Das vergangene Börsenjahr stand im Zeichen von Kurseinbrüchen und Konjunktursorgen. Angesichts der vielen schlechten Nachrichten trat eine Sache in den Hintergrund: Die Unternehmensgewinne sind im vergangenen Jahr rund um den Globus gestiegen. Vor allem in den USA zogen die Gewinne der Unternehmen kräftig an, dank der Unternehmensteuerreform von US-Präsident Donald Trump. In Europa lief die Wirtschaft 2018 nicht so rund wie in den Vereinigten Staaten. Auch europäische Unternehmen konnten aber steigende Gewinne verzeichnen, gestützt durch das starke US-Wachstum.
Der Blick zurück lohnt sich. Bald schütten nämlich viele Firmen wie jedes Jahr einen Teil der Gewinne, die sie im vergangenen Jahr erzielt haben, an ihre Aktionäre aus – und die Ausschüttungen für das vergangenen Geschäftsjahr dürften die Anlegerherzen höher schlagen lassen. In Deutschland eröffnet der Mischkonzern Siemens die Dividendensaison, mit seiner Hauptversammlung am 30. Januar. Das Unternehmen hat fünf Jahre in Folge die Dividende angehoben. Im vergangenen Jahr gab es 3,80 Euro je Aktie. Im laufenden Jahr könnte die Ausschüttung auf 3,85 Euro steigen, sagen Analysten.
Dividenden federn Kursverluste ab
Marktbeobachter rechnen damit, dass in diesem Jahr alle 30 Dax-Konzerne eine Dividende zahlen. Ersten Schätzungen zufolge dürften die Unternehmen zusammengenommen knapp 40 Mrd. Euro ausschütten. Europaweit, auf Basis des Aktienindex MSCI Europe, erwartet der Fondsanbieter Allianz Global Investors Ausschüttungen in Höhe von rund 350 Mrd. Euro. Das wären 16 Mrd. Euro oder 4,8 Prozent mehr als im vergangenen Jahr – ein neuer Rekord.
Aktien von Unternehmen, die regelmäßig hohe Dividenden zahlen, sind für vorsichtige Anleger seit jeher interessant. Schließlich liefern sie planbare Erträge. Im laufenden Jahr könnten dividendenstarke Aktien besonders interessant sein. Der Grund: ihre Puffer-Wirkung bei fallenden Aktienkursen. „Ausschüttungen haben eine Airbag-Funktion“, erklärt Hans-Jörg Naumer, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei Allianz Global Investors. Sie machen einen substanziellen Teil des Gesamtertrags von Aktien aus und können so Kursverluste abfedern.
Dividendentitel versprechen Sicherheit
Viele Fondsmanager und Analysten gehen davon aus, dass das laufende Börsenjahr genauso turbulent wird wie das vergangene. Auf kurze Sicht hat der nahende Brexit das Zeug, Europas Aktienmärkte zum Schwanken zu bringen. In den USA sorgt der Haushaltsstreit zwischen Trump und der demokratischen Partei für Unruhe. Langfristig dürfte die Weltwirtschaft langsamer wachsen – der aktuelle Konjunkturzyklus hat seinen Zenit überschritten, sagen Ökonomen. Auch das könnte Anleger weltweit verunsichern.
Dividendentitel versprechen Sicherheit in einer unsicherer werdenden Anlagewelt. Nicht nur wegen der Ausschüttungen selbst, sondern auch wegen ihrer vergleichsweise steten Kursentwicklung, sagt Kapitalmarktanalyst Naumer. Dividendenstarke Aktien schwankten Langfrist-Beobachtungen zufolge weniger stark als Aktien von Firmen mit niedrigen Dividendenzahlungen.
Ein Wermutstropfen für Dividendenfans ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Im zweiten Halbjahr könnte die Notenbank zum ersten Mal seit mehr als einer Dekade die Leitzinsen in der Eurozone anheben, sagen Wirtschaftsexperten. Steigende Zinsen gelten als Gift für ausschüttungsstarke Aktien. Sobald sich Anleihen wieder lohnen, greifen nämlich viele sicherheitsbewusste Anleger lieber zu Renten- als zu Dividendenpapieren. Das müsse allerdings nicht zwangsläufig so sein, sagt Nick Clay, Portfoliomanager bei Newton Investment Management, einer Boutique unter dem Dach von BNY Mellon. Er ist überzeugt: In einer späten Phase des Konjunkturzyklus, in der sich das Wirtschaftswachstum abschwächt, dürften qualitätsstarke Dividendenaktien gute Ergebnisse bringen.