Interview „Die Firmen brauchen mich und mein Geld nicht mehr“

Hendrik Leber ist Gründer der Acatis Vermögensverwaltung und Manager diverser Fonds mit rund 5 Mrd. Euro Vermögen
Hendrik Leber ist Gründer der Acatis Vermögensverwaltung und Manager diverser Fonds mit rund 5 Mrd. Euro Vermögen
© dpa
Substanzwerte-Experte Hendrik Leber zur Rolle von Dividenden für Aktienrenditen – und warum Fondsmanager wie er aktuell überflüssig sind

Capital: Herr Leber, hat die Investition in dividendenstarke Werte als Anlagestrategie ausgedient?

HENDRIK LEBER: Das wäre zu pauschal. Sie funktioniert aber im aktuellen Markt nicht. Hohe Dividendenrenditen – also der Rückfluss von Dividenden in Prozent des Kurses – signalisierten einst Unterbewertungen. Heute deuten sie darauf hin, dass das Unternehmen nicht wächst, Gewinne lieber auskehrt, statt zu investieren. Oder: dass man es mit stagnierenden oder sterbenden Branchen zu tun hat.

Woran liegt das?

Vereinfacht: weil Kapital nicht knapp ist. Es ist weltweit verfügbar. In Massen. Hinzu kommt, dass Wachstum heute nicht mehr so kapitalintensiv ist wie früher, sowohl volkswirtschaftlich als auch sektoral, etwa bei Technologiekonzernen wie Google. Mein Job als Fondsmanager war einst, das knappe Geld zu verteilen. Heute bin ich da obsolet. Die Firmen brauchen mich und mein Geld gar nicht mehr. Stattdessen sind eher Know-how und Netzwerke knapp. Eine Ausnahme bilden noch Schwellenländer. Dort sind das Wachstum und die Sektorstruktur oft noch kapitalintensiv. Das heißt, dass die Suche nach substanz- und dividendenstarken Werten da noch lohnen kann.

Gilt das in Europa und den USA nicht mehr?

Die Flut hebt seit Jahren alle Boote an der Börse. Schnäppchen macht man da keine mehr – außer bei Unternehmen, die in Schwierigkeiten stecken.

Also vergessen wir die Dividendenrendite und Dividendenkontinuität als Gütekriterien für Aktien?

Halt, nicht so schnell. Das ist eine Momentaufnahme. Und es ist auch meine Basisthese, dass weiter reichlich Geld da sein wird. Aber wenn die Kapitalversorgung plötzlich austrocknet, die Börsen taumeln – der Auslöser dafür könnte ein harter Brexit oder Ähnliches sein –, dann sind wieder Firmen gefragt, die Investoren sichere Kapitalrückflüsse in Aussicht stellen. Und natürlich bleiben Dividendenzahlungen ein starkes Signal an Aktionäre: Seht her, ich verspreche und liefere. Dabei kommt Kontinuität nie aus der Mode.

Auch wenn viele Unternehmen inzwischen eher eigene Aktien zurückkaufen, statt Dividenden zu zahlen?

Ja. Zumal die Aktienrückkäufe durch fehlgeleitete Anreizsysteme derzeit pervertiert werden. Wenn der eigene Bonus vom Aktienkurs abhängt, unternehme ich natürlich alles, den zu heben. Notfalls auch schuldenfinanziert. Die Rückkäufe steigern den Kurs und den Gewinn je Aktie, weil die Zahl der ausstehenden Aktien sinkt. Ganze Firmen werden zu Selbstbedienungsläden für Manager. Da sind Dividendenrückflüsse die bessere Variante.

Gibt es neue Faktoren oder Kennziffern, die Investoren griffig nutzen können, wie einst Buchwerte oder Dividendenrenditen?

Zuletzt gab es einen simplen Faktor für hohe Renditen: Verlustbringer meiden.

Also simpel schauen: Was lief gut, was schlecht?

Ganz so einfach ist es nicht. Wir ermitteln dazu den Gesamtertrag inklusive Ausschüttungen, Rückkäufen, Schuldenentwicklung. Aber das Bild ist konsistent: Gewinner kletterten weiter, während die Banken, Versorger, Telekomwerte zurückblieben. Ich denke, daran wird sich so rasch auch nichts ändern.

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