Herr Kaldemorgen, wie fällt Ihr Urteil über die ersten Tage unter dem neuen US-Präsidenten aus Kapitalmarktsicht aus?
Ich bin überrascht, wie positiv die Aktienmärkte auf die Wahl Donald Trumps reagiert haben. Was er in Sachen Protektionismus plant, ist nicht weniger als die Aufkündigung der Globalisierung. Die war eine Win-Win-Situation für Industrie- wie Schwellenländer. Die Aktienmärkte haben eine „Globalisierungsdividende“ erhalten in den letzten 20 Jahren, die nun auf dem Spiel steht.
Es gibt doch auch Gründe für Kursanstiege: etwa die Aussicht auf niedrigere Unternehmenssteuern und mehr Wachstum in den USA.
Ich bin skeptisch, weil die Erwartungen bereits sehr hoch sind. Alles andere als eine Senkung der US-Unternehmenssteuern auf 20 Prozent wäre vermutlich schon eine Enttäuschung. Zudem muss die Senkung den Kongress passieren. Und die Inlandswirtschaft abzuschotten war schon immer schädlich. Das Problem ist: die Aktienrally der vergangenen Jahre hat bereits einen starken Gewinnschub der Unternehmen eingepreist, von dem gar nicht mal sicher ist, ob er kommt. Aktienmärkte weltweit haben in den letzten fünf Jahren im Schnitt gut 15 Prozent pro Jahr zugelegt, in den USA sogar über 18 Prozent pro Jahr. Damit stiegen auch die Bewertungen. Das unterstreicht die Fallhöhe.
Das heißt: jetzt raus aus Aktien?
Nein, Aktien gehören zu einem diversifizierten Portfolio dazu. Ich setze selbst weiter auf dividendenstarke Titel etwa der Konsumgüter- und Grundstoffindustrie. Pharmaaktien sind auch wieder attraktiv, nachdem sie letztes Jahr der schlechteste Sektor überhaupt waren. Zudem eröffnen Spezialsituationen wie Übernahmen Chancen. Aber es wird vermutlich leichtere Möglichkeiten geben, Geld zu verdienen als mit Aktien.
Sind Anleihen wieder eine Alternative?
Pauschal: nein. Mit Staatsanleihen können Sie mich jagen, die reflektieren angesichts der Magerzinsen nicht annähernd die Risiken. Die Wette auf steigende Zinsen dürfte 2017 zudem die beste Möglichkeit sein, Geld zu verdienen. Ich versuche meinen Fonds aber so auszurichten, dass es keinerlei Zinsänderungsrisiken gibt, indem ich etwa Unternehmensanleihen mit höheren Renditen kaufe, zugleich aber das Zinsniveau über den Terminmarkt absichere.
Was ist mit dem US-Dollar – wird der, wie von vielen Ökonomen erwartet, weiter aufwerten?
Ja, darauf deutet die starke Divergenz zwischen dem Wachstum und den Zinsen in den USA und der Eurozone hin. Aber auch das birgt Konfliktpotenzial, da die USA eine allzu starke Dollaraufwertung auf Dauer nicht hinnehmen werden. Es ist schließlich Kern der politischen Ziele Trumps, dass sich andere Länder nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstands der USA bereichern.
Ihr Fonds Concept Kaldemorgen hat trotz steigender Zinsen binnen Jahressicht knapp 13 Prozent zugelegt. Was steckt hinter diesem Anstieg?
Zunächst standen wir Anfang 2016 – als die Kurse gleich zu Jahresbeginn einbrachen – nicht unter dem Druck vieler Mischfonds, deren Risikobudgets für das Kalenderjahr schon aufgebraucht waren, Aktien verkaufen zu müssen. Zudem haben wir uns gegen die Zinsanstiege immunisiert und taktische Chancen genutzt – etwa beim Brexit-Referendum: Da haben wir auf britische Exportwerte gesetzt, zugleich aber das Währungsrisiko des Pfunds abgesichert. Das Kalkül dahinter: Hätten die Briten für den Verbleib gestimmt, hätte das den Aktienmarkt insgesamt angehoben. So brach das Pfund ein, wovon wiederum Exporttitel profitierten. Eine schöne Asymmetrie, die wir ausnutzen konnten.
Herr Kaldemorgen, Sie zeichnen ein eher pessimistisches Bild der Kapitalmärkte und der Risiken. Muss man sich als Anleger Sorgen machen?
Ich bin kein notorischer Schwarzmaler, glaube allerdings, dass wir einige langfristige Entwicklungen aus den Augen verloren haben: etwa die, dass hinter uns über 30 Jahre fallender Zinsen liegen mit all den positiven Folgen für die Bewertungen der Aktienmärkte und der Gewinne der Unternehmen, die sich immer günstiger finanzieren konnten. Das wird so nicht reproduzierbar sein für die kommenden Jahre. Gleiches gilt für die Globalisierung, von der wir lange profitiert haben. Meine Befürchtung ist: am Kapitalmarkt rechnen nur wenige durch, was wäre, wenn sich diese Entwicklungen einmal umkehren. Spätestens im zweiten Halbjahr werden wir um diese Debatte nicht mehr herumkommen.
Klaus Kaldemorgen ist einer der bekanntesten Fondsmanager Deutschlands. Bis Ende 2012 managte er den DWS Vermögensbildungsfonds. Jetzt gibt er beim Deutsche Concept Kaldemorgen die Richtung vor.
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