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Peter Seppelfricke Direktinvestitionen: Der schleichende Abstieg Deutschlands

Alte Industrieanlagen mit einem Hochofen
Alte Industrieanlagen mit einem Hochofen: Wird Deutschland zum Industriemuseum?
© IMAGO / imagebroker
Die Standortqualität von Deutschland sinkt seit gut 40 Jahren. Der Abstieg hat sich unter der Ampelkoalition zuletzt beschleunigt

Die Investitionsentscheidungen von Unternehmen werden maßgeblich von den zukünftigen Erfolgsaussichten der verschiedenen Investitionen bestimmt. Arbeitskosten, Arbeitsproduktivität (Ausbildungsniveau, Arbeitsstunden, Infrastruktur), Fachkräftemangel, Bürokratie, Steuern sowie die Preise für Energie und Rohstoffe sind dabei die entscheidenden Parameter. Die wachsenden Negativsalden der Kapitalströme zwischen In- und Ausland (Direktinvestitionen) offenbaren: Die Perspektiven des Standortes Deutschland werden im internationalen Vergleich zunehmend kritisch gesehen.

Direktinvestitionen können in Form von Eigen- und Fremdkapital vorgenommen werden. Zu den Direktinvestitionen zählen die Reinvestitionen von Gewinnen, Neugründungen, Übernahmen und Beteiligungen (sofern mehr als zehn Prozent der Stimmrechte erworben werden) aber auch Kredite an verbundene Unternehmen über Ländergrenzen hinweg. Die Beurteilung der Standortqualität anhand von Direktinvestitionen hat entscheidende Vorteile. In den Direktinvestitionen spiegeln sich die kenntnisreichen Entscheidungen von zahlreichen Managern wider, welche die Erfolgsfaktoren in ihrer Branche sehr gut beurteilen können.

Darüber hinaus werden Investitionsentscheidungen auf Grundlage von zukünftigen bzw. nachhaltigen Erfolgsperspektiven getroffen. Direktinvestitionen sind folglich kein nachlaufender, sondern ein vorausschauender Indikator für die Standortqualität eines Landes. Stagnierende oder schrumpfende Kapitalströme nach Deutschland zeigen frühzeitig an, dass die Profis in der Summe die Aussichten in unserem Lande in den kommenden Jahren pessimistisch einschätzen.

Peter Seppelfricke: Direktinvestitionen: Der schleichende Abstieg Deutschlands

Der Abstieg begann in den frühen 1980er-Jahren

Die Analyse der Direktinvestitionen seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht interessante Erkenntnisse. Die Auswertung zeigt auf, dass die junge Bundesrepublik in ihren ersten Jahrzehnten ein Kapitalmagnet war. Die Direktinvestitionen ins Inland überstiegen deutlich die Direktinvestitionen ins Ausland (vgl. Abbildung). In den frühen 80er-Jahren kehrten sich die Kapitalströme jedoch um. Unter der Regierung Kohl war – trotz Wiedervereinigung – ein deutlicher Anstieg der Nettokapitalexporte ins Ausland zu beobachten.

Mit der Agenda 2020 unter der Regierung Schröder gelang eine drastische Umkehrung des Negativtrends. Die wirtschaftsfreundliche Politik (z.B. Lockerung des Kündigungsschutzes, Senkung der Lohnnebenkosten, höhere Bildungsausgaben und strenge Anforderungen an Arbeitslosengeld) wurden von vielen Investoren begrüßt und führten im Inland zu hohen Kapitalzuflüssen bzw. Direktinvestitionen. Der positive Trend fand mit der CDU-geführten Regierung unter Kanzlerin Merkel jedoch ein schnelles Ende.

Durchwachsene Bilanz der Ära Merkel

In den 16 Jahren ihrer Herrschaft entwickelte sich die Wirtschaft recht gut. Ob Finanzkrise, Eurokrise oder Coronakrise – die Kanzlerin erwies sich als gute Krisenmanagerin. Das BIP pro Kopf konnte im internationalen Vergleich überzeugend zulegen und es wurde nahezu eine Vollbeschäftigung erreicht. Um die Zukunftsfähigkeit des Landes war es nach der Kanzlerschaft Merkel jedoch enttäuschend bestellt.

Das Bildungsniveau der deutschen Schüler wurde auf Mittelmaß zurückgestutzt (vgl. PISA-Studien) und bei der physischen und digitalen Infrastruktur verlor Deutschland zusehends den Anschluss. Zudem wurde der Fachkräftemangel befeuert, da immer mehr (schlechter gebildete) Abiturienten in nutzlose Studienfächer gedrängt wurden. Die Konsequenz aus Vollbeschäftigung, Fachkräftemangel und mäßigen Zukunftsaussichten: Unternehmen konnten kaum attraktive Investitionen im Inland erschließen und das Kapital wanderte verstärkt ins attraktivere Ausland.

Ampelregierung beschleunigt Negativtrend

Der Negativtrend wurde mit der Ampelkoalition unter Kanzler Scholz noch einmal beschleunigt. Der Nettoabfluss mit rund 125 Mrd. Euro im Jahre 2022 stellte einen bisher nie verzeichneten Negativrekord auf. Der Fachkräftemangel dürfte dabei eher eine untergeordnete Rolle spielen, da dieser von Investoren schon seit Jahren antizipiert wird. Externe Effekte wie der Krieg in der Ukraine und in der Folge drastische Energiepreissteigerungen – unter denen Deutschland besonders zu leiden hat – dürften entscheidender für die massiven Nettoabflüsse gewesen sein.

Die Misere ist zu einem großen Teil jedoch auch hausgemacht. Der Ausstieg aus der Atomenergie lässt viele Unternehmen an der Versorgungssicherheit zweifeln. Zahlreiche Gesetze (Verbot von Verbrennungsmotoren, Heizungsgesetz, Gasumlage etc.) werden als übergriffige Regulierung und überbordende Bürokratie angesehen. Die Politik wird von vielen Unternehmern als unausgegoren und übertrieben staatsgläubig wahrgenommen. Das schreckt viele Investoren dauerhaft ab.

Frankreich und USA zeigen den Weg

Die gute Nachricht: Die historische Analyse zeigt auf, dass durch eine wirtschaftsfreundliche Politik die Kapitalströme wieder recht schnell ins Inland umgelenkt werden können. Die Regierung Schröder ist ein Beleg dafür, dass mit einer konsequent wirtschaftsfreundlichen Politik ein Investitionsfeuer entfacht werden kann.

Der Top-Standort für Investitionen in Europa ist aktuell Frankreich (siehe Studie von EY). Das ist kein Zufall: Mit beschleunigten Genehmigungsverfahren, Bereitstellung von fertigen Betriebsgeländen und dem Plan „France 2030“ (Investitionsumfang 30 Mrd. Euro) fördert Präsident Macron zielgerichtet die Ansiedlung und Entwicklung von High-Tech-Unternehmen. 

Die weltweit mit Abstand höchsten Direktinvestitionen (mehr als 400 Mrd. Euro) fließen derzeit in die USA. Mit zahlreichen Paketen (Infrastructure Investment and Jobs Act, Inflation Reduction Act, Chips Act) schiebt die Regierung unter Präsident Biden massiv Investitionen in Infrastruktur oder neue Technologien an. Deutschland sollte sich die Wirtschaftspolitik in den USA und Frankreich zum Vorbild nehmen: Förderung statt Gängelung sollte Priorität haben.

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