Die Zahl hat mich aufgeschreckt. Vor allem deshalb, weil Online-Käufe immer beliebter werden. Sie sind so schön praktisch! Vom Rechner oder Smartphone aus geht es direkt in das Megauniversum des Konsums! Wir müssen uns nirgendwo hinbewegen, nichts in Tüten wegschleppen, sondern nur ein wenig mit der Maus oder dem Finger hier und dorthin tippen und – Bling – ist unser Bedürfnis befriedigt. Mit und ohne Geld. Das wird für einige zum Problem.
Knapp 35 Prozent der Frauen, die im Jahr 2021 eine Schuldnerberatungsstelle aufgesucht hatten, waren bei Online-Händlern verschuldet, meldete das Statistische Bundesamt. Die Frauen schuldeten den Shops im Schnitt 780 Euro. Eine Menge Geld. Von den Männern, die Hilfe suchten, hatten 23 Prozent bei Online-Händlern einen Kredit über etwa 425 Euro.
Insgesamt steigt der Anteil der Menschen, die bei Online-Shops verschuldet sind, Jahr für Jahr an, zwar nur leicht, aber nachweisbar. Und das sind nur die, die Hilfe suchen. Was ist mit denen, die unter ihrer Schuldenlast ächzen, aber es irgendwie schaffen, die Zins- und Tilgungsraten zu stemmen? Sie tauchen höchstens in Erhebungen wie dem Schuldenatlas des Vergleichsportals Verivox auf. Wer dort einen Kredit beantragt, muss seine Schulden angeben. Das Portal kommt für 2022 auf durchschnittlich 22.000 Euro Schulden pro Kreditinteressierten. Und wer schon einen Ratenkredit hat, hat auch schnell einen weiteren.
KI-optimierte Apps und Später-Bezahlen-Funktion
Die Digitalisierung des Einkaufens hat in den vergangenen Jahren unser Verhalten rasant verändert. Klarna und Paypal, die großen Player beim digitalen Bezahlen auf Rechnung und Kredit, haben schicke und durch KI optimierte Programme für Smartphones entwickelt. Mit diesen Apps lässt sich einfacher denn je bezahlen. Dazu hat das schwedische Fintech Klarna einen Slogan kreiert, der einlädt zum Kaufen, Kaufen, Kaufen: „Buy now, pay later.“ Kaufe jetzt und zahle später. Ist ein alter Hut. Aber wie der pinke Zahldienstleister das aufzieht, macht einfach Spaß und zielt gerade auf Frauen ab.
Der Komfort und das rasche Befriedigen des Bedürfnisses „Das will ich haben!“ hat seinen Preis. Der vermutlich vielen nicht bewusst ist. Das legt eine Befragung des DIW in Berlin nahe. Daraus geht hervor, dass fast die Hälfte derjenigen, die einen Konsum- oder Dispositionskredit in Anspruch nahmen, den Zinssatz nicht kannten. Und damit auch nicht ihre monatliche Belastung.
Ich kann mir gut vorstellen, dass auch viele, die per Klarna und Paypal und anderen Zahldienstleistern auf Raten konsumieren, nicht wissen, welche Zinssätze verlangt werden. Beim US-Anbieter Paypal findet man sie zwar mit zwei Klicks im Kleingedruckten. Bei Klarna habe ich gesucht.
Regel statt Ausnahme: fast 15 Prozent effektiver Jahreszins
14,79 Prozent effektiver Jahreszins für 500 Euro Kredit. So rechnet es Klarna in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. Auszug: „Bei einem Kredit von 500 € und einer Rückzahlung in monatlichen Raten von 44,86 € über einen Zeitraum von 12 Monaten … beträgt der Gesamtbetrag 538,35 € und der effektive Jahreszins 14,79%.“
38 Euro als Zinsen. Erscheinen nicht viel? Für Menschen mit wenig Geld ist das viel. Und oft bleibt es nicht bei einem Kredit, weil alles ja so einfach geht – nicht explizit bei Klarna. Die Ausnahme kann zur Regel werden. Und darin besteht die Gefahr. Einmal 200 Euro in Raten über sechs Monate zurückzuzahlen, ist nicht der Start in die Schuldenfalle. Es ist das Anhäufen solcher Kredite für tägliche Ausgaben oder für etwas, das Frau oder Mann sich gönnen will. Oder vielleicht sogar wirklich braucht wie eine Waschmaschine.
Wir kaufen online mehr als im Laden
Müssen 1000 Euro in einem Jahr abbezahlt werden, kommen bei rund 15 Prozent pro Jahr schon rund 90 Euro on top. Sind es 5000 Euro über drei Jahre fallen 1140 Euro Zinsen an. Bei Konkurrent Paypal sehen die Kreditzinsen ähnlich aus.
Online-Shoppen verleitet auch dazu, mehr zu bestellen. Ist die Ware dann da, behalten wir manches, auch wenn wir nicht vollständig überzeugt sind, einfach deshalb, weil das Zurückschicken Arbeit macht. Für kleinere Ausgaben erhalten wir auch bei Direkt- oder Filialbanken keine Kredite zu günstigen Konditionen. Das geht oft erst bei Kreditsummen ab 1500 Euro los. Zinsen hier: Ab 4 Prozent im Jahr.
4 Prozent versus 15 Prozent. Puh!
Was tun?
- Prinzipiell: Kein Konsum auf Kredit. Schulden sind wie Pech an Maries Kleid: Sie kleben und kleben an uns und lassen sich oft nur unter großer Kraftanstrengungen aus dem Leben schaffen. Also gar nicht erst anfangen damit.
- Planvoll: Sparen Sie erst und kaufen dann. Sparen Sie am Monatsanfang zum Beispiel 5 oder 10 Prozent Ihres verfügbaren Einkommens auf ein Tagesgeldkonto und greifen darauf zu, wenn Sie online einkaufen. Beschäftigen Sie sich mit Budgets für bestimmte Ausgaben wie Kleidung, Wohnung, Körperpflege und anderes.
- Ausgerechnet: Rechnen Sie immer aus, was der effektive Zinssatz in Euro bedeutet – vor dem Kauf. Dieser Kreditrechner hilft.
- Selbstreflexion: Kaufen Sie viel online ein, listen Sie alles auf, was Sie gekauft haben. Und: Wofür Sie Kredite haben: Nützliches für die Familie, Klamotten, Schuhe, Accessoires für die Wohnung? Überlegen Sie dann, was Sie davon wirklich brauchten. So erkennen Sie Ausgaben- und Konsummuster und können gegensteuern.
- Regeln nutzen: Machen Sie eine Pause zwischen dem Hineinlegen in den Warenkorb und dem Drücken des Kaufbuttons. Denken Sie zwei Tage darüber nach. Oft vergessen Sie, was sie online kaufen wollten.
- Radikal: Verzichten Sie auf Online-Shopping und das Nutzen von Ratenkäufen.
Haben Sie doch Ratenkredite und Probleme mit dem Tilgen, schreiben Sie alle auf einen Zettel mit Zinssatz, Restschuldbetrag, Tilgungsbetrag und Endlaufzeit. Dann sortieren Sie von teuer bis günstig und tragen zuvörderst den teuersten ab. Versuchen Sie bei den günstigeren einen Aufschub zu verhandeln. Das sollte Sie freilich nichts zusätzlich kosten.