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Proteste In China gehen Bankkunden auf die Straße

Demonstranten versammeln sich am Sonntag vor einer Filiale der chinesischen Zentralbank in Zhengzhou
Demonstranten versammeln sich am Sonntag vor einer Filiale der chinesischen Zentralbank in Zhengzhou
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | HO
Nach Betrugsfällen bei mehreren Regionalbanken kommt es in China seit Monaten zu Protesten von Kleinanlegern. Die Regierung beugt sich nun den Forderungen – doch die Risiken für die Finanzstabilität sind damit noch nicht behoben

Hunderte frustrierter Bankkunden zog es am Sonntag auf die Straßen des chinesischen Zhengzhou. um von der Regierung die Auszahlungen eingefrorener Einlagen in Höhe von mehreren Milliarden Yuan zu fordern. Auf Videos im Internet ist zu sehen, wie die Demonstranten sich dazu vor einer regionalen Niederlassung der chinesischen Zentralbank versammeln. Sie werfen mit Wasserflaschen, halten Schilder hoch und rufen: „Gebt mir mein Geld zurück."  

Es ist der Höhepunkt monatelanger Proteste frustrierter Bankkunden. Schon im Mai und Ende Juni war es in der Zehn-Millionen-Stadt Zhengzhou zu ähnlichen Demonstrationen gekommen, nachdem die Behörden Betrugsermittlungen gegen fünf Regionalbanken begonnen hatten. Im Zuge der Ermittlungen wurden Konten bei eben diesen Banken eingefroren. Die Folge: Hunderttausende Kunden der Banken kommen seither nicht mehr an ihr einbezahltes Geld.

Eine behördliche Untersuchung des Falles ergab, dass die private Investmentfirma Henan Xincaifu Group Investment Holding, die an den fünf Regionalbanken beteiligt ist, in Absprache mit Bankangestellten Einlagen entnahm, über Online-Plattformen Finanzprodukte vermarktete und anschließend das Geld unter Vortäuschung eines Kreditvertrags transferierte. Im Rahmen der Ermittlungen wurden Konten eingefroren, und seit Mai protestieren die Einleger, weil sie nicht auf ihre Ersparnisse zugreifen können.

Proteste setzen Behörden unter Druck

Die Proteste haben die chinesische Bankenaufsichtsbehörde nun wohl dazu bewegt, die Ausarbeitung eines Plans zur Behebung der Bankenrisiken zu beschleunigen. Außerdem kümmern sich die Behörden schon um eine Entschädigung der Bankkunden, obwohl die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.

Die lokalen Zweigstellen der chinesischen Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörde teilten mit, dass die Kunden der vier ländlichen Banken in der zentralen Provinz Henan und einer Bank in Anhui ab Freitag „im Voraus“ entschädigt werden. Einzelpersonen mit Einlagen von bis zu 50.000 Yuan (ca. 7400 Euro) werden zuerst entschädigt, für den Rest gelten andere Regelungen, die noch bekannt gegeben werden.

„Der jüngste Schritt zeigt, dass die lokale Regierung versucht, die soziale Stabilität aufrechtzuerhalten, indem sie einen kleinen Betrag aus ihren Taschen vorschießt“, sagte Liao Zhiming, leitender Bankanalyst bei China Merchant Securities. Er erwartet aber, dass Entschädigungen an einige Kunden nicht in voller Höhe erfolgen werden, da die Gelder nicht als Einlagen gelten und nicht durch das nationale Einlagensicherungssystem geschützt sind.

Regierung besorgt um Finanzstabilität

Es ist also nicht klar, ob der jüngste Vorschlag die Kunden besänftigen wird. Einige Kunden mit Einlagen von mehr als 50.000 Yuan (ca. 7.400 Euro) sind immer noch besorgt, dass sie nicht die volle Auszahlung erhalten könnten.

Die Bankenaufsichtsbehörde teilte mit, sie werde keine Rückzahlungen für Konten vornehmen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie in illegale Aktivitäten verwickelt sind. Die meisten Kunden erhielten in diesem Fall einen jährlichen Zinssatz von etwa vier Prozent auf ihre Einlagen oder Investitionen, was den Renditen von Vermögensverwaltungsprodukten entspricht, die von anderen chinesischen Banken angeboten werden.

Die chinesische Regierung hat damit begonnen, die implizite staatliche Unterstützung für Banken zu reduzieren, um riskante Verhaltensweisen einzuschränken und die langfristige Stabilität des Finanzsystems zu erhalten. Doch die Beamten stehen vor einem schwierigen Balanceakt: Wenn die Öffentlichkeit das Vertrauen in die Fähigkeit der Banken verliert, im Falle von Liquiditätsengpässen aus eigener Kraft oder mit staatlicher Unterstützung zu überleben, könnte dies genau die Art von Krise auslösen, die die Behörden verhindern wollen.

Kleine Banken bedrohen Finanzstabilität

Kleinere Banken, die nach Jahren explosiven Wachstums und mangelhafter interner Kontrollen mit steigenden notleidenden Krediten konfrontiert sind, gelten als besonders anfällig. In China gibt es fast 4000 kleine und mittelgroße Kreditgeber, die zusammen fast 14 Billionen Dollar an Vermögenswerten kontrollieren. Das Vertrauen in diese Banken ist jedoch seit 2019 geschwunden, als die Regierung zum ersten Mal seit 1998 ein Kreditinstitut enteignete und einige Gläubigern für die Verluste haftbar machte.

Die Behörden haben in den letzten Jahren faule Kredite im Wert von 2,6 Billionen Yuan (386 Mrd. Euro) bei kleineren Banken beseitigt, wie die Bankenaufsichtsbehörde im Mai mitteilte. Peking sammelt außerdem mehrere hundert Milliarden Yuan für einen Stabilitätsfonds zur Rettung von in Schwierigkeiten geratenen Finanzunternehmen.

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der Fall auf den gesamten chinesischen Bankensektor übergreift, da die Banken im ländlichen Raum weniger als ein Prozent der Gesamtaktiva des Sektors ausmachen, aber „ein unangemessener Umgang mit dem Thema könnte zu sozialem Unbehagen führen und die Stabilität bedrohen“, schrieb Betty Wang, eine leitende Ökonomin bei der Australia & New Zealand Banking Group in einer Notiz vom Dienstag.  „Dies kann nach den lokalen Abriegelungen und im Vorfeld des 20. Parteitags besonders heikel sein“, so Wang.

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