Kolumne Handelskrieg: Will Trump wirklich die eigene Wirtschaft abwürgen?

US-Präsident Donald Trump
US-Präsident Donald Trump
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Auch wenn der US-chinesische Handelsstreit bald entschärft sein könnte: Die Spannungen zwischen der EU und den USA werden uns wohl noch einige Monate begleiten, schreibt Capital-Kolumnist Holger Schmieding.

Hat selbst Donald Trump mittlerweile Angst vor der eigenen Courage? Während er sonst alles Erdenkliche unverzüglich in die Welt hinausposaunt, hat er sich noch nicht getraut, den am 17. Februar vorgelegten Bericht seines Handelsministeriums zu veröffentlichen, ob Autoeinfuhren aus der EU die nationale Sicherheit der Weltmacht USA gefährden. Das Urteil, zu dem Trumps Handelsminister gekommen sein dürfte, scheint klar zu sein: deutsche Autos auf New Yorks Fifth Avenue sind gefährlich. Schließlich hat der Minister vor einem Jahr auch befunden, dass Stahl- und Aluminiumeinfuhren aus Kanada die Sicherheit der USA gefährden, obwohl sich kaum jemand ein militärisches Szenario vorstellen kann, in dem die USA nicht weiter Zugang zu Stahl und Aluminium aus dem benachbarten Ontario hätten.

Die Argumente, Autoeinfuhren seien eine Gefahr, sind natürlich hanebüchen. Zudem lehnt selbst die angeblich zu schützende US-Automobilindustrie einhellig Strafzölle auf die Einfuhr von Kraftfahrzeugen und Kfz-Teilen ab, da solche Zölle auch die eigenen internationalen Lieferketten in Mitleidenschaft ziehen würden.

Dennoch müssen wir die Drohung aus den USA ernst nehmen. Zum einen hat Trump selbst über Jahrzehnte hinweg immer wieder sein Missfallen über Automobileinfuhren geäußert. Da mag er für Argumente gegen Importzölle nur begrenzt zugänglich sein. Zum anderen wollen offenbar Trump und einige Hardliner seiner Administration die Drohung mit Strafzöllen nutzen, um die Europäische Union zu zwingen, den EU Markt weiter für Nahrungsmitteleinfuhren aus den USA zu öffnen.

Bisher hat Trump sich in Verhandlungen über Handelsabkommen vielfach durchgesetzt. So mussten die Wirtschaftszwerge Mexiko und Kanada einer neuen Version des nordamerikanischen Freihandelsabkommen zustimmen, das den Wettbewerbsvorteil dieser Länder in wichtigen Teilen der Industrie künstlich einschränkt. Auch Südkorea musste protektionistischen US-Wünschen teilweise nachgeben. Selbst China scheint mittlerweile auf viele US-Wünsche einzugehen. Als Schwellenland ist China mehr auf den Zugang zu US-Technologie und zum US-Verbraucher angewiesen als US-Unternehmen Chinas Absatzmarkt benötigen. Der sich abzeichnende Kompromiss dürfte China wesentlich mehr abverlangen als den USA. In diesem Fall ist das nicht einmal schlecht, da viele Klagen der USA über chinesischen Technologieklau, verzerrende Subventionen für chinesische Staatsunternehmen und bürokratische Hürden für westliche Firmen auf dem chinesischen Markt durchaus berechtigt sind. Europa kann sogar davon profitieren, dass China seine Praktiken ändern muss.

Aus drei Gründen ist der Streit zwischen den USA und der EU von einer ganz anderen Natur: Erstens sehen die USA in der EU keinen geostrategischen Rivalen, den es klein zu halten gilt. Auch deshalb gibt es in der amerikanischen Öffentlichkeit und im Kongress – anders als bei China – kaum Rückhalt für einen Trumpschen Handelskrieg gegen die EU. Zweitens ist die EU im Welthandel die Nummer 1. Im Jahr 2017 lieferten die USA Güter und Dienstleistungen im Wert von $528 Milliarden in die EU, mehr als nach Kanada ($341 Milliarden) und China ($188 Milliarden) zusammen. Drittens ist der Handel zwischen den USA und der EU weitgehend ausgeglichen. Je nachdem, ob man einige Transfers amerikanischer Großkonzerne aus den Niederlanden und Irland in die Heimat mitrechnet, haben die USA entweder einen kleinen Überschuss oder einen kleinen Fehlbetrag in ihrer Leistungsbilanz gegenüber der EU.

Der große Umfang und die weitgehend ausgeglichene Natur des transatlantischen Austausches von Gütern und Dienstleistungen bedeutet vor allem eines: In Handelsfragen ist die EU der einzige ebenbürtige Partner oder Gegner der USA. Anders als beispielsweise China, Kanada, Mexiko oder auch Japan und Südkorea könnte die EU nahezu jeden Schlag aus den USA mit gleicher Münze zurückzahlen. Weil der gegenseitige Handel so wichtig ist, würde ein Handelskrieg beiden Seiten empfindlich schaden.

Im letzten Jahr hat sich Trump um die Kosten seiner aggressiven Handelspolitik kaum geschert. Bis zum Oktober konnte er sich sogar als Sieger wähnen. Denn während angesichts der Handelsturbulenzen die Konjunktur in Europa und China im Laufe des Jahres 2018 immer mehr aus dem Tritt geriet, blieben die US-Wirtschaftszahlen bis in den Spätherbst 2018 hinein blendend. Die kreditfinanzierte Steuersenkung von Anfang 2018 überdeckte die heimischen Kosten der Handelsspannungen.

Aber selbst die großen USA können sich nicht auf Dauer vom Rest der Welt abkoppeln. Seit November schwächeln auch einige der US-Wirtschaftszahlen. Die Aktienmarktturbulenzen vom Dezember kamen als Weckruf dazu: Sowohl bei der Notenbank als auch in der amerikanischen Politik merkt man, dass die US-Konjunktur an Schwung verliert. Der kurzzeitige Schub der Steuersenkungen ist weitgehend verpufft. Anders als in 2018 würden die USA in 2019 die Kosten von Handelskriegen selbst deutlich spüren. Um seine Chance zu wahren, 2020 wiedergewählt zu werden, dürfte Trump deshalb in diesem Jahr eher daran interessiert sein, Handelsabkommen zu schließen statt kostspielige Handelskriege vom Zaum zu brechen. Flexibel genug ist der Mann ja.

Einfach wird ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA allerdings nicht. Zum einen muss die EU sich zunächst einmal auf eine gemeinsame Linie verständigen. Das wird wohl gelingen. Es kostet aber Zeit. Zum anderen hat die EU nahezu keinen politischen Spielraum, dem US-Wunsch nach einer weiteren Öffnung des EU-Marktes für Nahrungsmittel aus den USA nachzukommen. Frankreichs Präsident Macron hat bereits hinreichend Ärger mit den Gelbwesten, die als Protestbewegung des ländlichen Raumes gegen vermeintliche Zumutungen aus Paris begannen. Paris wird französischen Landwirten keine weiteren Opfer abverlangen können und wollen. Auch in Deutschland würde die große Koalition einen Versuch, eigene Verbraucherschutzstandards auf amerikanischen Wunsch hin zu verwässern, wohl nicht überstehen. Was immer man mit den Stichworten „Chlorhühnchen“ und „genmanipulierte Nahrungsmittel“ verbinden mag – dass Berlin und Brüssel den USA hier nachgeben, ist politisch kaum denkbar.

Während es Beijing und Washington in Kürze gelingen mag, den US-chinesischen Handelsstreit zu entschärfen, werden uns die Spannungen zwischen der EU und den USA wohl noch für einige Monate beschäftigen. Je lauter die USA zwischendurch damit drohen, 25% Strafzölle auf Automobileinfuhren zu verhängen, desto mehr kann dies unsere ohnehin schon bedenklich wackelnde Konjunktur weiter schwächen. Eine Kombination aus hartem Brexit ohne Anschlussabkommen und einem Handelskrieg mit den USA wäre für das weltoffene Deutschland sogar ein Rezept für eine ansonsten eigentlich völlig unnötige Rezession.

Aber da die USA unter Gegenmaßnahmen der EU gegen amerikanische Zölle ebenfalls spürbar leiden würden, stehen die Chancen insgesamt recht gut, dass uns dieses Schicksal erspart bleibt. Ebenso wie China wird die EU mehr Möglichkeiten schaffen, Flüssiggas aus den USA einzuführen. Zudem ist die EU bereit, viele oder alle Industriezölle gegenüber den USA zu senken, sofern die USA ebenfalls angemessene Zugeständnisse machen. Auch ohne wesentliche Änderungen im Agrarhandel müsste der Spielraum für einen Kompromiss letztlich ausreichen. Aber bis der Deal ausgehandelt ist, steht uns wohl noch eine mehrmonatige Zitterpartie bevor.

Holger Schmieding ist Chefvolkswirt der Berenberg Bank und schreibt an dieser Stelle regelmäßig eine Kolumne zu Konjunktur und Weltwirtschaft.

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