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Musterfahren Wirecard-Sammelklage: Gericht warnt vor Überlastung

Frühere Wirecard-Zentrale in Aschheim: Der Bilanzskandal, der 2020 aufflog, belastet bis heute die Gerichte
Frühere Wirecard-Zentrale in Aschheim: Der Bilanzskandal, der 2020 aufflog, belastet bis heute die Gerichte
© Frank Hoermann/SVEN SIMON / Picture Alliance
Das Musterverfahren gegen den insolventen Zahlungskonzern Wirecard sprengt alle Dimensionen: Rund 3000 Ex-Aktionäre wurden bereits zugelassen und Tausende Beteiligte dürften noch hinzukommen. 

Mehr als drei Jahre nach der Pleite des Zahlungskonzerns Wirecard wird das Musterverfahren vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht zu einer Geduldsprobe für geschädigte Anleger und zu einer massiven Belastung für die Justiz. Wie eine Sprecherin des Gerichts auf Capital-Anfrage mitteilte, seien bereits mehr als 8000 Anmeldungen früherer Aktionäre erfasst worden. Ferner stünden noch „mehrere Tausend“ Anmeldungen zur Bearbeitung an. 

Schon heute gibt es in dem Megaverfahren fast 3000 Beteiligte, die für diese Art Sammelklage zugelassen sind. Dabei handelt es sich um Aktionäre, die nach dem Auffliegen des Bilanzbetrugs 2020 Einzelklagen gegen Ex-Manager und die Prüffirma EY eingelegt hatten. Damit sei dieses Musterverfahren „nach Dimension und Komplexität beispiellos“, sagte die Gerichtssprecherin. Mit Blick auf den Anmeldestau dürften noch Tausende Beteiligte hinzukommen.

Wegen der Klageflut hatte das Bayerische Oberste Landesgericht ein Musterverfahren angeordnet und im März 2023 einen Musterkläger bestimmt. Als Beklagte wurden erst acht Personen und Unternehmen benannt – etwa die Ex-Vorstände Markus Braun und Jan Marsalek sowie EY und einzelne Prüfer. Bis September lief die Anmeldefrist. Später kamen ein weiterer Ex-Prüfer und ein weiterer Ex-Manager hinzu. Gegen diese können Anleger noch bis April 2024 Ansprüche anmelden.

Um die Anmeldungen zu erfassen und zu prüfen, hat der Senat bislang nur wenig Verstärkung erhalten. Laut der Sprecherin wurden einige Richter von anderen Gerichten „zu einem geringen Arbeitskraftanteil“ als wissenschaftliche Mitarbeiter abgeordnet. Auch für die Erfassung der Anträge seien Justizbeschäftigte teilabgeordnet worden. In Summe gehe es aber jeweils um weniger als drei zusätzliche Stellen. Die Sprecherin warnte, dass das Gericht das Verfahren mit seinen heutigen Personalmitteln nicht bewältigen könne. Bis zum Abschluss dürften noch Jahre vergehen.

Der Rechtsvertreter des Musterklägers äußerte scharfe Kritik an der unzureichenden Ausstattung des Gerichts. „Das Gericht wird hier von der bayerischen Justizverwaltung alleine gelassen“, sagte der Rechtsanwalt Marc Liebscher im Gespräch mit Capital. Der Fall zeige, dass das deutsche Rechtssystem nicht in der Lage sei, derartige Massenverfahren zu bewältigen, fügte Liebscher hinzu. Der Kapitalmarktexperte der Berliner Kanzlei Dr. Späth & Partner hatte Anfang des Monats die Federführung im Anwaltsteam des Wirecard-Musterklägers Kurt Ebert übernommen, anstelle der Münchner Anlegerkanzlei Mattil. Neben Liebscher besteht das Team aus dem Anwalt Elmar Vitt und der Anwältin Annette Heinisch. Die Kanzlei Mattil unterstützt das Team zwar noch, darf nun aber in der Öffentlichkeit nicht mehr für den Musterkläger sprechen.

Erschienen in Capital 1/2024

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