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Zinsen „Manche Versicherer sind im Niedrigzins gefangen“

Alte Leipziger Hallesche Versicherung Düsseldorf
Die Alte Leipziger steckt am meisten in Altanleihen
© IMAGO / Michael Gstettenbauer
Die Zinsen steigen, aber die Lebensversicherer geben das kaum an ihre Kunden weiter. Denn viele von ihnen haben so viele Altanleihen im Portfolio, dass sie kaum freies Geld anlegen können. Auf wen das besonders zutrifft und auf wen weniger, sagt Versicherungsanalyst Carsten Zielke
Die Zinsen sind massiv gestiegen – die laufenden Verzinsungen der Lebensversicherer aber bisher nicht. Nun dauert es generell länger, bis höhere Zinsen bei den Kunden ankommen können. Denn die Branche hat rund 80 Prozent ihres Anlagekapitals in langlaufende Anleihen investiert. Die sind zwar recht sicher, waren aber zuletzt kaum verzinst. Verkaufen können Versicherer die Papiere aber auch nicht ohne Verluste, weil deren Kurse extrem gesunken sind. Sie müssen größtenteils an den Anleihen festhalten. Deshalb bleibt vielen Anbietern derzeit nur wenig Geld zur Neuanlage, um so von den besseren Zinsen am Markt zu profitieren. Nicht alle Versicherer sind aber gleichermaßen in Altanleihen gefangen, manche stehen besser da als andere. Der Versicherungsanalyst Carsten Zielke von Zielke Research Consult hat es aufgeschlüsselt:
Herr Zielke, wie sehr hängen deutsche Versicherer aktuell in schlecht verzinsten Altanleihen fest? Weiß man überhaupt von allen, wie groß deren Problem ist?
CARSTEN ZIELKE: Das ist schwer zu sagen, weil nicht alle Auskunft geben. Wir haben dazu die Daten von einigen wenigen Versicherern erhoben, die hierzu in ihren SFCR-Berichten Auskunft erteilt haben, also den Berichten zu Solvabilität und Finanzlage – der Großteil der Unternehmen tut dies jedoch nicht. Hinzu kommt, dass sich die Daten nicht auf eine einheitliche Grundlage beziehen: Einige geben konsistent an, wie hoch die Veränderung der Solvenzquote ist, bezogen auf eine Zinsveränderung um plus oder minus 50 Basispunkte. Andere rechnen in 100 Basispunkten wie die Allianz Leben, die Deutsche Leben schlüsselt es für plus 100 aber minus 50 Basispunkte aus. Die Alte Leipziger geht sogar auf 200 Basispunkte. Und man kann nicht einfach die Veränderungen der Quote mal zwei nehmen, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Von daher setze ich mich dafür ein, dass hier ein Standardszenario festgelegt wird. Das wird wohl auch in der Überarbeitung der Solvency II Richtlinien kommen.
Welche Versicherer schlagen sich aktuell besser und welche schlechter?
Bei einer Zinsveränderung um 50 Basispunkte hat die Deutsche Ärzte die geringsten Veränderungen in der Solvenzquote. Die Baloise folgt auf die Deutsche Ärzte. Wenig Veränderung heißt dabei: Diejenigen, die sich am wenigsten bewegen und nur über eine geringe Sachwertquote verfügen, sind im Niedrigzins „gefangen“. Diese laufen Gefahr, bei hohen Storni stille Lasten realisieren zu müssen, um an Liquidität zu kommen. Bayern Leben und Concordia haben die höchsten Veränderungen.
Wie sieht es bei denen aus, die größere Stresszenarien und Zinsveränderungen durchgerechnet haben?
Bei einer Veränderung um 100 Basispunkte bewegen sich Delta Direkt und Deutsche Leben am wenigsten – Condor dagegen am meisten. Und bei den 200 Basispunkten wissen wir nur die Werte der Alte Leipziger, die sich aber im Vergleich zu den anderen – die nur ein niedrigeres Stress-Szenario durchrechnen – fast gar nicht bewegt. Man kann also sagen, dass in dieser Stichprobe von auskunftswilligen Versicherern die Alte Leipziger am meisten in Altanleihen steckt und damit lange Zeit in niedriger verzinslichen Titeln investiert ist. Bei Deutsche Ärzte und Baloise sowie Delta Direkt deutet es ebenfalls darauf hin, dass sie Schwierigkeiten haben werden, schnell höhere Verzinsungen zu erzielen. Am leichtesten wird es demnach aus dieser Stichprobe der Bayern Leben, der Condor und der Concordia fallen.
Was bedeutet das für die Kunden? Werden die genug Geduld aufbringen, um auf die steigenden Zinsen zu warten?
Das Problem ist natürlich, dass die Gesamtverzinsung des Sicherungsvermögens nur sehr langsam an Rendite gewinnen kann. Das heißt, dass es länger dauert, bis die höheren Marktzinsen in den Verträgen der Kunden ankommen. Viele Kunden könnten tatsächlich darüber nachdenken, ihre Verträge zu lösen. Deshalb sollten die Versicherer gegenüber den Kunden herausstellen, dass ihr Geld bei Ihnen einerseits sicher ist und sie gegebenenfalls zusätzliche Absicherungsleistungen bekommen – wie Todesfallschutz oder die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos oder eine nachhaltige Geldanlage mit ESG-Ausrichtung. Dieses gute Gefühl kann dabei helfen, die aktuell negative Realverzinsung in Kauf zu nehmen.

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