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Kommentar Investitionen: Amerikas Unternehmen liefern nicht

Vorschussapplaus: Donald Trump beim Besuch der Andeavor-Raffinerie in North Dakota, wo er Arbeitern Vorteile aus seiner Steuerreform verspricht
Vorschussapplaus: Donald Trump beim Besuch der Andeavor-Raffinerie in North Dakota, wo er Arbeitern Vorteile aus seiner Steuerreform verspricht
© Official White House Photos by D. Myles Cullen
Unternehmenssteuern runter und Kapital heimholen. Mit der Formel wollte Donald Trump Amerika wieder groß machen. Der erhoffte Investitionsschub aber bleibt aus. Warum nur?

Hoppla, als Donald Trump vor zweieinhalb Jahren an die Macht kam, versprach er, einen Made-in-America-Investitionsboom auszulösen. Es gab Bilder des US-Präsidenten in ehrwürdigen Fabrikhallen. Ende 2017 sanken die Körperschaftssteuern, verbunden mit Anreizen zur Rückführung von Kapital aus dem Ausland, das angeblich die Investitionsausgaben ankurbeln sollte.

Die Ereignisse haben sich indes nicht ganz wie erwartet entwickelt. Ja, die Firmengewinne sind dank niedriger Steuersätze gestiegen – so wie das Wirtschaftswachstum und die Zahl der Arbeitsplätze. Anlass genug für das Weiße Haus, auf der Weltbühne zu prahlen. „Die amerikanische Wirtschaft ist der Lichtblick der Weltwirtschaft", erklärte Finanzminister Steven Mnuchin stolz während der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank im April. „Wir hatten Steuersenkungen... und (jetzt) sehen die Zahlen für Jobs, Inflation und Investitionen alle gut aus!“

Doch es gibt einen Haken: Der lang ersehnte Investitionsboom ist ausgeblieben. Im Gegenteil, die amerikanischen CEOs scheinen entschlossen, alles andere mit dem Steuergeschenk zu tun, als neue Fabriken zu bauen. Das zeigen einige bemerkenswerte Charts, die der IWF in seinem Global Financial Stability Report veröffentlicht hat. Darunter der Umfang der Steuersenkung: Vor 2017 betrug der effektive durchschnittliche Steuersatz für die Unternehmen im S&P 500-Index 30 Prozent; jetzt sind es noch 15 Prozent. Der Bericht zeigt auch, dass die Gewinne dank dieses Abschlags und steigender Erträge sprunghaft gestiegen sind.

Gefährliche Sprengkraft

In der Folge lag der gesamte Cashflow für die im S&P 500 gelisteten Unternehmen im vierten Quartal 2018 bei rund zwei Prozent aller Aktiva (gemessen als gleitender Durchschnitt von vier Quartalen), verglichen mit 1,5 Prozent vor Trumps Amtsantritt und 1,0 Prozent im Jahr 2010. Und als ob das nicht genug wäre, haben amerikanische Unternehmer die extrem niedrigen Zinsen genutzt, um ihre Schulden noch einmal kräftig in die Höhe zu treiben . Im Endergebnis sitzen die Unternehmen wohl auf mehr finanzieller Sprengkraft als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in der jüngeren Vergangenheit.

Für Anleger waren das gute Nachrichten: Der IWF errechnete im vergangenen Jahr Ausschüttungen und Aktienrückkäufe im Wert von 0,9 Prozent aller Aktiva, doppelt so hoch wie im Jahr 2010. Kein Wunder, dass die Aktienmärkte in die Höhe geschnellt sind (abgesehen von dem wackligen Jahresausklang).

Unternehmen haben das liquide Arsenal auch für einen Übernahmeboom genutzt: Allein 2019 verschlangen solche Deals rund 0,4 Prozent der Aktiva, verglichen mit quasi null im Jahr 2011. Der Anteil der Investitionsausgaben am Cashflow hat sich dagegen seit 2012 bei rund 0,7 Prozent eingependelt – niedriger als die Ausschüttungen an Aktionäre. Der IWF fasst das so zusammen: „Kräftige Gewinne in den Vereinigten Staaten wurden für Ausschüttungen oder zur Abwehr finanzieller Risiken verwendet.“ Allerdings nicht, so scheint es, für viel mehr Investitionen.

Aber spielt das überhaupt eine Rolle? Nicht unbedingt. Wenn Geld an die Aktionäre verteilt wird, könnte es – theoretisch – in andere prduktive Unternehmungen fließen. Und wenn Firmen fusionieren, kann das auch die Produktivität steigern, solange Effizienz und Innovationen gehoben werden. Soweit zumindest die Lehre...

Neue Schulden trotz voller Kassen

Aber selbst nach Abzug dieser Einschränkungen muss es beunruhigen, dass die Verschuldung der Unternehmen gerade dann so zunimmt, wenn sie im Geld schwimmen. Im Zweifelsfall kann das laut IWF heißen, dass in den USA die „Indikatoren über die Verfassung der Unternehmen und ihre finanzielle Risikobereitschaft auf die Dynamik einer späten Konjunkturphase hindeuten“.

Noch rätselhafter ist es, dass die Investitionen flach verlaufen sind. Es ist nicht eindeutig, warum. Vielleicht spiegelt dies nur Veränderungen im Charakter der Anlagen wider: Es ist möglich, dass die heutigen technologiegetriebenen Investitionen pro Dollar einen größeren Produktivitätsschub liefern und daher weniger Dollar nötig sind. Es kann auch sein, dass Amerikas CEOs die mittelfristigen Wachstumsaussichten selbst in Zeiten des Trump-Aufschwungs vorsichtiger bewerten.

Oder es ist einfach so, dass US-amerikanische Firmen erbärmlich kurzfristig denken und lieber Geld in schnelle Lösungen stecken, die dem Aktienkurs guttun, statt es langfristig anzulegen. Ich vermute, die Antwort liegt irgendwo dazwischen.

Nicht zuletzt sollten aber Anleger dieses Investitionsmuster im Hinterkopf behalten, zumal es einen weiteren markanten Trend gibt, den der IWF hervorhebt: Die Gewinnprognosen für US-Unternehmen gehen inzwischen zurück, auch wenn die Aktienkurse gestiegen sind. Das ist ebenfalls ausgesprochen beunruhigend, zumal Trump höchstwahrscheinlich kein zweites Steuersenkungsprogramm aus dem Hut zaubern wird.

Copyright The Financial Times Limited 2019

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