Für deutsche Geldhäuser ist der laufende September kein guter Monat. Am Mittwoch dieser Woche gab die Deutsche Börse bekannt, dass die Commerzbank Ende des Monats ihren Platz im deutschen Leitindex Dax räumen muss. Ihr Nachfolger ist der Zahlungsabwickler Wirecard. Die Deutsche Bank muss ihren Platz im Euro Stoxx 50 freigeben: Ende September wird Deutschlands größtes Geldhaus den wichtigsten europäischen Standardwerte-Index verlassen. Der Aktienkurs der Deutschen Bank ist in den vergangenen Monaten so stark gesunken, dass das Institut nicht mehr zu den 50 wertvollsten Unternehmen der Eurozone zählt.
Deutsche Banken haben es in der globalisierten Welt schwer, sagt André Schettler von der Bank für Kirche und Caritas (BKC). „Sie werden von ihren angelsächsischen Konkurrenten abgehängt.“ Nach der Finanzkrise hatten US-Banken Finanzhilfe vom Staat geradezu aufgedrängt bekommen. In der Folge erholten sie sich rascher als europäische Geldhäuser, die größtenteils auf Staatshilfe verzichteten – und zudem im Jahr 2011 während der Euro-Staatsschuldenkrise aufs Neue unter Druck gerieten. Es sei für die Deutsche Bank womöglich besser gewesen, Geld vom Staat anzunehmen, sagte Ex-Vorstandschef Jürgen Fitschen jüngst in einem Interview. Der Commerzbank, die im Zuge der Finanzkrise teilverstaatlicht wurde, hat das jedoch auch nicht geholfen. Den Dax muss sie trotzdem verlassen.
In den vergangenen Tagen sind die Aktienkurse von Commerzbank und Deutscher Bank gestiegen, den Hiobsbotschaften zum Trotz. Das ist allerdings kein Zeichen für eine Erholung, sondern dürfte vielmehr einer besonderen Marktdynamik geschuldet sein. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Index-Absteiger um die Zeit ihres Abstiegs herum leicht zulegten . Auf lange Sicht sollten sich Anleger bei Bankaktien auf Titel von US-Instituten fokussieren, raten Anlageexperten. Denn Aktien deutscher Banken dürften in der kommenden Zeit eine vergleichsweise riskante Anlage bleiben, ebenso wie Titel anderer europäischer Geldhäuser.
Italien könnte die Bankaktien belasten
Betrachtet man die Werte im europäischen Branchen-Index Stoxx Europe 600 Banks, liegen die Aktienkurse heute nur bei wenigen Instituten höher als vor der Finanzkrise. „Am besten abgeschnitten haben die Skandinavier: DNB, Svenska Handelsbanken und Nordea“, sagt BKC-Mann Schettler. Erst im Fall einer neuen Krise werde sich zeigen, ob Europas Kredithäuser heute wirklich deutlich stabiler seien als vor der Lehman-Pleite, warnt der Anlageexperte. „Bis dahin bleiben europäische Bankwerte ein volatiles Investment.“
Anleger hatten zuletzt befürchtet, dass sich die Wirtschafts- und Währungskrise in der Türkei als Stresstest für Europas Banken erweisen könnte. Die Aktienkurse vieler Institute hatten deshalb in den vergangenen Wochen nachgegeben. Mittlerweile hat sich allerdings gezeigt, dass die meisten europäischen Geldhäuser kaum Geschäfte in der Türkei machen. Die Krise am Bosporus dürfte sie also nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Am stärksten in der Türkei engagiert sind spanische und französische Banken, zeigt eine Auswertung von J.P. Morgan Asset Management. Die Banken in der Eurozone seien insgesamt mit so hohen Reserven ausgestattet, dass sie Verluste im Zuge der Türkei-Krise verkraften könnten, urteilt der Fondsanbieter.
Kritisch könnte es werden, wenn Italiens neue Regierung ihren Konfrontationskurs mit der EU fortsetzt. Rom will teure Wahlgeschenke realisieren und dazu massiv neue Schulden machen – obwohl das Land ohnehin auf einem gewaltigen Schuldenberg sitzt. Große Ratingagenturen haben ihre Ausblicke für Italiens Kreditwürdigkeit gesenkt, die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen sind deutlich gestiegen. Sollte Italien das neue Griechenland werden, dürfte das europäische Bankensystem erneut erschüttert werden. Für Anleger, die europäische Bankaktien im Depot haben, sind das keine schönen Aussichten.
Dax-Absteiger: die Commerzbank und ihre Leidensgenossen
Die Dax-Absteiger
Beim Börsengang 1984 konnte Heinz Nixdorf (3.v.l.) optimistisch in die Zukunft blicken. Vier Jahre später gehörte Nixdorf Computer zum Kreis der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften. Heinz Nixdorf war allerdings zwei Jahre zuvor gestorben. Ende der 80er-Jahre ging es bergab mit Nixdorf, bis Siemens das Unternehmen übernahm. 1990 verschwand Nixdorf vom Kurszettel.
Continental ist Rekord-Ab- und -Aufsteiger aus dem Dax. Wegen einer geringeren Marktkapitalisierung mussten der Autozulieferer und die Metallgesellschaft 1996 der Münchener Rück und der Telekom weichen. 2003 kehrte Conti in die erste Börsenliga zurück. Fünf Jahre später erfolgte der nächste Abstieg: Nach der Übernahme durch die Schaeffler-Gruppe lag Continental beim Wert der frei verfügbaren Aktien nur noch auf Platz 66. Seit 2012 ist der Konzern wieder Mitglied der ersten deutschen Börsenliga.
Nur ein Jahr später war auch Schluss für die Mannesmann-Aktie nach der Übernahme des Telekommunikations- und Stahlkonzerns durch Vodafone. Die Briten waren nur an der Telekom-Sparte interessiert und verkauften die anderen Geschäftsbereiche weiter. Von Mannesmann blieb nichts mehr übrig.
Der Name Dresdner Bank steht heute noch an einer Commerzbank-Filiale in Dresden. 2001 hatte zunächst die Allianz die Dresdner Bank übernommen. Damit endete auch die Dax-Geschichte des Instituts. 2008 reichte die Allianz die verlustträchtige Bank dann an die Commerzbank weiter.
Der Finanzdienstleister MLP gab nur ein kurzes Gastspiel im Dax: 2001 für die Dresdner Bank aufgestiegen, folgte schon zwei Jahre später der Abstieg. Der von einem Bilanzskandal belastete Konzern erfüllte bei der Marktkapitalisierung nicht mehr die Kriterien für den Verbleib im Leitindex.
Der Chiphersteller Infineon ist neben Continental das einzige Unternehmen, das nach einem Abstieg den Wiederaufstieg schaffte. Im Frühjahr 2009 wurde Infineon durch Fresenius ersetzt, aber schon ein halbes Jahr später gelang die Rückkehr. Nach dem Abstieg aus dem Dax hatte sich die Aktie fulminant erholt.
Der Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 ist der jüngste Absteiger aus dem Leitindex. Nach einem schwachen Jahr für die Medienaktie reichte es nicht mehr für den Verbleib im Dax. Seit März 2018 gehört der Kunststoffhersteller Covestro dem Leitindex an.
Ein Stück deutsche Industriegeschichte fehlt seit 2019 im Leitindex: Thyssenkrupp. Bei Marktkapitalisierung und Börsenumsatz erfüllte der Konzern nicht mehr die Voraussetzungen für die erste Börsenliga. Letztlich spiegelte der Dax-Abstieg nur den scheinbar nicht zu stoppenden Niedergang Thyssenkrupps wider. Nach 31 Jahren wurde Thyssenkrupp im September 2019 vom Triebwerksbauer MTU im Dax verdrängt.