Christoph Bruns ist Fondsmanager, Vorstand und Teilhaber der Fondsgesellschaft Loys AG.
Die diesjährige Dividendensaison der Dax-Gesellschaften war einigermaßen ergiebig, obwohl sie noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Nicht weniger als 57 Mrd. Euro wurden von den 30 Unternehmen an ihre Anteilseigner ausgeschüttet. Der Löwenanteil des Geldes fließt in die Schatullen ausländischer Anleger, überwiegend amerikanische Kapitalsammelstellen wie zum Beispiel Fonds, ETFs und Versicherungen. An diesem Bild hat sich in den letzten Jahren wenig gerändert, zumal inländische Anleger bereits seit geraumer Zeit eine Minderheit in den Eigentümerlisten der Dax-Unternehmen darstellen.
An sich ist der Befund gar nicht einmal besonders spannend, denn Aktienmärkte sind im Gegensatz zu Staaten vergleichsweise liberal und international ausgestaltet. Staatsbürgerschaft, Steueransässigkeit, Aufenthaltsrecht und dergleichen sind am Aktienmarkt nicht entscheidend. Tatsächlich besteht nahezu für jeden Bürger die Freiheit, sich an börsennotierten Unternehmen seiner Wahl weltweit als Miteigentümer zu engagieren.
Der Staat soll helfen
Auch deutschen Bürgern steht es frei, sich weltweit an der Wirtschaft in Form börsennotierter Unternehmen zu beteiligen; nur machen sie recht wenig Gebrauch davon. Ob Nestlé, Toyota, Apple, Samsung, Ebay oder H&M, überall auf der Welt gibt es Unternehmen, die gut positioniert sind und hohe Erträge für ihre Anteilseigner erwirtschaften. Um an ihrer Entwicklung zu partizipieren ist nicht viel Vermögen erforderlich. International investierende Investmentfonds können etwa mit 25 Euro Mindestanlagesumme monatlich bespart werden, woran sich zeigt, dass diese Anlageform für jedermann konzipiert ist.
Die Apathie der Deutschen auf diesem Gebiet hat sehr nachteilige volkswirtschaftliche Konsequenzen, wie an den Vermögensstatistiken unschwer nachzulesen ist. Zugleich ist der öffentliche deutsche Vermögensdiskurs vom Dauerthema Demografie und Altersarmut gekennzeichnet. Es wirkt schizophren, die Überalterung und ihre Folgen zu bejammern und gleichzeitig den bewährten und sinnvollen Ausweg der Aktienanlage zu verschmähen. Noch unsinniger ist das sture Festhalten an zinsgebundenen Anlageformen, nach dem sie durch die Dauerniedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank obsolet geworden sind. Nachgerade unverantwortlich ist die Weigerung, einen probaten Weg in der Geldanlage zu beschreiten und gleichzeitig gebetsmühlenartig nach dem rettenden Staat zu rufen.
Letzteres ist im Kern ein Verlangen nach anderer Leute Geld. Der in Deutschland weit verbreitete Glaube an die große staatliche Umverteilungsmaschine verschleiert mittlerweile den Blick darauf, dass der Staat eher das Problem als dessen Lösung ist. Weil der deutsche Staat seit Jahrzehnten zinsgebundene Anlagen steuerlich und regulatorisch privilegiert, hat er Fehlanreize für Bürger und Unternehmen gesetzt. Die Habitualisierung führt aber nach Jahrzehnten der Fehlleitung zu einer Unmündigkeit der Deutschen auf dem Gebiet der Wirtschaftsbeteiligung.
Zinsanlagen werden privilegiert
Heute, wo das Kind längst in den Brunnen gefallen ist, findet unser Staat weder die Einsicht noch die daraus folgende Kraft, umzusteuern. Das ist auf anderen Politikfeldern nicht anders. Auch auf dem Gebiet der Euro-Rettung, der Energiewende und beim Flüchtlingschaos zeigt sich der Staat unfähig, Fehler der Vergangenheit einzugestehen und anschließend beherzt zu korrigieren. Wer die aktuelle Diskussion um die Besteuerung von Kapitalerträgen verfolgt, bekommt schnell ein Bild von dem ideologischen Schlamassel, in dem das Land steckt. Anstatt konsequent auf die Beteiligung an der Wirtschaft zu setzen, gehen die Überlegungen vielmehr dahin, sie noch weiter zu schwächen. Zur Erinnerung: Unternehmensgewinne werden in Deutschland hoch besteuert, und wenn sie ausgeschüttet werden sogar doppelt nämlich auf Unternehmensebene und auf Eigentümerebene geschröpft.
Noch eklatanter sieht es bei der fortgesetzten Privilegierung von Zinsanlagen aus. Angesichts der rekordniedrigen Zinsen bedarf die Zinsanlage offensichtlich keiner zusätzlichen staatlichen Unterstützung. Warum aber schafft man die Besserstellung von Fremd- gegenüber Eigenkapital nicht einfach ab? Immerhin ließ zuletzt aufhorchen, dass die Bundesregierung den gesetzlichen Krankenkassen erlauben will, einen höheren Teil ihrer Finanzrücklagen in Aktien zu investieren.
Aus Chicago,Ihr
Dr. Christoph Bruns
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