Am Anfang gab es noch Bedenken, als Stefan Leitz die Gewürzgurken- und Salatmarke Kühne in die Snackregale bringen wollte. „Wenn Funny-frisch Gas gibt, können die uns plattmachen“, bekam der Chef des Hamburger Familienunternehmens von manchen zu hören. Das war vor vier Jahren, damals hatten Leitz’ Leute eine neue Produktkategorie entwickelt: Chips aus Roter Beete, Pastinaken und anderem Gemüse.
Für Kühne waren die Gemüsesnacks ein großer Schritt in einen völlig neuen Markt. Die Firma, die mit Essig, Gurken und Soßen groß wurde und einst das Fertigdressing für Salate erfand, war mit der Zeit unbeweglich geworden. Das Unternehmen hatte „den Fokus auf Innovationen verloren“, sagt Leitz, der 2013 vom Unilever-Konzern zu Kühne kam. Sein Auftrag: eine Strategie gegen den rückläufigen Markt im Stammgeschäft finden und die angestaubte Marke auffrischen.
Die Erneuerung begann Leitz im Unternehmen, in dem es lange steif zuging. Er baute ein Innovationsmanagement auf, schaffte Krawattenzwang und Siezkultur ab und ließ die Einzelbüros umbauen. „Die Verjüngung einer Marke muss von innen kommen“, sagt Leitz.
Bei der Erweiterung der Produktpalette tastete sich der Firmenchef vorsichtig vor: Das erste neue Produkt, eine Vinaigrette, war noch relativ nah am Stammgeschäft. Aber der Testballon funktionierte: Die frische Submarke Enjoy, unter der Kühne die neue Soße verkaufte, kam im Markt gut an – gerade bei jüngeren Zielgruppen unter 40 Jahren, die Leitz verstärkt erreichen will. Bis dahin waren die Käufer der Kühne-Produkte zwar sehr treu, aber zumeist auch „Mitte 50 und nördlich“.
Im nächsten Schritt wagte Kühne Ende 2015 mit Enjoy den Einstieg in den Snackbereich. Die Gemüsechips passten zu Kühne, sagt Marketingchefin Kirsten Trenkner. „Unsere DNA ist Gemüse.“ Zum Start legte Trenkner eine große Kampagne auf, die dazu beitrug, das Nischenprodukt Gemüsechips bekannter zu machen – als leichtere Alternative zu herkömmlichen Chips und Erdnüssen. Seither hat sich das Volumen dieses Marktsegments verdreifacht, auf zuletzt 16 Mio. Euro. Mehr als die Hälfte davon geht auf das Konto von Kühne – obwohl der Erfolg tatsächlich Chipshersteller wie Funny-frisch zum Nachziehen animierte.
Vor allem dank der neuen Produkte, zu denen auch eine Serie von Grillsoßen gehört, steht das Unternehmen heute deutlich besser da als 2013. Umsatz und Gewinn steigen seit fünf Jahren im mittleren einstelligen Bereich. Bereits fünf Prozent des Umsatzes macht Kühne mit Produkten, die unter Leitz eingeführt wurden. Erst im Juli brachte Kühne als neuesten Enjoy-Snack Erbsen im Teigmantel auf den Markt, weitere Neuerungen sind in der Pipeline. „Da geht noch ganz viel“, sagt Leitz. „Wenn der Anteil der innovativen Produkte an unserem Umsatz nicht weiter steigt, haben wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht.“
Unternehmen
Im Jahr 1722 wird das Unternehmen als Essigbrauerei in Berlin gegründet. Seit 1832 trägt es den Namen Kühne. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der Sitz nach Hamburg verlegt. Zuletzt machte die Familienfirma, die sich bis heute im Besitz der Nachfahren des Gründers befindet, mit weltweit rund 1400 Mitarbeitern einen Umsatz von 340 Mio. Euro.