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Nach Militärputsch Smarte Sanktionen gegen das Militärregime in Myanmar

Demonstranten gegen den Militärputsch flüchten vor den Schüssen der Soldaten
Demonstranten gegen den Militärputsch flüchten vor den Schüssen der Soldaten
© IMAGO / ZUMA Wire
Europa folgt den USA und bringt Druckmittel gegen Myanmar in Stellung. Nur maßgeschneiderte Strafen gegen die Generäle und ihre Wirtschaftsinteressen können wirken, warnen Experten. Und Unterstützung für die Demokratiebewegung

Das Wirtschaftsimperium der Militärjunta in Myanmar gleiche einer „Black Box“, befand die NGO Global Witness, die darauf spezialisiert ist, Skandale an der Schnittstelle von Wirtschaft und Menschenrechten aufzudecken. Äußerst umfassend reiche es von Sim-Karten über Bier und Tourismus bis hin zu Edelsteinen, sagen andere. Über Jahrzehnte hat die Armee sich Unternehmen einverleibt, teils Monopole errichtet und Kontrolle über Schlüsselsektoren erlangt. Erlöse daraus unterstützen Einheiten der Armee, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Minderheiten begehen, schrieb die Organisation Justice for Myanmar dem Sender Al-Jazeera, und das „unabhängig vom Staatshaushalt“.

Der Putsch der Generäle vom Februar gegen die demokratisch gewählte Führung des asiatischen Landes und die brutale Gewalt, mit der sie gegen den Widerstand in der Bevölkerung vorgehen, wirft ein Schlaglicht auf die wirtschaftlichen Verstrickungen der Generäle. Teile der internationalen Gemeinschaft empören sich und suchen Druckmittel gegen das Regime. Allen voran hat US-Präsident Joe Biden Strafen gegen das neuerliche Aufbäumen der Militärs verhängt: „Smart“ sollen sie sein – gezielt an sensiblen Stellen ansetzen, wo es der führenden Elite wehtut.

Denn bis 2011 hat die Militärdiktatur Jahrzehnte herkömmlicher Handelsembargos recht unbeschadet überstanden. Und mit der Öffnung der Volkswirtschaft parallel zur beginnenden Demokratisierung vor zehn Jahren hat die Inbesitznahme von Schlüsselsektoren durch hochrangige Militärs nocheinmal Fahrt aufgenommen. Heimische Transparenzinitiativen bemühen sich, Licht in das Dunkel undurchsichtiger Firmenstrukturen zu bringen. Erst eine Untersuchung des UN-Menschenrechtsrats infolge der Gräueltaten gegen die Minderheit der Rohinga brachte 2019 belastbare Erkenntnisse.

Verlust von Privilegien

Sie zeigt, über welche bedeutende Wirtschaftsmacht das Militär verfügt, und erklärt, wie Verlustängste des Militärs vor einer stärkeren zivilen Regierung um Staatsrätin Aung San Suu Kyi den Weg zum Coup bereitet haben. Im Zentrum bilden zwei große Konglomerate die tragenden Säulen des Wohlstands der Generäle: die Myanmar Economic Holdings (MEHL) und Myanmar Economic Corporation (MEC). Amnesty International schätzte allein die Dividenden, die der MEHL-Vorstand in 20 Jahren an rund 380.000 Soldaten und 1800 institutionelle Aktionäre – wie Regionalkommandos und Divisionen – ausschüttete, auf 18 Mrd. Dollar. Über Aktienbesitz soll der oberste Befehlshaber und Putschist, General Min Aung Hlaing, 2010/11 eine viertel Million Dollar eingenommen haben.

Demonstranten in Yangon wenige Tage nach dem Militärputsch
Demonstranten in Yangon wenige Tage nach dem Militärputsch, Foto: IMAGO/ZUMA Wire
© IMAGO / ZUMA Wire

Der UN-Bericht deckte mehr als hundert Unternehmen im Besitz von MEHL und MEC sowie 27 Partnerfirmen mit engen Beziehungen zum Militär auf und legte deren beherrschende Stellung beim Abbau kostbarer Rohstoffe, allen voran im Jade- und Rubin-Handel vornehmlich mit China, offen. „Ihr Einfluss und ihre verzweigten Beteiligungen sind Eckpfeiler des ausgeklügelten Systems von Patronage, mit dem das Regime sich an der Macht hält“, zitieren Berichte die US-Botschaft. „Da sie ihr eigenes Geschäftsimperium kontrolliert, hat Tadmadaw (das Militär) sich der Rechenschaftspflicht und Prüfung entzogen, die unter ziviler Kontrolle von Verteidigungshaushalten üblich sind“, befand die UN.

Externe Partner

Zu den engsten Partnern von MEHL gehören hauptsächlich asiatische Firmen aus Bergbau, Industrie und Finanzen, allen voran aus China, Japan, Südkorea (etwa Textilexporteur Pan-Pacific) und Singapur. Einige gehen auf Distanz. So die japanische Getränke-Holding Kirin, die ihren Rückzug aus gemeinsam betriebenen Brauereien erklärte. Auch der singapurische Tycoon Lim Kaling stellte seine Beteiligung am Zigarettenhersteller Virginia Tobacco Co. in Frage.

Aus Europa will sich der französische Energiekonzern Total, der in Myanmar Erdgas gewinnt, nach eigenen Angaben möglichen Sanktionen fügen. In Geschäftsbeziehungen mit Firmen im Einflussbereich des Militärs zeigt die UN-Liste von 2019 Namen aus Frankreich (Bankentechnologie), Belgien (Telekom) und eine Schweizer Lafarge-Tochter (Bau). Auf einer „Dirty List“ der britischen Burma Campaign UK finden sich auch die deutschen Reedereien Carsten Rehder Schiffsmakler (Hamburg) und Harren & Partner (Bremen). Beide nutzen Häfen des Militärs. Wie zuvor der dänische Weltmarktführer Maersk, der aber von der Liste genommen wurde, nachdem er diese mied.

Europäische Sanktionen

Während das Regime immer brutaler gegen friedliche Straßenproteste vorgeht, will auch Europa nicht untätig bleiben. Einige Außenminister ließen wissen, dass gezielt die Einnahmequellen des Militärs und die Finanzinteressen einzelner Befehlshaber getroffen werden sollen. Einige EU-Länder zahlen im Rahmen der Entwicklungshilfe auch noch Budgethilfen. Da der Löwenanteil ausländischer Wirtschaftsinteressen sich aber auf China und andere asiatische Staaten konzentriert, stellt sich die Frage, ob EU-Sanktionen überhaupt etwas ändern können.

Die USA setzen Druckmittel dafür ein, Personen oder Körperschaften von Gütern, Software und Technologie abzuschneiden, die ganz oder teilweise amerikanisch sind. Damit kann der Aktionsradius für Lieferketten in viele Industrien etwa den Telekom-Sektor, die Luftfahrt oder dieVersorgung mit Halbleitern erheblich behindert werden. US-Listen umfassen Organisationen und mehr als ein Dutzend Einzelpersonen, darunter der Oberbefehlshaber und zwei seiner erwachsenen Kinder. Die Sanktionen zielen auf Auslandsvermögen und Geschäftseinnahmen.

Unterstützter des Militärregimes fahren am Tag des Putsches durch die Straßen von Yangon
Unterstützter des Militärregimes fahren am Tag des Putsches durch die Straßen von Yangon, Foto: IMAGO/ ZUMA Wire
© IMAGO / ZUMA Wire

Die Menschenrechtsorganisation Human Richts Watch (HRW) fordert vor allem eine internationale Koordinierung von Staaten, wenn sie Schurkenstaaten mit Boykotten, Waffenembargos oder Finanzkontrollen bestrafen. Schon in den Vereinten Nationen ist eine Verurteilung des Regimes im Sicherheitsrat aber bislang an China und Russland gescheitert. Auch HRW sieht die militärische Führung und ihre Wirtschaftsinteressen als wichtigstes Ziel von Sanktionen – mit dem Fokus auf deren Haupteinnahmequellen im Bergbau und der Öl- und Gasgewinnung.

Nicht die einzige Antwort

Neue, gut zugeschnittene Sanktionen aus Europa sollten auf jeden Fall Geschäftsbeziehungen von europäischen Firmen und Banken zum Militär in Myanmar unterbinden, fordert der Politikwissenschaftler Richard Roewer vom GIGA-Institut für Asien-Studien und Doktorand an der Universität Oxford. „Die Sanktionen auf Einnahmequellen zu fokussieren ist ein guter Schritt, aber er ist nicht ausreichend“, sagt er. „Wichtig ist auch die Sanktionierung von Geschäftsfeldern, die für das State Administrative Council (SAC) systemrelevant sind.“ Das SAC ist das Führungsgremium der Generäle. Ein gutes Beispiel dafür sei die deutsche Druckerei Giesecke & Devrient, die die Zentralbank von Myanmar mit dem Material für den Druck von Banknoten versorge.

„Es kann nicht sein, dass europäische Firmen direkte Beziehungen zu einem Militär erhalten, das Völkermord begeht“, sagt Roewer, der einige Jahre in Myanmar geforscht hat. „Genauso wenig darf es wirtschaftliche Beziehungen geben, von denen ein illegitimes Regime profitiert, das seine eigene Bevölkerung abschlachtet.“ Sanktionen sendeten zudem ein wichtiges Signal, dass Deutschland und die EU das SAC nicht anerkennen.

Allerdings hält Roewer in Deutschland und der EU grundsätzlich ein Umdenken für erforderlich. Sanktionen als Wundermittel anzupreisen, sei aus der Zeit gefallen. Sie seien nur Teil eines Puzzles und der Antworten, zu denen demokratische Staaten wie Deutschland finden müssten. „Wir wissen längst, dass Sanktionen eine sehr begrenzte Wirkung haben.“ Sie seien auch kein wirksames Mittel gegen den Coup und zur Stärkung der demokratischen Elemente im Land.

Wichtiger wäre aus Roewers Sicht, unbürokratisch Finanzmittel für das Civil Disobedience Movement bereit zu stellen, das zur Aufrechterhaltung der Proteste dringend Geld für eine Grundsicherung der Beteiligten benötige. Auch das Komitee aus Politikern des demokratischen Lagers (CRPH), die sich dem Arrest entziehen konnten, sollte von Deutschland und der EU als legitimer Vertreter des Volkes anerkannt werden und Unterstützung erhalten. Nach Jahren der Förderung von Demokratieprogrammen durch politische Stiftungen müssten auch Visa für gefährdete Regimekritiker bereitgestellt werden.

China einbinden

So hat Europa anders als die USA aufgrund seines schwächeren wirtschaftlichen Hebels wohl weniger direkten Einfluss in Myanmar. Aber es geht doch auch um seine geopolitische Positionierung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe betont, wie wichtig es sei, europäische Werte und Standards in der Welt hochzuhalten, erinnern etwa Sophie Boisseau du Rocher vom französischen Institut für Internationale Angelegenheiten und Felix Heiduk von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin . Vor allem gegenüber China müsse Europa in einer Region mit zunehmend autoritären Tendenzen Flagge zeigen.

Die Volksrepublik betrachtet die Krise in Myanmar offiziell als „interne Angelegenheit“. Zuletzt ließ sich die Führung zu einer Verurteilung der Gewalt herab – nicht aber der Gewalttäter. Allerdings haben die Unruhen und Proteste im Land schon das Zeug, auch chinesische Interessen – nämlich bisherige und neue Investitionen in der Neuen Seidenstraßen-Initiative (Belt and Road/BRI) – zu gefährden.

So kursieren in sozialen Netzwerken Drohungen, die 770 Kilometer lange Öl- und Gas-Pipeline von Myanmars Küste in die Provinz Yunnan zu sprengen. Offen wird auf der Straße dagegen protestiert, dass die Volksrepublik das Militärregime weiter unterstützt. Die Stimmung heizt sich auf. Nach Angaben der pro-chinesischen „Global Times“ gab es in jüngster Zeit Übergriffe auf 32 Fabriken mit Verbindungen zu China. Die Instabilität kann den wirtschaftlichen Schaden beträchtlich in die Höhe treiben. Ob die Staatsführung in Peking deswegen auch UN-Sanktionen zustimmen würde, steht aber auf einem anderen Blatt.

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