Die Herren des Geldes waren nach Erreichen der Nullzinsen reichlich ratlos. In den folgenden Jahren blähten sie mittels umfangreicher Kaufprogramme von Anleihen die Bilanzvolumen der Zentralbanken stark auf. Während auf der Habenseite Wertpapierbestände aufgebaut wurden, entstanden auf der Sollseite der Bilanz in entsprechendem Umfang Einlagen der Geschäftsbanken. Dieses „Gelddrucken“ ging einher mit zahlreichen Befürchtungen wie etwa der vor einer drohenden (Hyper-)Inflation. Bewahrheitet haben sie sich zwar nicht, doch lässt sich alles einfach zurückdrehen?
Zu Beginn der Kaufprogramme gingen die Notenbanken selbst davon aus, dass es sich um eine temporäre Intervention handelt, die dann schnell wieder rückabgewickelt werden könnte. Aus den regelmäßig veröffentlichten „Ausstiegsprinzipien“ der US-Notenbank lässt sich ablesen, dass dies in den Vereinigten Staaten etwa bis Ende des zweiten Programms der quantitativen Lockerung der Fall war. Mit Beginn der dritten (und zeitlich unlimitierten) Ankaufrunde wurde diese Idee dann aber aufgegeben.
So wie die US-Notenbank als erste mit Anleihekäufen begonnen hat – sieht man vom japanischen Experiment Anfang der 2000er- Jahre ab – hört sie auch als erste damit wieder auf und versucht sich nun seit Ende 2017 mit einer langsamen Rückführung ihres Wertpapierportfolios. Dafür reinvestiert sie fällig werdende Anleihen nicht mehr, sondern lässt sie auslaufen. In Anbetracht der langen Laufzeiten ein Prozess, der noch bis Mitte der nächsten Dekade laufen müsste, um die Bilanzvolumen auch nur halbwegs in die Größenordnung von vor der Krise zurückzuführen. Wie schon beim Einstieg in die Politik der Anleihekäufe dürften die US-Erfahrungen eine Blaupause für andere Länder beim Ausstieg werden.
Doch deutet bereits jetzt viel darauf hin, dass der gerade begonnene Bilanzabbau vermutlich schon bald wieder aufgegeben wird. Auslöser hierfür ist, dass die Federal Reserve sich seit März dieses Jahres mit folgendem Phänomen konfrontiert sieht: Eigentlich möchte sie, dass die Zinsen am Interbankenmarkt synchron mit ihren quartalsweisen Leitzinsanhebungen steigen. Faktisch steigen sie jedoch wesentlich schneller als die Leitzinsen.
Das Niveau bleibt dauerhaft hoch
Dahinter können eine ganze Reihe von Gründe stehen:
- Erstens ein deutlich stärkerer Wunsch der Geschäftsbanken, Einlagen bei der Zentralbank zu halten. Etwa, weil bestimmte Regulierungsvorschriften wie das Liquidity Coverage Ratio dies nach der Finanzkrise erfordern.
- Zweitens die im Zuge steigender Staatsdefizite in den USA erhöhte Emissionstätigkeit des Finanzministeriums. Finanzinstitute haben dadurch eine attraktive Alternative zu Einlagen bei der Zentralbank, wodurch die Überschussliquidität schneller sinkt als der Wertpapierbestand bei der Notenbank.
- Drittens eine extreme Ungleichverteilung der Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank. Während wir also gerade erst am Anfang des simultanen Wertpapier- beziehungsweise Einlagenabbaus bei der Zentralbank stehen, sind schon eine ganze Reihe von Geschäftsbanken gezwungen, sich Reserven von anderen Häusern oder der Zentralbank zu leihen. Der Markt kippt also viel schneller von einer Über- zu einer Unterversorgung mit Zentralbankliquidität als man das erwartet hat.
- Viertens ist es auch möglich, dass der Interbankenmarkt aus der Erfahrung der Finanzkrise grundsätzlich dysfunktional geblieben ist. Also Banken viel lieber auf die Zentralbank als Gegenpartei zurückgreifen, als sich untereinander Geld zu leihen.
Was auch immer die genauen Gründe sind: Ganz offensichtlich stößt die Bilanzrückführung viel früher auf Probleme als man zunächst gedacht hat. Mit der voraussichtlichen Konsequenz, dass die Rückkehr zu früher für normal gehaltenen Zentralbankbilanzvolumen nicht mal ansatzweise stattfindet. Das Niveau bleibt dauerhaft hoch.