Wenn zukünftige VWL-Studenten einmal nach Beispielen für die Abwicklung des internationalen Freihandels suchen, dann dürften sie bei einem besonders prägnanten Fall fündig werden: den Aktivitäten des Apple-Konzerns in China. In der vergangenen Woche rutschte die Aktie des kalifornischen Tech-Giganten tief ins Minus. Grund waren Medienberichte im Wall Street Journal und in der Financial Times, wonach chinesische Behörden ihre Mitarbeiter angewiesen hatten, keine Apple-Produkte mehr mit zur Arbeit zu bringen – also keine iPhones, keine iPads und auch keine Laptops des Unternehmens.
Eine offizielle Bestätigung für diesen Bann gibt es zwar noch nicht – und wird wohl auch nie kommen. Doch die erste Reaktion an den Märkten bewegte sich an der Grenze zur Panik. Innerhalb weniger Tage verlor Apple an der Börse etwa 200 Mrd. Dollar an Marktwert, also etwa zwei SAPs. China ist für Apple, ähnlich wie für deutsche Automobilhersteller, ein wichtiger Markt. Das US-Unternehmen macht dort etwa ein Fünftel seines Konzernumsatzes, wenn auch größtenteils außerhalb des öffentlichen Sektors.
Revanche gegen US-Maßnahmen
Warum die chinesischen Behörden zu der drastischen Aufforderung an ihre Beschäftigten griffen, ist unklar. Allerdings liegt ein Schluss auf der Hand: Die USA hatten China in den vergangenen Monaten mit einer Reihe von Maßnahmen gepiesackt, die sich als Teil eines Handelskriegs deuten ließen. Die Amerikaner versuchen gezielt, die chinesische Chip-Industrie zu schwächen, haben einen Bann gegen Netzwerkausrüster wie Huawei und ZTE verkündet und gehen zudem gegen das Videoportal Tiktok vor, das vom chinesischen Tech-Konzern Bytedance betrieben wird.
Der – nicht bestätigte – Schritt der Chinesen könnte also eine Reaktion darauf gewesen sein, ein Signal an ein US-Vorzeigeunternehmen und damit indirekt an die US-Regierung zu senden – man lasse sich nicht alles bieten und ist bereit zurückzuschlagen.
Nun ist Apple natürlich kein Unternehmen, dass seine Produkte nach China schafft und dort ausschließlich verkauft. Die Kalifornier lassen seit langem im großen Stil selbst in chinesischen Fabriken fertigen, einige Produkte wurden oder werden sogar zu ganz überwiegendem Teil im Riesenreich produziert. Apple schafft und unterhält also Arbeitsplätze in China, exportiert Knowhow und Kapital, was gerade angesichts der aktuellen Schwäche der chinesischen Wirtschaft kein ganz unwichtiges Detail ist. Es gibt zwar Pläne, den Anteil der chinesischen Produktion zu reduzieren, aber besonders weit ist Apple dabei noch nicht gekommen.
Analyst gibt Entwarnung
Wie stark der Schaden für den Konzern infolge eines Banns tatsächlich wäre, lässt sich nur schwer sagen. Der renommierte Tech-Analyst Dan Ives gab eher Entwarnung und prognostizierte, eine Sperre in den Behörden könnte allenfalls bedeuten, dass in China 500.000 Geräte pro Jahr weniger verkauft würden – bei einer geschätzten Gesamtzahl von 45 Millionen iPhones im kommenden Jahr. „Ein iPhone-Verbot der chinesischen Behörden wird völlig überschätzt“, schrieb Ives im Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Und auch der Börsenkurs von Apple erholte sich nach dem ersten Schock ein wenig.
Eines allerdings ist offensichtlich: Ein echter iPhone-Bann würde auch der chinesischen Wirtschaft selbst schaden, womit sich der Kreislauf der internationalen Verflechtung schließt. Ähnliches gilt für den Chipkrieg der Amerikaner, das Vorgehen gegen Huawei und andere US-Schikanen gegen die chinesische Tech-Industrie. Da amerikanische Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten enorm von chinesischen Zulieferern profitiert haben und ihre Produkte damit wettbewerbsfähig halten konnten, belastet jeder Schritt gegen China natürlich auch US-Konzerne.
Ob es sich also nur um einen chinesischen Warnschuss handelt oder nicht: Der Trend gegen den freien Welthandel, der unter US-Präsident Donald Trump begonnen hat und sich unter der Führung seines Nachfolgers Joe Biden und dessen chinesischen Widerparts beschleunigte, wird nicht einfach. Er wird nicht billig und nicht schmerzlos. Die Zahlen dazu werden eines Tages von VWL-Studenten zusammengetragen.