Der E-Automarkt ist immer härter umkämpft. Lange gab Tesla hier unangefochten den Takt vor, sodass zuletzt auch der chinesische Hersteller BYD die Preise senken musste, genau wie General Motors, Hyundai, Ford und Volkswagen in China. Nun legte der E-Auto-Pionier seine Jahresbilanz für 2023 vor – und die zeigt, dass der Branchenprimus einiges an Vorsprung eingebüßt hat: Denn E-Autos sind insgesamt erschwinglicher geworden, bei Tesla haben die Preissenkungen aber zu einem merklichen Gewinneinbruch aus dem Verkauf von E-Autos geführt.
Im Vergleich zum Vorjahr verkaufte Tesla 2023 zwar 35 Prozent mehr Autos, die Verkaufserlöse stiegen aber gerade mal um ein Prozent. Umso verwunderlicher erscheint es da, dass der US-Autobauer dennoch seinen Gesamtgewinn mehr als verdoppeln konnte: von 3,7 Mrd. Dollar auf 7,9 Mrd. Dollar. Möglich war das nur durch eine Steuergutschrift. Denn der größte Teil des Gewinns kam durch eine Steuervergünstigung aus dem vierten Quartal zustande – in Höhe von 5,9 Mrd. Dollar. Ohne diesen einmaligen Effekt wäre Teslas Gewinn gesunken.
Tesla jetzt nur noch Durchschnitt
Branchenexperte Stefan Bratzel zeigte sich über den hohen Gewinn überrascht. „Für einen reinen Elektroautobauer ist Tesla nicht schlecht dabei“, sagt Bratzel zu Capital, gerade vor dem Hintergrund des Preiskampfes in China. Er hatte angesichts der sinkenden Margen mit einem schlechteren Ergebnis gerechnet. 2022 war Tesla noch einer der profitabelsten Autohersteller der Welt. Im vergangenen Jahr hingegen sind seine Margen aus dem Fahrzeugverkauf um fast ein Drittel gesunken. Sie sind nun mit denen der Konkurrenz vergleichbar.
„Die Zahlen sind tatsächlich nicht so besonders gut für Tesla-Verhältnisse“, sagt Autoanalyst Jürgen Pieper dem TV-Sender ntv, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Das Umsatzwachstum im vergangenen Quartal von drei Prozent bezeichnet er als „schnöde“. Der Umsatz stieg im Jahresvergleich um drei Prozent auf 25,17 Mrd. US-Dollar. Analysten hatten im Schnitt eher mit Erlösen von 25,9 Mrd. Dollar gerechnet. Von den Zahlen her sei Tesla jetzt Durchschnitt, so Pieper.
Unternehmenschef Elon Musk werden diese Deutungen wenig freuen. Allerdings ließ er selbst bereits anklingen, dass 2024 schwierig werden könnte. Das Unternehmen erwarte ein „deutlich langsameres Umsatzwachstum“. Ein Absatzziel wollte er vorsichtshalber gar nicht erst nennen. Trotzdem versuchte Musk wie gewöhnlich, ein rosiges Bild für die Zukunft zu zeichnen: Tesla sei gerade lediglich zwischen zwei Wachstumswellen, entwickle ein „revolutionäres“ Produktionssystem für ein günstigeres Modell und könne zum wertvollsten Unternehmen der Welt werden.
Die Anleger beeindruckten Musks Ausführungen jedoch nicht. Noch während der umstrittene Eigentümer am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit Analysten sprach, rutschte die Aktie immer tiefer ins Minus. Der Kurs fiel zeitweise um rund zehn Prozent.
Analysten sehen Kurspotenzial bei Tesla-Aktie
Doch auch wenn das rasante Wachstum von Tesla abgeflaut sein mag, hält Bratzel die Marktanteil-Strategie des Unternehmens dennoch für richtig. „Den Investoren würde eine höhere Rendite natürlich besser gefallen“, sagt er. „Aber im Moment geht Teslas Strategie auf.“ Schließlich könne es sich kein anderer Player leisten, solch hohe Preise zu verlangen, gerade in Europa.
Deshalb rät wohl auch die Mehrheit der Reuters-Analysten – 20 von 44 Experten – dazu, die Tesla-Aktie mindestens zu halten. Immerhin 16 Analysten empfehlen, den Titel zu kaufen. Beim Kursziel halten Börsen-Spezialisten einen Preis von knapp 217 Dollar in den kommenden zwölf Monaten für möglich – das wären 16 Prozent mehr als jetzt. Am Donnerstagnachmittag kostete eine Tesla-Aktie 186 Dollar.
Die Frage ist jedoch, wie lange die Strategie noch aufgehen wird. Im gesamten Jahr 2023 lag Tesla mit 1,81 Millionen verkauften Fahrzeugen zwar vorn. Doch im vierten Quartal verkaufte der Hersteller BYD bereits mehr Elektroautos als Tesla. Das günstigere Modell, das Tesla bald produzieren und wohl 2025 ausliefern will, ist deshalb von strategischer Bedeutung für den US-Autobauer.
Chinesische Autohersteller seien so stark, dass der Großteil der Branche ohne Handelsbarrieren keine Chance gegen sie habe, warnte Musk. „Sie sind extrem gut“, warnte er in der Telefonkonferenz und forderte Handelsbeschränkungen gegen China. „Wenn es keine Handelsschranken gibt, werden sie die meisten anderen Autofirmen in der Welt so ziemlich zerstören.“ In den USA hält schon jetzt ein Einfuhrzoll von 25 Prozent chinesische Autobauer vom Markt fern.
Strengere Anforderungen für die Förderung von E-Autos
Gar nicht passen dürften Musk auch die geplanten Einschränkungen der üppigen Subventionen für E-Autos in den USA. Sie hatten den Verkauf von Tesla-Modellen zuletzt begünstigt. Bis zu 7500 US-Dollar zahlte die Regierung Käuferinnen und Käufern an Fördergeldern, um die Umstellung auf Elektromobilität zu beschleunigen. Nun gibt es Neuerungen im System: Einerseits kann die Gutschrift nun unter anderem sofort beim Kauf des Fahrzeugs über den Händler abgewickelt werden, was Papierkram und Zeit spart. Andererseits werden in diesem Jahr weniger E-Autos für die Gutschrift infrage kommen, da die von der Regierung auferlegten Anforderungen strenger werden. So sind einige Versionen des Tesla Model 3 beispielsweise nicht mehr dafür qualifiziert.
Die strengeren Anforderungen sollen die Automobilindustrie dazu ermutigen, sich mehr auf die USA zu verlassen und weniger auf China: zum einen bei wichtigen Komponenten der Lieferkette und zum anderen bei Arbeitsplätzen. Um die Förderung weiterhin zu bekommen, müssen Rohstoffe für die Batterien eines Fahrzeugs zu einem bestimmten Prozentsatz in den USA abgebaut worden sein.
In Deutschland ist die Subventionierung von E-Autos, der sogenannte Umweltbonus, im Dezember vollständig ausgelaufen. Viele Marken bieten nun von sich aus bei bestimmten Modellen deutliche Preisnachlässe an. Die Rabattschlacht dürfte auch in den USA bald eröffnet sein.