Vergangene Woche hat der Facebook-Mutterkonzern Meta seinen Geschäftsbericht für das vergangene Jahr an die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC übermittelt – ein über 130 Seiten langes Dokument. Einer, der das Konvolut offenbar genau durchgearbeitet hat, ist der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems. Er entdeckte darin eine brisante Formulierung – sie liest sich wie eine Drohung an die Europäische Union: Falls kein „neuer transatlantischer Rahmen für den Datentransfer verabschiedet“ werde, sei es Meta künftig nicht weiter möglich, „eine Reihe unserer wichtigsten Produkte und Dienstleistungen, einschließlich Facebook und Instagram, in Europa anzubieten“.
Seither haben eine Reihe von Newsportalen über den angeblichen Plan berichtet, in den sozialen Medien hat der vermeintliche Rückzug für einen Aufschrei gesorgt. Was aber steckt hinter der Formulierung?
Zum einen ist der Bericht für die SEC für einen börsennotierten Konzern wie Meta eine formalistische Übung – dazu gehört auch, alle nur irgendwie denkbaren Risiken für die Geschäftsentwicklung aufzuzeigen. So spricht der Konzern auf Seite 45 des Berichts über eine „Zwei-Klassen-Stammaktienstruktur“, die Unternehmensgründer Marc Zuckerberg ermöglicht, Aktionärszustimmungen in bestimmten Angelegenheiten „zu kontrollieren, selbst wenn er weniger Aktien besitzt“. Für wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich Meta den Eintritt solcher Szenarien hält, erklärt das Unternehmen dort nicht. Das Ganze ist vielmehr als juristische Absicherung gedacht.
Andererseits verweist die Formulierung auf eine politische Entwicklung, die Meta durchaus reell betrifft. Derzeit speichert der Konzern Daten von Nutzern auf US-amerikanischen Servern. Er beruft sich dabei auf den sogenannten „Privacy Shield“. Dies ist ein Abkommen, das transatlantische Datentransfers und somit das Speichern von europäischen Nutzerdaten auf US-amerikanischen Servern erlaubt. Aktivist Schrems hatte dagegen erfolgreich geklagt: In dem sogenannten „Schrems II“-Urteil hat der Europäische Gerichtshof 2020 festgestellt, dass das „Privacy Shield“-Abkommen über keine ausreichende Basis verfüge, um die Daten von Europäern zu schützen.
Europa ist ein wichtiger Markt für Meta
Seitdem wird über ein neues Abkommen verhandelt. Sollte es in diesen Verhandlungen zu keiner Einigung kommt, müsse man sich aus dem europäischen Geschäft zurückziehen – so formuliert Meta das ultimative Szenario in dem Geschäftsbericht. Schrems kritisierte diese Drohung auf seinem Twitter-Account und zeigte sich enttäuscht, dass Meta „anscheinend nicht an dauerhaften Lösungen arbeiten“ wolle.
Für den Facebook-Konzern ist die Verarbeitung von Nutzerdaten über Landesgrenzen hinaus ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells – die Informationen über mögliche Präferenzen und die Interessen der eigenen User sind die Grundlage für die Werbefinanzierung auf der Plattform.
Und Europa ist immer noch ein riesiger Markt für Meta – der nach Nordamerika weltweit zweitwichtigste. Im letzten Quartal 2021 entfielen von 32 Mrd. Dollar Werbeeinahmen rund ein Viertel, also 8 Mrd. Dollar, auf Europa. Würde sich Meta vor diesem Hintergrund wirklich überlegen, aus diesem Markt auszusteigen? Denn das hieße, dass Firmen sowohl auf Facebook als auch auf Instagram keine Werbeanzeigen mehr schalten würden, um mit Kunden im direkten Kontakt zu stehen.
Deutlich wahrscheinlicher ist, dass sich Facebook und die Europäische Union in diesem Jahr auf ein neues Abkommen einigen könnten. Gegenüber dem Nachrichtenportal T-Online bekräftigte zudem ein Konzernsprecher, dass „wir weder Wunsch noch Absicht haben, uns aus Europa zurückzuziehen“. Andernfalls entstünde eine Lose-Lose-Situation für Meta – und für die Firmen, die dort Werbeanzeigen schalten.
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