Der Dax-30 ist bald Geschichte. Im September 2021 wird der deutsche Leitindex auf 40 Unternehmen erweitert. Das ist der weithin sichtbarste Teil einer ganzen Reihe von Änderungen, die das Regelwerk zum Börsenbarometer umfassend neu strukturieren. Sie sollen die Qualität der Dax-Indizes erhöhen und sie an internationale Standards angleichen, begründete der Finanzmarktdienstleister Qontigo, der zur Deutschen Börse AG gehört, im November 2020 den Schritt.
Dax-Reform
Einige der Änderungen wurden teils schon umgesetzt. Ein Überblick:
- Seit Dezember 2020 müssen potentielle Dax-Kandidaten ein positives EBITDA in den zwei letzten Finanzberichten aufweisen.
- Seit März 2021 haben alle Unternehmen in den Dax-Auswahlindizes testierte Geschäftsberichte und vierteljährlich Quartalsmitteilungen zu veröffentlichen. Wird dies nach einer Verwarnung nicht binnen 30 Tagen nachgeholt, folgt der Ausschluss vom Index.
- Dafür entfällt die Pflicht zur Notierung im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse. Die Notierung im regulierten Markt ist künftig ausreichend. „Diese neue Regel wird eingeführt, um dem Indexanbieter zu ermöglichen, im Falle einer Regelverletzung unabhängig und schneller reagieren zu können“, hieß es.
- Seit März 2021 müssen alle Neuzugänge gemäß den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex einen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat vorweisen können. Bestehenden Mitgliedern wurde eine Übergangsfrist bis September 2022 gewährt.
- Die planmäßige Hauptüberprüfung der Dax-Indizes findet ab 2021 zweimal jährlich im März und September statt. Davor gab es beim Dax nur eine planmäßige Hauptüberprüfung im September.
- Ab September 2021 werden die Indexmitglieder nur noch nach Marktkapitalisierung bestimmt. „Der Börsenumsatz wird bei der Rangliste nicht mehr berücksichtigt; stattdessen müssen Indexmitglieder eine Mindestliquidität aufweisen“, teilte Qontigo mit.
Wir blicken zurück auf die Einführung des Dax, Meilensteine und Grundregeln des wichtigsten deutschen Börsenbarometers:
Dax: Meilensteine und Fakten
Der Dax startete am 1. Juli 1988. Der Stand zum Debüt belief sich auf 1163 Punkte. Basisdatum war der 30. Dezember 1987 mit einem Basiswert von 1000 Punkten. Der Deutsche Aktienindex war ein gemeinsames Projekt der Frankfurter Wertpapierbörse AG (später: Deutsche Börse AG), der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Wertpapierbörsen und der Börsen-Zeitung.
Der Dax-30 hat bereits vor der Ausweitung auf 40 Werte schon mal mehr Unternehmen umfasst als ursprünglich vorgesehen. Anfang 2005 wurde das Chemieunternehmen Lanxess vom Mutterkonzern Bayer abgespalten. Kurzfristig führte der Dax beide Unternehmen und kam somit erstmals auf 31 Werte. Nach der Neuberechnung von Bayer wurde Lanxess nach einem Tag aus dem Leitindex gestrichen. Ähnlich lief es im Septemer 2020, als der Dax mit Siemens Energy zum vierten Mal in seiner Geschichte kurzzeitig 31 Werte zählte.
1996 war ganz Deutschland plötzlich im Börsenfieber. Die Deutsche Telekom legte im November den bislang größten Börsengang der Dax-Geschichte hin. Der ehemalige Staatskonzern nahm mit 713 Millionen Aktien umgerechnet rund 13 Mrd. Euro ein. „Die Nachfrage überstieg das Angebot um das Fünffache“, erinnerte die Deutsche Börse AG zum 30. Geburtstag des Dax. Die T-Aktie schien zunächst alle in sie gesetzten Hoffnungen zu erfüllen. Zu einem Emissionskurs von 28,50 DM gestartet, erreichte die „Volksaktie“ nach zwei weiteren Börsengängen im März 2000 mit einem Preis jenseits der Hundert-Euro-Grenze ihren Höchstwert. Infolge der Finanzkrise stürzte das Papier hingegen zeitweise auf unter acht Euro ab. Mitte Juli 2021 lag der Kurs bei rund 18,40 Euro – weit unter den Ausgabepreisen des zweiten und dritten Börsengangs.
Die T-Aktie hatte wenige Monate nach ihrem Allzeithoch bereits 60 Prozent ihres Werts eingebüßt. Das war nur einer der Vorreiter dessen, was da kommen sollte. Die geplatzte Dotcom-Blase schickte den Dax kurz nach der Jahrtausendwende auf eine historische Talfahrt. 2001 belief sich das Minus bereits auf knapp 20 Prozent. Es folgte der bis heute größte Jahresverlust. Der Dax brach 2002 um 44 Prozent ein.
Nach 2002 ist der Dax noch in drei Jahren ins Minus gerutscht. Die Finanzkrise blieb 2008 mit minus 40 knapp unter dem Negativrekord-Jahr 2002. 2011 folgte das nächste düstere Kapitel der jüngeren Dax-Geschichte. Der Leitindex schloss knapp 15 Prozent im Minus. Das turbulente Börsenjahr war von der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima und der sich zuspitzenden Schuldenkrise in den USA und Europa geprägt. Der Dow Jones verzeichnete im August desselben Jahres den fünftgrößten Tageseinbruch seiner Geschichte. 2018 waren Anleger erneut auf der Flucht. Mehr als jeder zweite Dax-Konzern verzeichnete zweistellige Verluste, der Index fiel auf über minus 18 Prozent. Die Corona-Pandemie hat das Börsenbarometer hingegen nicht in rote Zahlen rutschen lassen.
Der Dax umfasst die größten und börsenumsatzstärksten Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse. Eine doppelt so große Spitzengruppe wurde bislang im MDax abgebildet. Dieser Index der mittelgroßen Werte wird im Zuge der Reform 2021 von 60 auf 50 Unternehmen verkleinert. Die größten und meist gehandelten Unternehmen unterhalb des MDax finden sich im SDax. Für Technologieunternehmen gibt es den TecDax.
Ob sich ein Unternehmen für den Dax qualifiziert, entschied sich bis zur jüngsten Reform sich anhand von zwei Hauptkriterien: Orderbuchumsatz im elektronischen Handelssystem der Deutschen Börse, Xetra, und am Parkett Frankfurt (in den vorangegangenen zwölf Monaten) sowie die Free-Float-Marktkapitalisierung zu einem bestimmten Stichtag (letzter Handelstag im Monat). Der Börsenumsatz fällt künftig weg. Daneben müssen Dax-Kandidaten weitere Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen unter anderem einen Streubesitzanteil von mindestens zehn Prozent vorweisen, fortlaufend auf Xetra gehandelt werden und mindestens 30 Handelstage seit Erstnotiz aufweisen.