Nach Recherchen des ZDF hat eine Top-Beamtin des Bundesfinanzministeriums (BMF) vor Beratern und hochvermögenden Privatpersonen gesprochen – und diesen mutmaßlich Tipps zur Steuervermeidung gegeben. Wie in der Dokumentation „Milliardenspiel – Die geheime Welt der Superreichen“ zu sehen ist, sprach Ministerialdirektorin Gerda Hofmann im Sommer auf einer Veranstaltung in einem Nobelhotel in Kronberg im Taunus.
Hofmann ist unter anderem Leiterin der Abteilung IV D 4 im BMF und dort etwa zuständig für die Vermögensteuer, die Grundsteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Bei ihrem umstrittenen Vortrag ging es demnach um eine Steuerbegünstigung bei der Grunderwerbsteuer, die Anfang des Jahres wegfallen könnte. „Das weiß ich nämlich erst seit Dienstag“, soll Hofmann gesagt haben. Die Aussagen wurden nachträglich vom ZDF eingesprochen. Bei Grundstückdeals unter Personengesellschaften mit gleichen Eigentümern wird die Grunderwerbsteuer bislang erlassen. Nach ZDF-Informationen droht diese Steuerbegünstigung wegzufallen.
Besonders brisant: Auf dem Veranstaltungsplakat stand hinter Hofmanns Name der Hinweis, sie spreche „nicht in dienstlicher Eigenschaft“. Allerdings referierte Hofmann Informationen, die sie sehr wahrscheinlich aus ihrer Tätigkeit als Spitzenbeamtin erlangt hatte. Mit Blick auf die anstehende Änderung beruhigte Hofmann offenbar die Zuhörerschaft, die maßgeblich aus Steuerberatern bestand, die für Superreiche legale Steuersparmodelle ersinnen: „Wir haben ja Werkzeugkästen, jedenfalls habe ich eine ganze Menge. Da bin ich mir hundertprozentig sicher, dass Sie insofern ruhig schlafen können“, so Hofmann. Es könne ja nicht sein, dass am 1. Januar plötzlich die Einnahmen sprudelten. „Ich sehe alle Finanzminister mit Talerchen in den Augen wie Dagobert Duck, das kann nicht sein.Da können Sie Ihre Mandanten beruhigen.“
Weder das Bundesfinanzministerium noch Minister Christian Lindner (FDP) wollten sich gegenüber dem ZDF zu dem Fall äußern. Ob der Auftritt seiner Mitarbeiterin genehmigt war und sie eine Vergütung dafür bekommen hat, bleibt damit unklar. Hofmann selbst wollte sich ebenfalls nicht dazu äußern.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zeigte sich im ZDF schockiert über Hofmanns Auftritt bei dem als „Fachtagung“ deklarierten Treffen: „Das ist ein dickes Ding. Wut ist ein zu kleiner Ausdruck für das, was ich da gerade gehört habe“, so Kühnert. Er forderte Konsequenzen, die er aber nicht näher benannte. „Wenn das alles so belastbar ist, wie ich es gerade gesehen habe, dann kann das nicht ohne Konsequenz bleiben.“
Veranstaltung mit „außergewöhnlichem Teilnehmerkreis“
Zu der Veranstaltung mit dem Titel „Betreuung privater Vermögen und Familienunternehmen 2023“ hatte die Kanzlei Flick Gocke Schaumburg eingeladen. Der erste Tag konzentrierte sich auf „aktuelle nationale Entwicklungen in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung sowie auf ausgewählte Praxisfälle zu der steuerlichen und juristischen Beratung von Private Clients und Familienunternehmen“. Am zweiten Tag ging es unter anderem um steuerliche Fragen rund um den Brexit sowie Krypto-Kunst. Geworben wurde dafür auch auf der Karriereplattform Linkedin – unter anderem mit dem „außergewöhnlichen Teilnehmerkreis“ und einem Abendessen mit Trigema-Inhaber Wolfgang Grupp.
In den Vorträgen ging es laut ZDF um legale Steuersparmodelle für Hochvermögende wie sogenannte Cash-Boxen, Familienstiftungen und Zwischen-GmbHs. Ziel von Veranstaltungen wie diesen sei es, „schädliches Vermögen“ zu vermeiden. Gemeint ist damit Vermögen, auf das Abgaben wie etwa die Schenkungsteuer anfallen.
„Bei aggressiver Steuergestaltung, insbesondere unter Zuhilfenahme grenzüberschreitender internationaler Strukturen, kann man bei Gesamtsteuerbelastungen von bis zu einem Prozent oder weniger landen“, sagt ein anonymer Steuerberater für Superreiche gegenüber dem Fernsehteam. In dieser „Steuervermeidungsindustrie“ bekämen Berater Stundensätze zwischen 400 bis 900 Euro.