Markus Seidel studierte Wirtschaftsingenieurwesen und VWL in Karlsruhe und promovierte in St. Gallen im Bereich Innovationsmanagement. Seit fast 20 Jahren ist er Manager in der Automobilindustrie und treibt dort neue Ideen und Konzepte voran. In diesem Jahr erschien sein Buch "Geld war Gestern".
Seit Jahresbeginn ist es um die digitale, internetbasierte Währung BitCoins etwas ruhiger geworden. Die damals oft formulierte Frage, ob sich die Anlage in BitCoins lohnt, wird momentan seltener gestellt. Doch sind BitCoins ein Auslaufmodell oder herrscht gerade nur eine Ruhepause, bis die Währung zu einem globalen Siegeszug ansetzt?
Die Geschichte von Zahlungsmitteln und Währungssystemen ist beinahe so alt wie die Menschheit selbst. Es dauerte Jahrtausende bis unsere heutigen Währungssysteme entstanden sind. Was seit Ausbruch der Finanzkrise in 2007 und damit einhergehender Niedrigzinspolitik kritisiert wird, ist die verbreitete Wahrnehmung, dass das staatliche Geld seine Funktion als Wertaufbewahrungsmittel verloren hat und nur noch als Tauschmittel und Vergleichsmaßstab taugt. Deshalb suchen viele Anleger händeringend nach Alternativen bei der Kapitalanlage. Klassische Sachwerte wie Gold, Aktien und insbesondere Immobilien erlebten in den vergangenen Jahren einen Boom. Auch exotischere Anlageformen wie Oldtimer, Kunst und Antiquitäten finden immer mehr Anhänger. Von Anlegern wird die Frage gestellt, ob sich alternative Währungen wie BitCoins als werthaltige Kapitalanlage eignen.
Alternative Währungen auf dem Vormarsch
Die Überlegungen zu alternativen Währungen beschleunigten nach dem Ersten Weltkrieg. Der visionäre, heute aber unbekannte Ökonom Silvio Gesell konzipierte ein Währungssystem, in dem das „Horten“ von Geld durch negative Zinsen sanktioniert werden sollte. Dadurch sollte der Konsum angekurbelt und der Wirtschaftskreislauf in Gang gehalten werden. Seine Ideen wurden kurz nach seinem Tod 1930 in der Alpengemeinde Wörgl in Tirol erfolgreich getestet, die lähmende Arbeitslosigkeit nahm erheblich ab. Das international beachtete „Wunder von Wörgl“ fand jedoch sein jähes Ende, als die österreichische Nationalbank 1933 intervenierte.
In den paradiesischen, geldpolitischen Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Ideen Gesells rasch vergessen: Staatliches Geld war werthaltig und ein beliebtes Anlagemedium. Ein alternatives Geldsystem schien nicht erforderlich - bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise in 2007. Während EZB und FED - bewußt oder unbewußt – sich durch ihre Niedrigzinspolitik und Ausweitung der Geldmenge quasi den Ideen von Silvio Gesell annäherten, wurde gleichzeitig ein Gegenentwurf zu Dollar, Euro & Co geschaffen: Die internetbasierte Währung BitCoins.
Der Erfinder des BitCoins-Systems, Satoshi Nakamoto, wollte die beliebige Vermehrbarkeit des Geldes mit einem genialen Streich abschaffen: Durch die Begrenzung der maximalen Geldmenge auf 21 Millionen BitCoins, der Nutzung der dezentralen Eigenschaften des Internets und durch den Einsatz komplexer IT-Technologie für die Geldschöpfung, „Mining“ genannt, sollte Geldwertstabilität erreicht sowie Zahlungsprozesse vereinfacht, sicherer und billiger werden.
Bitcoins durchlaufen klassischen Hype-Cycle
Als sich der Wert einer BitCoin im vergangenen Jahr auf über 1.200 Dollar vervielfältigte schien das Kalkül von Nakamoto aufzugehen, dessen wahre Identität bis heute offenkundig ungeklärt ist: Ein Investment in BitCoin schlug 2013 alle klassichen Anlageformen – die Währung schaffte den Sprung in die öffentliche Wahrnehmung bei zunehmender Akzeptanz als Zahlungsmittel. In der ersten Hälfte 2014 verfiel der Preis der BitCoins aufgrund verschiedener Ereignisse jedoch stark, schnell lies das Interesse nach. Aktuell hat sich der Wechselkurs bei ca. 350 Dollar stabilisiert.
Die hohe Volatilität des Wechselkurses in den vergangenen 12 Monaten zeigt, dass sich BitCoins nicht als Geldanlage für Jedermann eignen, sondern als spekulatives High-Risk-Investment einzustufen sind, an das sich neben ein paar wagemutigen Privatanlegern i.d.R. nur Hedgefondsmanager und Wagniskapitalgeber heranwagen. Dennoch könnte eine Wette auf BitCoins langfristig aufgehen. Der Wert aller 21 Millionen möglichen BitCoins liegt aktuell bei ca. 7 Mrd. Dollar – ein im Vergleich zur Geldmenge in Dollar und Euro in Billionenhöhe winziger Betrag.
Je stärker sich BitCoins als Zahlungsmittel durchsetzen und je höher ihr Anteil am Onlinemarkt als Zahlungsmittel wird, desto größer wird die Nachfrage nach ihnen. Dann kann der Wechselkurs wieder steigen. Seit ein paar Monaten gibt es Hinweise, dass sich verschiedene Onlinegiganten in den USA Gedanken über die Einführung von BitCoins als ergänzendes Zahlungsmittel machen. Darüber hinaus hat der Wertverfall im Frühjahr 2014 die weitere Verbreitung von BitCoins offenkundig nicht gestoppt. Immer mehr Händler akzeptieren sie als Zahlungsmittel.
Wie bei jeder disruptiven Innovation durchläuft das BitCoin-System den klassischen Hype-Cycle: Erst nicht beachtet, dann rasch hochgejubelt und anschließend wieder fallen gelassen. Die dann einsetzende Versachlichung der Diskussion und die Behebung der systemseitigen Schwachstellen kann die Grundlage für einen nachhaltigen Markterfolg schaffen. Eine weitere Währungskrise würde die Durchsetzung von BitCoins zudem stark beschleunigen. Insofern eignen sich aktuell BitCoins entweder für risikofreudige Investoren als Absicherung gegen eine hohe Inflation oder für jene, die an den langfristigen Erfolg der Währung als intelligentes Zahlungsmittel glauben. Für beide Szenarien gilt: Stay Online.