Am Morgen des 16. September 2024 hält vor einem Gericht in Reno eine Kolonne bulliger Geländewagen. Das Justizgebäude im US-Bundesstaat Nevada, einst spezialisiert auf Scheidungsverfahren, ist ein neoklassizistischer Bau mit sechs Säulen am Eingang und einer imposanten Kuppel. Einem der Autos entsteigt ein jungenhafter Mann im blauen Anzug und mit braunen Schuhen. An seiner Hand geht eine Frau in weinrotem Kleid. Beide eilen die Stufen zum Portal des Gerichts empor. Sie sind gekommen, um an einem Verfahren teilzunehmen, dessen Ergebnis über das Schicksal eines der größten Medienimperien der Welt entscheidet – und womöglich auch erheblichen Einfluss auf die Politik in den Ländern der angelsächsischen Welt haben wird. Der Name des Mannes lautet: James Murdoch.
Der 52-Jährige ist ein Sohn von Rupert Murdoch, dem größten Medienmogul der vergangenen Jahrzehnte. Verhandelt wird die Frage, wer die Zügel in der Hand halten wird, wenn der 94-jährige Rupert eines Tages stirbt. James – oder sein älterer Bruder Lachlan? Es geht um ein Konglomerat von Unternehmen mit einem Wert von mehr als 40 Mrd. Dollar, es geht um Macht und Einfluss in einer zerstrittenen Familie. Entschieden wird aber auch über einen Blick auf die Welt und über ein Verständnis davon, wie Medienkonzerne arbeiten sollten: hier eine liberal-demokratische Sicht, für die James Murdoch steht – dort eine aggressiv-trumpistische Sicht, vertreten von Lachlan und Rupert.
Es steht eine Menge auf dem Spiel. „Ich habe unterschätzt, wie sehr die Aussicht auf Profit Menschen dazu bringen kann, schreckliche Dinge zu tun – wie sehr sie Unternehmen dazu bringen kann, schreckliche Dinge zu tun“, sagte James Murdoch in einem aktuellen Interview mit dem US-Magazin „The Atlantic“. Gemeint ist das Unternehmen seines Vaters. Und James Murdoch hat es zu seinem Ziel erklärt, dieses Unternehmen zu verändern.
Murdoch selbst in den Nachrichten
Das Reich von Rupert Murdoch, über den der Biograf Michael Wolff schrieb, er sei „der Mann, dem die Nachrichten gehören“ – dieses Reich ist damit in einer Lage, die die Familie immer vermeiden wollte: Es ist selbst zum Gegenstand der Nachrichten geworden. Doch vermutlich musste es angesichts der schieren Größe und des Einflusses dieses Unternehmens einfach so kommen. Zu den Medien, die die Murdochs über ihre beiden zentralen Konzerne Fox Corp. und News Corp. kontrollieren, gehören Boulevardzeitungen wie die britische „Sun“, die „New York Post“ und vor allem der amerikanische Krawall-Nachrichtensender Fox News, der den Aufstieg von US-Präsident Donald Trump mit vorantrieb. Unter dem Dach der Murdochs arbeiten aber auch die Londoner „Times“, das „Wall Street Journal“ und der Buchverlag HarperCollins, also Medienunternehmen mit einem seriösen Ruf.