Am Ende heißt es dann wieder: Die Medien haben die Sache doch nur aufgebauscht. Denn die Causa Pofalla folgt einem bekannten Muster. Ein pikanter Plan sickert durch, bestimmt tagelang die Schlagzeilen, wird von Befürwortern und Gegnern solange seziert bis eventuell einige der vorgeführten Protagonisten scheibchenweise ihre Version der Geschichte erzählen, um sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Andere ducken sich komplett weg, wenn keine allzu drastischen Konsequenzen drohen. Das öffentliche Interesse erlahmt ja auch meist rasch – mit der resignierten Erkenntnis, dass die ganze Aufregung doch wieder nichts gebracht hat. Der Bobbycar-Effekt.
Dabei geht es hier nicht nur um die Frage, ob Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla einen gutdotierten Lobby-Vorstandsposten bei der Deutschen Bahn antreten darf, was seine Ex-Chefin Angela Merkel davon hält und ob Bahn-Chef Rüdiger Grube das seinem Aufsichtsratsgremium einfach so reindrücken wollte. Es geht um die viel grundlegendere Frage nach professioneller Unternehmensführung und aufrichtigen Entscheidungsträgern. Und da führen Pofalla, Merkel, Grube und der Bahn-Aufsichtsrat gerade ziemlich plump vor, was für ein dilettantisches Verständnis von gutem Management in Politik und Wirtschaft offenbar noch immer vorherrscht. Sie richten damit großen Schaden an.
Corporate-Governance-Arbeit wird ad absurdum geführt
Denn wozu beschäftigt sich seit zwölf Jahren eine Regierungskommission mit einem Kodex für gute Unternehmensführung, der Transparenz und Vertrauen schaffen soll, wenn prominente Vertreter aus der Politik und einem Staatsunternehmen sich so selbstverständlich darüber hinwegsetzen? So wird die Reputation der gesamten deutschen Führungselite der Lächerlichkeit preisgegeben und die Glaubwürdigkeit der Corporate-Governance-Arbeit mit ihrem ganzen Regelwerk, das den Unternehmen einen wahnsinnigen Aufwand bereitet, ad absurdum geführt.
Dabei ist die Frage, ob und wann Politiker aus ihren öffentlichen Ämtern in Unternehmen wechseln dürfen mindestens so wichtig und prädestiniert für eine klare Regelung im Kodex, wie die Frage, ob Vorstände nach ihrer Amtszeit in den Aufsichtsrat wechseln dürfen. Diese Frage ist nach langen konstruktiven Diskussionen geklärt und wird in der Wirtschaft längst praktiziert: Es gibt eine Karenzzeit von zwei Jahren.
Warum werden die Kriterien für den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft also nicht genau so klar geregelt? Das Thema sorgt ja nun schon seit Jahren durch so prominente Fälle wie Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Werner Müller oder Roland Koch immer wieder für reichlich Konfliktstoff. Allen Beteiligten – jobsuchenden Politikern, wie auch talentsuchenden Unternehmen - wäre geholfen, wenn eindeutig festgelegt und kommuniziert würde, welche Qualifikationen für einen Topführungsposten in der Wirtschaft erforderlich sind, welche Aufgaben und Erwartungen daran geknüpft sind und wie mögliche Interessenskonflikte gehandhabt werden.
Träge Kodexkommission
Doch Wirtschaft und Kodex-Kommission zeigen mal wieder wenig Engagement, das Thema selbst proaktiv zu klären. Obwohl der neue Vorsitzende der Kodex-Kommission, Manfred Gentz, nach seinem Amtsantritt erklärte: „Wir müssen noch mehr über das reden, was wir in der Wirtschaft für gute Unternehmensführung halten und wie wir sie tatsächlich leben.“ Das wäre jetzt eine gute Gelegenheit. Auch wenn die Bahn als Staatsunternehmen formal nicht unter die Zuständigkeit seines Verhaltenskodex für börsennotierte Unternehmen fällt, sondern unter den eng daran angelehnten Public Corporate Governance Kodex des Bundes (PCGK).
Gentz könnte als erste sichtbare Amtshandlung die Diskussion um einen Pofalla-Paragrafen für alle Corporate Governance Kodizes anführen und gestalten. Damit würde er der gewünschten Transparenz und Glaubwürdigkeit einen sehr viel größeren Dienst erweisen als das in der Vergangenheit der Fall war.
Denn die ebenso heiß diskutierten Themen Vorstandsvergütung und Frauenquote sind Kodexkommission und Wirtschaft nur sehr widerwillig, träge und auf Druck angegangen. Der Druck kam durch drohende gesetzliche Regulierungen und auch durch anhaltende Berichterstattung in den Medien. Abwarten und aussitzen schützt also nicht vor einem Pofalla-Paragrafen.
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