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Preiscrash Ölpreis unter null - und jetzt?

Öllager im Hamburger Hafen: Vielerorts sind die Kapazitäten erschöpft
Öllager im Hamburger Hafen: Vielerorts sind die Kapazitäten erschöpft
© dpa
An der US-Rohstoffbörse in New York passierte in der Nacht zu Dienstag etwas historisch einmaliges: Der Ölpreis sank unter null. Wie es dazu kam, und welche Folgen der Crash hat, erklärt Capital-Experte Claus Hecking

In unserer Reihe Capital erklärt geben wir einen komprimierten Überblick zu aktuellen Wirtschaftsthemen. Diesmal: Der Ölpreis unter null – mit Claus Hecking, Redakteur bei Capital.

War der Ölpreis schon einmal negativ?

Soweit ich weiß, hat es das in der Geschichte des Handels an Rohstoffbörsen noch nie gegeben. Nicht mal in der Weltwirtschaftskrise von 1929 und in den Jahren danach kam es vor, dass der Ölpreis negativ war: das heißt dass ein Abnehmer einem Produzenten dafür Geld bezahlt hat, dass er das „schwarze Gold“ los wird. Man muss sich überlegen: Öl ist ein wertvoller Rohstoff, aus dem man unter anderem Medikamente, Kunststoff, Dünger und Farben gewinnen kann.

Preis der Ölsorte WTI pro Barrel in Dollar

source: tradingeconomics.com

Warum genau ist es zu negativen Preisen gekommen?

Das hat vor allem mit der Corona-Pandemie zu tun. Die Lockdowns in allen möglichen Staaten haben den weltweiten Verbrauch schlagartig einbrechen lassen: nach Schätzungen der Internationalen Energieagneur um fast 30 Prozent. Zugleich war das Ölangebot zuletzt ausgesprochen hoch, weil sich Staaten wie Saudi-Arabien und Russland einen Preiskrieg geliefert haben. Die Saudis etwa haben bewusst mehr Öl produziert und es zu Discount-Preisen verramscht, um ihren Marktanteil zu erhöhen und Konkurrenten in den Bankrott zu treiben...

…also sind enorme Mengen Öl auf dem Markt gekommen, das niemand braucht…

…und entsprechend sind die Preise schon in den vergangenen Wochen eingebrochen. Hinzu kommt: viele Produzenten können aus technischen Gründen nicht ohne weiteres die Förderung herunter- und später wieder hochfahren. Also haben sie einfach weiterproduziert. Und so werden nun die Lager knapp: ganz besonders in Amerika, rund um Cushing, den zentralen Lieferort für die wichtigste US-Sorte WTI. Das hat am Terminmarkt Ängste ausgelöst, dass es bald kein Lager mehr für das überflüssige Öl geben wird – vor allem für das WTI, das im Mai ausgeliefert wird. Und so verlangen diejenigen, die das Öl noch lagern können, jetzt Geld dafür. Dieses Phänomen ist bislang aber nur in den USA aufgetreten.

Wie sieht es weltweit aus?

Neben dem amerikanischen WTI ist Brent die zweite Standardsorte. Bei Brent-Öl fallen die Preise auch stark, sie sind aber immer noch deutlich positiv. Theoretisch kann hier das gleiche passieren wie beim US-Öl. Aber noch gibt es weltweit Lagerkapazitäten, und die großen Ölförderer Opec, Russland und USA haben vergangene Woche vereinbart, ihre Produktion von Mai an stark zu kürzen. Ob das reicht, um negative Preise zu verhindern? Ich weiß es nicht.

Was bedeutet der Ölpreiskollaps für unser Leben?

Die Kraftstoff- und Heizölpreise werden hierzulande längst nicht so dramatisch fallen. Es wird nicht passieren, dass einem an der Tankstelle auf einmal Benzin geschenkt wird. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist es so, dass Mineralölprodukte in Deutschland besteuern werden. Die Abgaben machen bei Diesel zurzeit in etwa 56 Cent und bei Super E10 etwa 78 Cent aus. Der Preis steht fest, selbst wenn der eingekaufte Sprit gar nichts kosten würde. Außerdem verkaufen die Tankstellen in der Corona-Zeit weniger Kraftstoffe; sie müssen ihre Fixkosten wie Pacht oder Personal auf weniger Umsatz umlegen. Und so erhöhen sie die Margen pro Liter. Beim Heizöl ist die Nachfrage in Deutschland gerade so groß, dass es Lieferengpässe gibt. Deswegen sind die Preise hier kaum niedriger als vor Beginn des Einbruchs an den globalen Rohölmärkten im März.

Werden die Kraftstoff Preise noch weiter fallen?

Ja, aber nicht radikal.

Wer wird unter dem Preiskollaps leiden?

Zuallererst die Produzentenstaaten. Länder wie Nigeria, das über 80% seiner Exporteinnahmen aus Öl macht. Der Iran, der von den US-Sanktionen und der Corona-Pandemie stark betroffen. Venezuela, Libyen, Russland. Und in den USA gibt es schon jetzt mehr als 50.000 Entlassungen in der Ölbranche. Es wird ganz hart, und niemand weiß, welche Verwerfungen diese Pandemie noch auslösen wird.

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