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Bernd Ziesemer Tohuwabohu in der Autoindustrie

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Prognosen für den E-Auto-Markt fallen immer schwerer. Die Autobranche ist allenfalls etwas für Wagniskapitalgeber, nicht mehr für den normalen Anleger

Der VW-Konzern verschiebt den Start bereits fest eingeplanter Elektroautos auf 2029. Mercedes setzt wieder verstärkt auf Benzinmodelle. Und BASF stellt sein Geschäft mit Batteriematerialien auf den Prüfstand, weil die Nachfrage aus der Autoindustrie schwächelt und die Preise schnell verfallen. Wollte man eine beliebte Metapher aus der Branche zitieren, dann könnte man sagen: Es läuft nicht rund mit dem Übergang zur Elektromobilität. Aber das wäre ein Euphemismus. In Wahrheit herrscht ein Tohuwabohu wie selten zuvor in der Branche.

Man muss ein paar Jahre zurückschalten, um das ganze Ausmaß der Misere zu begreifen. In Deutschland wollte der Staat einen „geordneten Übergang“ zu einer ökologisch sinnvollen Technologie auf dem Automarkt moderieren. Viele andere Staaten gingen ähnlich vor. Am 12. Juni 2015 trat sogar ein besonderes Gesetz zur Förderung der Elektromobilität in Kraft. Subventionen flossen reichlich. Bis Ende letzten Jahres konnte jeder Käufer eines Elektroautos eine Prämie in Höhe von mehreren Tausend Euro kassieren. Die deutschen Hersteller richteten ihre Pläne auf ein schnelles Ende der Diesel- und Benzinmotoren aus. Und auch auf den wichtigsten Exportmärkten – vor allem in China – versprach man sich gute Geschäfte mit deutschen E-Fahrzeugen.

Staat und Industrie waren sich einig. Aber sie machten ihre Rechnung ohne den Verbraucher. Erst war es die mangelhafte Reichweiter der Elektroautos, die viele potentielle Käufer abschreckte. Dann war es der überhöhte Preis. Schließlich machte die Nachricht vom schnellen Verfall der Gebrauchtwagenpreise im E-Segment die Runde. Einer der wesentlichen Gründe dafür: Die Batterietechnik entwickelt sich gerade so schnell, dass jedes zwei oder drei Jahre alte Elektroauto bereits als so antiquiert gelten muss, dass es niemand mehr haben möchte. Das gleiche gilt für die digitalen Add-Ons, die immer wichtiger werden. Die Hersteller werden zum Opfer ihrer eigenen Innovationen.

Auch auf dem Exportmarkt produzierten die deutschen Hersteller an der Nachfrage vorbei. Die chinesischen Autohersteller verdrängen die deutschen Konkurrenten mit ihren billigeren Modellen nicht nur auf dem chinesischen Markt, sondern sind mit Unterstützung ihres Staatsapparats nun dabei, Europa zu überfluten. Nun erhebt die EU Strafzölle – und niemand kann sagen, ob sie damit einen Handelskrieg entfacht. Auf jeden Fall kann sich die deutsche Autoindustrie nicht mehr, wie früher, aus ihren Problemen heraus exportieren.

Nichts für den breiten Anleger

Immer neue und immer widersprüchlichere Nachrichten stürzen auf uns ein. Wer setzt sich in der Batterietechnik durch? Wer behält die Nase vorn bei der Digitalisierung der Elektroautos? Werden sie künftig tatsächlich zu einer Verlängerung des Smartphones, wie viele behaupten? Und was passierte mit der Ladeinfrastruktur? Und vor allem: Wann werden die Käufer wirklich Abschied von den Verbrennern nehmen?

Das öffnet Chancen für Unternehmer, die Risiken nicht scheuen – aber macht es Anlegern fast unmöglich, einen Überblick zu behalten. Prognosen fallen immer schwerer. Früher war die Autoindustrie mit ihren starken Marken, den relativ langen Innovationszyklen und der treuen Kundschaft wie geschaffen für risikoaverse Kleinanleger. Diese Zeit ist vorbei. Und sie kehrt nicht wieder.   

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