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Billigflieger Ryanair feiert Comeback nach Corona – auch ohne den deutschen Markt

Ryanair ist nach Passagierzahlen heute Europas führende Airline und auf Wachstumskurs.
Ryanair ist nach Passagierzahlen heute Europas führende Airline und auf Wachstumskurs.
© Imago / Nur-Photo
Der führende europäische Billigflieger Ryanair hat sich erstaunlich rasch von der Pandemie-bedingten Flaute im Luftverkehr erholt. Aber werden die Iren auch den Wettbewerb in Deutschland wieder aufmischen?

Spannungsfrei war das Verhältnis von Ryanair zum deutschen Markt noch nie. Im Bundestag rügte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil 2018 die Airline, weil sie streikende Mitarbeiter drangsaliert habe. Deutschland sei keine Bananenrepublik. „Wer Globalisierung zur Ausbeutung missbraucht, wie das bei Ryanair der Fall ist, muss unseren entschiedenen Widerstand haben.“ Zu der Zeit hatte die Airline eine Offensive auf dem deutschen Markt hinter sich. Inzwischen ist die Präsenz des Billiganbieters – beschleunigt durch die Reiseflaute während der Coronakrise – hierzulande merklich zurückgegangen.

Nun hat die irische Airline sich nach der Pandemie erstaunlich schnell erholt. Ryanair präsentierte glänzende Ergebnisse für das Reisejahr 2022 und sieht gute Voraussetzungen für ein vielversprechendes nachhaltiges Wachstum. Im Geschäftsjahr 2023, das am 31. März endete, baute Ryanair seine Marktanteile aus, flog mit 16 Prozent mehr Kapazität als vor der Krise – und will in diesem Jahr eine Rekordzahl an Passagieren befördern. Aber nimmt der Billigflieger jetzt auch den deutschen Markt wieder stärker ins Visier?

In den meisten EU-Ländern hat Ryanair laut dem jüngsten Geschäftsbericht 2023 Marktanteile hinzugewonnen: In Italien, Ungarn, Österreich und Italien wurde ein Wachstum von 10 bis 13 Prozent erzielt. Den Umsatz verdoppelten die Iren mit knapp 10,8 Mrd. Euro und fuhren einen Rekordgewinn von 1,45 Mrd. Euro ein. Und was die Passagierzahlen im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau betrifft, so holte laut einer Reuters-Analyse nur der in Zentral- und Osteuropa aktive Anbieter Wizz schneller auf als Ryanair – um 5,3 Prozent auf 168 Millionen Fluggäste und damit weit vor Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Air France.

Da die Fluglinie für das laufende Geschäftsjahr steigende Passagierzahlen erwartet – vor allem dank einer starken Nachfrage in der wichtigen Sommerreisesaison – so wird sie wohl auch die Zahl der Flüge erhöhen. Um zehn Prozent soll die Zahl der Fluggäste laut der Prognose auf 185 Millionen steigen. Der europäische Luftverkehrsmarkt, so die Erwartung, soll sich im Sommer auf 90 bis 95 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erholen.

Comeback in Deutschland?

Was den deutschen Luftverkehrsmarkt angeht, so liegen derartige Kapazitätserwartungen aber weit darunter. Der Luftfahrtverband BDL rechnet für das Sommerhalbjahr damit, dass das Sitzplatzangebot nur 82 Prozent des Vor-Corona-Niveaus erreichen wird, im Rest Europas sind es mehr als 97 Prozent. Das liegt unter anderem am fehlenden Wettbewerb.

Die beiden führenden Billigflieger ­– Ryanair wie Easyjet – reduzierten 2022 ihr hiesiges Angebot spürbar. Ryanair Konzernchef Michael O’Leary machte noch jüngst dafür „verbraucherfeindliche Kostenerhöhungen an den Flughäfen“ und eine „massive staatliche Subventionierung“ des hochpreisigen nationalen Champions, „dem Subventionsjunkie Lufthansa“, verantwortlich.

So hat die irische Airline in anderen europäischen Ländern den starken Nachholeffekt bei ausgehungerten Verbrauchern mitgenommen. „Die Menschen wollen einfach reisen, da wird nicht gespart“, sagt der Luftverkehrsexperte Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne. Auf dem deutschen Markt habe Ryanair sein Angebot zuletzt zurückgestutzt. Das müsse aber nicht so bleiben.

Vermutlich werde O’Leary trotz seiner Schimpftiraden gegen die abschreckenden deutschen Wettbewerbsbedingungen auch hierzulande wieder mehr Flüge anzubieten. „Sie werden versuchen, in Deutschland anzugreifen und auf bestimmten Strecken zuzulegen“, vermutet Wissel. Dort würden sie ihr Angebot ausbauen. Allerdings müssten Flugzeuge und Crews wieder aktiviert werden. „Sie werden erstarken und zurückkommen – dabei jedoch auch mit höheren Kosten zu kämpfen haben, wie andere Wettbewerber auch.“

Preisbewusste Kunden

Denn auch die Iren spekulieren auf preisbewusste Kunden, die bei der hohen Inflation nach Alternativen zu teuren Lufthansa-Flügen suchen, zu denen es auf gewissen Strecken einfach keine Alternative gibt. Bei der Suche nach günstigen Reisen werde es wohl eine gewisse Verschiebung geben, erwartet Wissel: Reisende, die sich bisher noch Lufthansa geleistet hätten, seien bei steigenden Preisen dann doch bereit, wieder auf Billigflieger wie Ryanair umzusteigen.

Dabei dürfte auch Ryanair die Preise anheben, so die Erwartung. Die Zeiten von 10-Euro-Tickets seien ein für alle Mal vorbei, sagte Ryanair-Finanzvorstand Neil Sorahan dieser Tage. Dem Kostendruck auf allen Ebenen – Kerosin, Personal, Ersatzteile, Wartung – kann sich die irische Gesellschaft schwer entziehen. In Deutschland kommen hohe Abgaben hinzu: bei der staatlichen Flugsicherung, deren Kosten sich in zwei Jahren in etwa verdoppelt haben, als auch bei der Luftverkehrssteuer auf Europaflüge, die um mehr als die Hälfte angehoben wurden. Ryanair-Vize Eddie Wilson wetterte im April in einem Interview gegen Abgaben von „in der Spitze bis zu 50 Euro pro Passagier“, die den Markteintritt behinderten.

Noch im letzten Winterflugplan hatten die Iren ihr Angebot etwa am Flughafen Berlin-Brandenburg um rund 40 Prozent zurückgefahren. Vizechef Wilson verwies dabei auf „nicht wettbewerbsfähige“ Gebühren, dort wie in Frankfurt am Main – ganz im Gegensatz zu Regionalflughäfen wie Nürnberg und Leipzig/Halle. Die Ryanair-Basis Frankfurt wurde im März 2022 geschlossen, ein Teil des Angebots nach Hahn verlagert.

Für die Sommerflugpläne ab Deutschland zeichnet sich offenbar genau dieser Trend ab. Die großen Drehkreuze meidet Ryanair, aber stärkt das für Europa typische Netzwerk von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen Regionalflughäfen – auch in Deutschland. Laut Ankündigung fliegen zumindest einige neue Flüge von Berlin nach Banja Luka (Bosnien & Herzegowina), Billund und Venedig. Dort hat Ryanair neun Flugzeuge am Start.

Und im Rahmen einer Mallorca-Offensive können Inselbesucher ab 35 Euro nun von Paderborn und Köln/Bonn nach Palma fliegen. Am Flughafen Köln/Bonn wird Ryanair den bisher umfangreichsten Sommerflugplan seiner Geschichte anbieten. Auf zehn Strecken, darunter Barcelona, Bologna, London, Wien, Warschau und Zadar, wird die Anzahl der Flüge erhöht – und zwei neue Verbindungen führen nach Venedig (sechsmal pro Woche) und Lanzarote (viermal pro Woche). Die fünf in Köln/Bonn stationierten Flugzeuge werden laut Branchenangaben pro Woche auf 39 Routen mehr als 370 Flüge durchführen.

Ob Ryanair das Programm weiter aufstockt, wenn es mit der für Sommer erwarteten, aber verspäteten Lieferung von zehn Boeing-Maschinen die Kapazität erhöhen kann, wird sich wohl erst im Winterflugplan zeigen.

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