Terminservice Doctolib: Pandemie-Gewinner mit Online-Terminen

Doctolib hat von der Corona-Pandemie und der Nachfrage nach Impfterminen profitiert
Doctolib hat von der Corona-Pandemie und der Nachfrage nach Impfterminen profitiert
© IMAGO / IP3press
Corona hat Doctolib ins Rampenlicht gerückt: Millionen Deutsche buchten über die Online-Plattform ihren Impftermin. Schwarze Zahlen schreibt das Start-up zwar noch nicht – Investoren ist das aber egal

In Frankreich ist das Gesundheits-Startup Doctolib, das durch die Online-Buchung von Arztterminen bekannt geworden ist, bereits eine beliebte Plattform. Auch in Deutschland breitet sie sich inzwischen immer weiter aus, weil sich auf der Plattform auch die begehrten Impftermine suchen und buchen ließen. Während der Pandemie hat das Unternehmen laut eigenen Angaben deutschlandweit seit dem ersten über die Plattform gebuchten Impftermin Ende Dezember 2020 inzwischen sieben Millionen Impftermine vermittelt.

Auch wenn die Impfkampagne das Unternehmen ins Rampenlicht gerückt hat: Unabhängig von der Corona-Krise hat Deutschland-Chef Ilias Tsimpoulis schon in den letzten Jahren hierzulande beobachtet, dass die Zeit für die Digitalisierung im Gesundheitswesen reif ist. Selbst wenn die Corona-Krise das Geschäft beschleunigt hat, niemand habe sich diese Pandemie gewünscht. „Aber ja, die Corona-Pandemie hat einen Katalysator-Effekt für das Unternehmen gehabt“, sagt Tsimpoulis ntv.de. Von insgesamt 20.000 Ärztinnen und Ärzten, die Doctolib deutschlandweit aktuell nutzen, sind 11.000 seit Dezember 2020 Kunden geworden.

Im Februar vergangenen Jahres lag die Nutzerzahl deutschlandweit noch bei vier Millionen Menschen. Seitdem sind laut Tsimpoulis fünf Millionen hinzugekommen. Aktuelle Zahlen zeigen außerdem, dass Doctolib nicht ausschließlich ein Service für junge Leute, sondern auch ältere Patienten erreicht: 30 Prozent der Nutzer sind laut Unternehmensangaben älter als 55 Jahre. Knapp die Hälfte davon ist sogar älter als 65 Jahre. Die Auswertung legt laut Tsimpoulis zudem nahe: „Das digitale Verhalten der Menschen wird unterschätzt. Auch ältere Leute können mit einer gut organisierten App umgehen.“

Keine schwarzen Zahlen? Investoren stört das nicht

Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen eine Ausschreibung des Berliner Senats um die Koordination der Impftermine gewonnen. Damit hat Doctolib zwar kein Geld verdient, da das Unternehmen nach eigenen Angaben in der Krise einen Beitrag leisten und zeigen wollte, dass die Digitalisierung helfen kann. Lediglich die Erinnerung per SMS hat Berlin bezahlt. Schon im Sommer 2020 hatte das Unternehmen, ohne seine Leistung in Rechnung zu stellen, die Termine für mehrere Corona-Testzentren koordiniert und die digitale Infrastruktur aufgebaut. Profitiert dürfte die Plattform nichtsdestotrotz von diesem Deal haben: Schließlich ist der Service so einem noch größeren Publikum bekannt geworden.

Auch wenn Doctolib seine Dienstleistung umsonst angeboten hat: „Wir haben uns damit nicht in den Ruin getrieben“, sagt Tsimpoulis. Schließlich sei das Kerngeschäft weitergelaufen. Das Unternehmen finanziert sich über ein Abomodell: Ärzte bezahlen 129 Euro im Monat und können dafür ihre Terminverwaltung komplett auf die Plattform auslagern.

Schwarze Zahlen schreibt Doctolib noch nicht, das sei momentan aber auch nicht das oberste Ziel. Das Unternehmen wolle vor allem wachsen. "Wir entwickeln laufend neue Features und stecken wahnsinnig viel Geld in das Thema Sicherheit, Technologie und Datenschutz", sagt Tsimpoulis. Investoren scheint das nicht zu stören, im Gegenteil. Nichtsdestotrotz kam innerhalb weniger Jahre sie so viel Kapital zusammen, dass Doctolib inzwischen zu den französischen „Einhörnern“ zählt – Startups, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sind.

Doctolib hat die Wartezeit auf einen Termin bei einem Spezialisten nach eigenen Angaben deutlich verringert – vor allem, weil kurzfristig abgesagte Termine schnell neu vergeben werden können. Patienten können auf der Webseite oder in der App kostenlos nach Ärzten in ihrer Nähe und zeitlich passenden Terminen suchen. Selbst mit knapp zehn Millionen deutschen Nutzern gebe es aber noch viel zu tun, denn offensichtlich laufen noch immer viele Terminabsprachen analog, sagt Tsimpoulis. „Die Terminvergabe von Impfungen ist etwas, was wir gerne tun, aber nur ein Teil unseres Kerngeschäfts.“

Videosprechstunden in Deutschland erst zögerlich im Kommen

Auch nach der Corona-Pandemie Tsimpoulis noch viele Möglichkeiten für sein Unternehmen, um zu wachsen. Im kommenden Jahr will das Unternehmen vor allem die papierlose Kommunikation von Ärzten untereinander und zwischen Ärzten und Patienten ausbauen. Dabei soll auch ein gesicherter Messengerdienst zum Einsatz kommen. In Deutschland war Doctolib vergangenes Jahr in die Kritik geraten, weil das Unternehmen Werbe-Cookies von Facebook genutzt hatte. Doctolib versicherte, dass keine auf Doctolib eingegebenen Daten weitergegeben wurden und erklärte schließlich, auf Werbe-Cookies ganz zu verzichten.

Anders als in Frankreich sind Videosprechstunden in Deutschland erst zögerlich im Kommen. Die für Januar vorgesehene Einführung von E-Rezepten wurde gerade erst verschoben, weil die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Tsimpoulis zweifelt trotzdem nicht daran, dass digitale Lösungen auch auf dem deutschen Markt erfolgreich sein können. Die Skepsis in der Bevölkerung versteht er eher als Anreiz. Denn: „Deutschland ist auf einem guten Weg, aber wir sind bei weitem noch nicht digitalisiert.“

Der Beitrag ist zuerst erschienen auf ntv.de

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