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Autobauer Wie Ferrari den Sprung ins E-Auto-Zeitalter schaffen will

Ferrari-Chef Benedetto Vigna steht an einem Rednerpult
Ferrari-Chef Benedetto Vigna stellte die E-Autopläne der Sportwagenmarke vor
© Francesca Volpi/Bloomberg / Getty Images
Er leitet das erfolgreichste Unternehmen Italiens, hat dort selbst einiges auf Trab gebracht – jetzt macht sich Ferrari-CEO Benedetto Vigna Sorgen um Europa. Gleichzeitig drückt er aufs Tempo bei der Elektrifizierung seiner Sportwagen

Bei Ferrari geht alles darum, schneller zu sein als andere. Damit ist der italienische Sportwagenbauer zum erfolgreichsten Unternehmen seines Landes geworden. In der Logik der Rennstrecke, die Ferrari groß gemacht hat, hat jetzt Firmenchef Benedetto Vigna am Konzernsitz in Maranello einen Alarmruf an Europa geschickt: Auch der Kontinent müsse dringend schneller werden, wenn er im Weltmarkt nicht den Anschluss verpassen wolle, sagte Vigna am Freitag. „Wir haben das Gefühl, dass Europa aufwachen muss“, mahnte Vigna am Rande der Eröffnung einer neuen Produktionshalle, die unter anderem für neue Elektro-Ferraris genutzt werden soll.

Das habe Ferrari gelernt, sagte der Manager: „Wenn jemand anderes schneller ist, muss man selbst noch schneller werden“. Das Gleiche müsse Europa in puncto Wettbewerbsfähigkeit beherzigen, so das Plädoyer des Firmenlenkers. „Es bringt nichts, dann Nägel auf die Straße zu werfen“ – also zu versuchen, die anderen auf eigenem Terrain am Schnellerwerden zu hindern. 

Vigna lobte etwa ausdrücklich das Tempo der Techindustrie Südkoreas. Eine erfolgsverwöhnte Firma wie Ferrari sei ständig in Gefahr, sich auf ihren Erfolgen auszuruhen und „fett“ zu werden. Der italienische Manager genießt als Ferrari-Chef ein hohes Ansehen in Italien, vor allem, weil er selbst mit seiner Biographie für sich in Anspruch nehmen kann, Ferrari in mancher Hinsicht aufgeweckt zu haben. Vigna ist Quantenphysiker und hat als Forscher begonnen und später in der internationalen Chipindustrie Karriere gemacht – bevor ihn Ferrari-Hauptaktionär John Elkann vor drei Jahren ohne jede Erfahrung in der Autoindustrie an die Spitze der italienischen Sportwagenlegende holte. Der neue Chef hat den Traditionshersteller stärker auf Elektrifizierung und Digitalisierung ausgerichtet – und seit seiner Berufung den Börsenwert auf an die 75 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. 

Gleichzeitig hat Vigna am Luxuskurs seiner Vorgänger festgehalten und intensiviert ihn noch: Ferraris, die heute von etwa 200.000 Euro an aufwärts zu haben sind, sollen in Zukunft noch teurer werden können. Die Kunden können sie dann noch weit mehr als heute individualisieren, kündigte Vigna an – gegen üppige Preisaufschläge natürlich. Damit soll der bei weitem profitabelste Autohersteller der Welt noch profitabler werden, ohne unbedingt deutlich mehr Autos zu verkaufen als die gut 13.000 Ferraris, die im vergangenen Jahr auf die Straßen der Welt entlassen wurden.

Ferrari hält an Verbrennern fest

Den Zielen des Patrone soll auch das neue Produktionsgebäude E-Building dienen, das Vigna am Freitag zusammen mit Elkann und Staatspräsident Sergio Mattarello einweihte. Ab Ende 2025 soll hier der erste rein elektrische Sportwagen von Ferrari vom Band laufen. Wenn das klappt, dann hätte der Hersteller seinen Rückstand bei der Elektrifizierung in kürzester Zeit aufgeholt. Zwar produziert zum Beispiel Porsche seit fünf Jahren mit dem Taycan bereits einen Rennenstrecken tauglichen E-Sportwagen. Und Kleinserienhersteller wie Rimac und Koenigsegg liefern auch schon länger PS-starke E-Boliden. Doch Ferrari gilt zumindest bei seinen Kunden als Klasse für sich. Und der örtliche Konkurrent Lamborgini will erst etwa 2027 bereit sein.

Allerdings sollen im E-Building nicht nur E-Ferraris produziert werden. Der Sportwagenhersteller werde auf längere Sicht trotz Elektrifizierung an Verbrennern und Hybriden festhalten, so Vigna. Die könnten dann zum Beispiel mit synthetischen Kraftstoffen angetrieben werden. Der elektrische Ferrari – über den das Unternehmen noch kaum Details verrät – solle auch im Sound und im Fahrerlebnis den Produkten aus der Verbrennerwelt in nichts nachstehen. Die Sorge, dass der Sound eines E-Ferraris die Kunden enttäuschen könnte, die das Getöse von Zwölfzylindern schätzen, wies der Firmenchef weit von sich. Auch ein Elektromotor könne einen Klang haben. Und auch ein E-Auto könnte Emotionen auslösen, argumentierte Vigna. „Die emotionale Seite beruht nicht nur auf einem Faktor“ – also eben nicht nur auf dem Sound eines Verbrennermotors.

Vigna nutzt die Digitalisierung für sein Ziel, den Hersteller zum Vorreiter im Autobau in Sachen Innovation zu machen mit dem, was er „open innovation concept“ nennt. „Das ist nicht typisch für die Autoindustrie, aber typisch geworden für Ferrari“, sagte der Firmenchef. Er hat nach seinem Amtsantritt Hierarchien abgebaut, Tech-Experten in die Konzernführung geholt und einen weniger hierarchischen kollaborativen Arbeitsstil eingeführt, der für sich selbst in Anspruch nimmt, agil zu sein. Wenn der E-Ferrari kommendes Jahr überzeugen sollte, wäre das ein Beleg für Vignas Linie. Und es könnte seiner Idee, Europa solle sich ein Vorbild an Ferrari nehmen vielleicht noch mehr Widerhall geben.

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