeordneter und Gründer der Bürgerbewegung Finanzwende, plädiert hingegen für die Honorarberatung. Provisionsberatung sei nicht sozial, argumentiert er gegenüber Capital. „Gerade Menschen mit wenig Geld leiden, weil sie Produkte mit schlechterer Rendite angedreht bekommen.“

Im Falle eines Verbots von Provisionsgeschäften befürchten die Sparkassen außerdem Risiken für Kleinanleger – wenn sie sich keine kostenpflichtige Beratung leisten wollen und am Ende auf eigene Faust risikoreiche Finanzprodukte kaufen. Das könne ihnen aber auch mit einem Bankberater passieren, sagt Schick: „Vor der Finanzkrise 2008 haben Sparkassen zum Beispiel Zertifikate von Lehman vertrieben.“

Banken: Weniger Einnahmen, weniger Kunden

Für Banken und Sparkassen sind Provisionen, die sie im Immobiliengeschäft oder beim Vertrieb von Produkten machen, eine wichtige Einnahmequelle. Während 2020 der Zinsüberschuss sank, konnten die 376 Sparkassen hierzulande ihren Provisionsüberschuss steigern. Mit 8,5 Mrd. Euro machte diese Position etwa ein Drittel des Bruttojahresertrages der öffentlich-rechtlichen Institute aus.

Klar ist also: Eine mögliche Gesetzesänderung hätte für die Geldhäuser große Auswirkungen. „Deshalb kämpfen die Finanzinstitute ohne Ende, dass so etwas nicht kommt“, sagt Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende. Im Falle einer Honorarberatungspflicht würden sich die Sparkassen neu aufstellen, sagt Arne Hertel, Leiter Kapitalmarktrecht beim Sparkassen-Verband gegenüber Capital. Wie das genau aussehen würde, müsse man dann sehen. Trotzdem fürchtet er, dass den Instituten Kunden verloren gehen würden.

Auch auf die Produktpalette hätte ein Verbot von Provisionsgeschäften Einfluss, glaubt Schick: „Die meisten komplexen Finanzprodukte hätten keine Chance mehr. Die Banken würden darauf sitzenbleiben.“ Betroffen könnten etwa Restschuldversicherungen bei Konsumentenkrediten sein, aber auch Derivate und Teile der Immobilienfinanzierung wie Bausparverträge.

Finanzberater: Ihre Stunde würde schlagen

Finanzberater würden von einer Pflicht zur Honorarberatung direkt profitieren, weil dann mehr Kunden auf ihre Dienste zurückgreifen. „Unabhängige Finanzberater würden endlich eine faire Chance kriegen“, sagt Schick. Allerdings würden wohl auch die klassischen Banken und Sparkassen in den Markt drängen und in die Honorarberatung einsteigen.

Wie realistisch aber ist dieses Szenario? Auch wenn die Grünen in ihrem Wahlprogramm ein Verbot von Provisionsgeschäften fordern – dass eine Gesetzesänderung zeitnah umgesetzt wird, damit rechnet Schick nicht. „Ich glaube nicht, dass die Provisionsberatung verboten wird. Da wird die FDP nicht mitmachen. Möglicherweise werden die Provisionen aber gedeckelt.“

Beim Sparkassenverband ist man sich da nicht so sicher. Es sei „nicht unrealistisch“, dass eine Pflicht zur Honorarberatung komme, sagt Hertel vom DSGV.

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