Die Vision von Facebook verspricht eine Welt, in der Banken und andere Zahlungsdienstleister überflüssig werden und ein sofortiger, nahezu kostenloser internationaler Geldtransfer möglich ist. Wenn die Währung bei den 2,4 Milliarden Facebook-Nutzern auf breite Akzeptanz stößt, könnte sie eine wichtige Rolle spielen und sogar die Bedeutung der Zentralbanken schmälern.
Die Tinte unter den Vorschlägen von Facebook war kaum trocken, da meldeten sich schon Banker, Regulierungsbehörden, Finanzmanager, Investoren und Branchenexperten zu Wort: Sie seien dabei, die Auswirkungen zu bewerten, hieß es . Und sie gaben zu Bedenken, dass es viele Hindernisse auf dem Weg von Libra geben werde. Das Thema Regulierung wurde dabei am häufigsten genannt.
Harsch Sinha, Chief Technology Officer des Anbieters für internationale Geldüberweisungen Transferwise, sprach von den langwierigen Regulierungsprozessen, die sein Unternehmen durchlaufen musste, damit es ein Netzwerk aufbauen konnte, um Geld um die Welt zu bewegen. Dazu gehörten Genehmigungsverfahren in jedem einzelnen US-Bundesstaat. „Es ist eine Menge Arbeit“, sagte er. „Du musst viele Dinge zur Bekämpfung von Geldwäsche, und Betrug tun, um nachweisen zu können, dass du die Herkunft des Geldes im Blick hast.“
Facebook dringt in andere Dimensionen vor
Die Libra-Geldgeber bezeichnen Überweisungen – wenn zum Beispiel Gastarbeiter Geld aus dem Ausland nach Hause schicken – als wichtigen Anwendungsfall. Das heißt, die Regulierungsbehörden von großen Überweisungsländern wie Indien und Mexiko sowie die USA müssen ihr Einverständnis geben.
Und es gibt noch eine weitere Hürde für das Projekt: Libra erweitert den Kreis der verfügbaren Währungen und könnte es den Ländern erschweren, Dinge wie die Inflation zu kontrollieren. Das könnte sich in Staaten mit Kapitalverkehrskontrollen als besonders problematisch erweisen.
„Bisher waren Kryptowährungen nicht groß genug, um die Zentralbanken zu beunruhigen“, sagte ein Vertreter einer Zentralbank der Eurozone. „Die große Zahl Facebook-Nutzer und die schiere Größe des Unternehmens selbst ist natürlich etwas, was wir so noch nie zuvor hatten.“ Vorerst „beobachtet“ seine Zentralbank das Projekt und wartet darauf, dass weitere Details bekannt werden.
In Großbritannien sagte Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, dass die Zentralbank Libra mit „einem offenen Geist“, aber „nicht einer offenen Tür“ begegnen werde. In den USA hielten sich die Regulierungsbehörden mit Stellungnahmen zurück, wobei die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) allerdings mitteilte, dass sie mit Facebook über die Pläne spreche.
Banken halten sich zurück
„Was Facebook vorhat, ist eine Stärkung für Blockchain und Krypto und ein Beispiel für eine visionäre Sichtweise, wie die Welt aussehen und funktionieren könnte, aber es vernachlässigt die Komplexität grenzüberschreitender [Transfers] und der rechtlichen, regulatorischen und anderer Verpflichtungen“, sagte Alex Holmes, CEO des grenzüberschreitenden Zahlungsriesen Moneygram. Ein Finanzmanager einer großen globalen Bank sagte, dass es „viel Verwirrung“ über die Frage gebe, wie die Regulierungsbehörden mit Kryptowährungen umgehen werden. Führungskräfte mehrerer großer Banken bezeichnen das unsichere regulatorische Umfeld als einen der Hauptgründe, warum sie nicht an dem Projekt beteiligt sind. Keine Bank gehört zu den ersten Investoren von Libra.
„Banken sind sich offensichtlich per Definition der regulatorischen Hürden im Allgemeinen bewusst“, sagte ein Fintech-Manager einer anderen weltweit tätigen Bank. Daher seien die Banken vor dem Hintergrund der Regulierungsfragen zurückhaltender als die mehr als zwei Dutzend Unternehmen, die hinter Libra stehen.
Unklar ist, wie Facebook mit den Banken vor dem Start von Libra kommuniziert hat. Eine Person, die mit der Situation vertraut ist, sagte, dass die ING aus den Niederlanden angesprochen worden sei, sich aber gegen eine Beteiligung entschieden habe. Die Citigroup, eine der größten Banken der Welt, teilte mit, es habe „kein Gespräch“ mit Facebook beziehungsweise Libra über das Projekt gegeben. Facebook wollte vor dem Start der Kryptowährung keinen Kommentar zu den Kontakten abgeben.
Libra ist eine Gefahr für B2C-Fintechs
Die Akzeptanzfrage ist das zweite wichtige Thema: Wie kann man Händler von Libra überzeugen, die in den USA nur langsam selbst einfache Technologien wie Chip und Pin einsetzen. Nun sollen sie ein Zahlungsmittel akzeptieren, dessen Wert gegenüber der Landeswährung schwankt, die der Händler zur Zahlung seiner Steuern und seiner Miete verwenden muss. „Dies im Jahr 2020 mit einem Zusammenschluss verschiedener Zahlungsanbieter und Unternehmen ans Laufen zu bringen, könnte sich meiner Meinung nach als schwierig erweisen – es wird einige Zeit dauern“, sagte Holmes. „Und was die praktische Anwendung für unsere Art von Verbraucher angeht – rund zwei Milliarden auf der ganzen Welt ohne oder mit unzureichendem Zugang zu Banken – denke ich, dass es interessant sein wird zu beobachten, wie lange es dauert, bis die Technologie auf dieses Niveau vordringt.“
Moneygram hat offensichtlich ein Interesse daran, die Pläne von Facebook infrage zu stellen, ebenso wie andere grenzüberschreitende Zahlungsdienstleister und Banken, die die Überlebenschancen von Libra anzweifeln. Harsch Sinha von Transferwise sagte, dass seine Firma und Facebook „auf das gleiche Ziel“ hinarbeiteten, nämlich teure Zwischenhändler loszuwerden. Es gebe genügend Möglichkeiten auf dem Markt, um sie zu umgehen.
Lex Sokolin, Global Co-Head of Fintech bei Consensys Consulting, wies auf die Dimensionen hin. „Facebook ist tausendmal größer, kann auf ein massives Engagement bauen und hat die größten von Risikokapital unterstützten Start-ups hinter sich, um gemeinsam ein globales unpolitisches Kryptogeld zu schaffen.“ Facebook sei auch sehr gut im Kopieren und das chinesische Finanz-Start-up Ant Financial befinde sich in seinem Fadenkreuz. „Also auf jeden Fall sind die B2C-Fintechs in Gefahr.“
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