Der schwedische Batteriehersteller Northvolt strauchelt seit Monaten, hat in den USA Insolvenz nach dem sogenannten Chapter-11-Verfahren angemeldet. Im Kreis Dithmarschen, wo die Batteriefertigungsfabrik bei Heide entstehen soll, glauben die Verantwortlichen dennoch an eine Inbetriebnahme. Die nun von Northvolt beantrage Restrukturierung eröffne neue Möglichkeiten, sagte eine Sprecherin des Kreises Dithmarschen zu Capital.
Am 25. März war Baubeginn. Damals war die gesamte Politprominenz vor Ort: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ sich vom inzwischen zurückgetretenen Northvolt-CEO und Mitgründer Peter Carlsson die Pläne erklären.
Das Projekt in Heide wird von der deutschen Tochtergesellschaft von Northvolt betrieben, die dem Unternehmen zufolge unabhängig von der schwedischen Muttergesellschaft finanziert wird. Northvolt habe versichert, dass sie zu dem Projekt in Heide stehen. „Wir befürchten nicht, dass sich daran etwas ändert“, so die Sprecherin. „Wir vertrauen darauf, was Northvolt sagt und gehen davon aus, dass es losgeht.“ Der Produktionsstart sei für das zweite Halbjahr 2027 anvisiert. Ursprünglich war von Ende 2026 die Rede. Man spiele keine Szenarien durch für den Fall, dass die Northvolt-Muttergesellschaft abgewickelt werden müsse, sagt die Sprecherin des Kreises.
Fest steht, dass Land und Bund Fördergelder für die Fabrik in Höhe von rund 700 Mio. Euro bereitgestellt haben. Dazu kommen Fördermittel und Garantien der EU-Kommission von 902 Mio. Euro. Wie der „NDR Schleswig-Holstein“ schreibt, sind die direkten Fördermittel zwar noch nicht überwiesen, eine Wandelanleihe der staatlichen Förderbank KfW über 600 Mio. Euro allerdings schon: „Das Geld der Wandelanleihen liegt auf deutschen Konten und wird in Abstimmung mit der Kfw für den Bau der Batteriefabrik in Heide genutzt“, zitiert der „NDR“ Northvolt.
Goldman Sachs und VW schreiben ihre Investitionen ab
Für die an Northvolt finanziell beteiligten Unternehmen wird die Schieflage mehr und mehr zum Verlustgeschäft: Die US-Investmentbank Goldman Sachs schreibt als zweitgrößter Northvolt-Investor laut „Financial Times“ über ihre Fonds knapp 900 Mio. Dollar ab.
Auch bei Volkswagen dürften die schlechten Nachrichten über Northvolt nicht gut ankommen. Dem Vernehmen nach war die VW-Spitze in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus involviert bei Northvolt. Die Wolfsburger sind mit 21 Prozent größter Anteilseigner. 2023 betrug der Buchwert des Equity-Anteils an Northvolt 693 Mio. Euro. Man habe zur Kenntnis genommen, dass Northvolt das Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 beantragt habe, teilte ein VW-Sprecher auf Capital-Nachfrage mit. Laut „FT“ soll VW den Großteil seiner Investition bereits abgeschrieben haben – und das schon, bevor der Batteriehersteller offiziell Insolvenz beantragt hatte. Dazu wollte der VW-Sprecher nichts sagen. Man stehe „wie zuvor im engen Austausch mit Northvolt.“
VW ist aufgrund einer Wandelanleihe in Höhe von 355 Mio. Dollar laut „FT“ im Insolvenzantrag als zweitgrößter Gläubiger von Northvolt aufgeführt. Was mit dieser Schuldverschreibung passiert, sagte der Konzern nicht. „Zu den etwaigen Folgen des Sanierungs- und Reorganisationsverfahrens nach Chapter 11 für den Volkswagen Konzern und die betreffenden Konzern-Marken äußern wir uns nicht.“ Sollte die Wandelanleihe in Eigenkapital umgewandelt werden und Northvolt im schlimmsten Fall abgewickelt werden, wäre das Geld wohl weg.
Northvolt war VWs große Batterie-Hoffnung
Northvolt stand ursprünglich im Zentrum der Batteriestrategie des Volkswagen-Konzerns. Die Deutschen gingen die Beteiligung 2019 ein, nachdem sie eine Kehrtwende in Sachen E-Auto vollführt hatten und dabei auch auf eine eigene Batteriezellfertigung setzen wollten. Im Zuge dessen sollte Northvolt der wichtigste Partner des Wolfsburger Herstellers sein: Man plante, die erste eigene Batteriefertigung von VW zusammen mit Northvolt in Salzgitter zu errichten, diese Fabrik sollte damals den Namen „Northvolt zwei“ bekommen. Doch schon bald kühlte das Verhältnis der beiden Partner ab.
2020 beteiligte sich VW an einem weiteren Batteriehersteller, der chinesischen Firma Gotion – sie wurde dann zum Partner der Fabrik in Salzgitter, die VW zwar in Eigenregie errichtet, allerdings in großem Stil auf Know-how und Technik von Gotion zurückgreift. So soll die Salzgitter-Fabrik eine weitgehende Kopie des Gotion-Werks im chinesischen Hefei werden. Das VW-Batteriewerk soll nach den bisherigen Plänen im kommenden Jahr die Produktion aufnehmen, auch wenn der Konzern die Pläne in Europa bereits etwas zurechtgestutzt hat. Weitere Fabriken von VW nach gleichem Muster entstehen im spanischen Valencia und in Kanada.
Die Bedeutung von Northvolt für VWs Batteriepläne sank damit, ohne dass die Partnerschaft aufgelöst wurde. Aber für die Batterieversorgung der künftigen Autos des deutschen Konzerns hat Northvolt keine große Bedeutung mehr. Auch nach dem Start der eigenen Batteriezellfertigung will VW ungefähr die Hälfte seiner Batterien von asiatischen Produzenten wie dem chinesischen Weltmarktführer CATL kaufen, der ein großes Werk in Thüringen unterhält.
Ein Ende von Northvolt hätte somit zwar durchschlagende Folgen für VWs Finanzbeteiligung, aber weniger für die Modell-Pläne. Eine Ausnahme ist VWs Lkw-Tochter Scania, die wie Northvolt aus Schweden kommt und jetzt bereits Batterien aus dem Northvolt-Stammwerk Skelleftea bezieht. Zudem waren Northvolt-Batterien für künftige Modelle der Tochter Porsche – 718 und Cayman – fest eingeplant. Hier arbeitet VW aber bereits seit dem Sommer an einer möglichen Alternativlösung.