Zu den überragenden Größen im Silicon Valley zählte Dara Khosrowshahi bisher noch nicht. Aber aus den Jahren als Boss des Internetportals Expedia.de hat er für die Aufgabe an der Spitze des weltgrößten Fahrdienstvermittlers eine ansehnliche Bilanz von Übernahmen und beständigem Wachstum vorzuweisen. Ubers Aufsichtsrat würdigte ihn bei der Bestätigung für seine "Erfahrung, Talent und Vision". Die Geschichte des 48-Jährigen ist eng mit der des Medienmoguls Barry Diller verbunden, der den Übernahmespezialisten 1998 zu sich holte: Zu der Zeit war der junge Analyst bei der Investmentbank Allen & Co beschäftigt. Zum Chef von Expedia wurde er 2005 – kurz nachdem Unterhaltungsunternehmer Diller seine Reisebeteiligungen abstieß. Seitdem hat Expedia in der Reisbranche einen enormen Appetit für Übernahmen entwickelt – insbesondere in den vergangenen drei Jahren. Der Anbieter schluckte Orbitz und Travelocity und kaufte die FeWo-Direkt-Mutter HomeAway, um dem milliardenschweren Start-Up AirbnB die Stirn zu bieten. Expedias Marktkapitalisierung stieg auf 23 Mrd. Dollar an, in der US-Rangliste nur hinter dem Erzrivalen Priceline Group Inc., obgleich Ubers jüngste Bewertung diese Größe wiederum in den Schatten stellt.
"Strategischer Denker mit kühlem Führungsstil"
Der langjährige Priceline-Chef Robert Mylod nannte Khosrowshahi einen beeindruckenden Wettbewerber. Er sei ein „großartiger strategischer Denker mit einem kühlen, sachlichen Führungsstil“. Für den frei gewordenen Topjob bei Uber gäbe Khosrowshahi ein pralles Gehaltspaket auf, das 2015 nahezu 95 Millionen Dollar über fünf Jahre auf die Waage brachte – obgleich er auch jedes Jahr etliche aggressive Unternehmensziele dafür erfüllen muss, um den vollen Wert zu kassieren. Mit seiner ursprünglichen Heimat verbindet den gebürtigen Iraner nur wenig. Seine Familie zog nach New York, als er noch ein Kind war. Während der Iranischen Revolution befand sie sich im Auslandsurlaub. Im Besitz der begüterten Familie waren einige Industrieunternehmen. Es schien zu gefährlich, nach dem Putsch gegen den letzten Schah von Persien zurückzukehren. „Wir hatten unfassbares Glück, dass wir uns gerade in den USA aufhielten“, sagte er dem „Wall Street Journal“. Nach seinem Ingenieurstudium an der Brown University zog es ihn auch nach New York zurück, wo er sich für die Finanzwelt begeisterte. Den persönlichen Durchbruch erlebte er als junger Manager im Bankhaus Allen, als Dillers Shoppingsender QVC eine feindliche Übernahme gegen Paramount Communications startete. Die scheiterte zwar am Ende. Aber die Zahlenwerke des jungen Beraters hinterließen bei Diller einen bleibenden Eindruck. Er holte ihn 1998 in seine Fernseh- und Unterhaltungsgeschäfte.
Kritische Stimme gegen Trump
An der Spitze von Expedia gehörte Khosrowshahi zu den kritischen Tech-Managern, die sich öffentlich gegen Präsident Donald Trumps Einwanderungspolitik wandten. Die Anweisung, Staatsangehörigen sechs mehrheitlich muslimischer Länder, darunter Iran, die Einreise zu verweigern, kritisierte er im Januar als „das bisher schlimmste Zeichen seiner Schwäche, voreilig zu handeln statt erst zu überlegen“. In seinem Umfeld wird der Kalanick-Nachfolger als Persönlichkeit beschrieben, die trotz wachsender Verantwortung im Lauf der steilen Karriere bescheiden und ausgeglichen geblieben sei. Den Aufstieg Expedias zur marktbeherrschenden Größe im amerikanischen Online-Reisemarkt managte er geschickt und ohne ernsthafte Kollision mit den Wettbewerbsbehörden. Erfolgreich hat der Konzernchef auch Gerichtsverfahren abgewehrt, die staatliche Behörden aus dem In- und Ausland gegen das Steuergebaren des Unternehmens anstrengten. Diese Erfahrung gibt ihm ein gutes Rüstzeug, auch den streitbaren Fahrdienst durch unzählige rechtliche Auseinandersetzungen zu steuern, mit denen Uber in unterschiedlichsten Märkten konfrontiert ist. Als Arbeitgeber steht Expedia, das sich gerade in Seattle ein neues Hauptquartier baut, Uber in nichts nach. Im Gegenteil: Für das Reiseportal arbeiteten Ende 2016 rund 20 000 Voll- und Teilzeitbeschäftigte, während Uber rund 15 000 Beschäftigte zählt. Allerdings ist Expedia bei einem Umsatz von 8,77 Mrd. Dollar im Jahr 2016 im Gegensatz zu Uber profitabel. Copyright: The Wall Street Journal 2017