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GWB-Novelle Habecks Kartellrecht „mit Klauen und Zähnen“ ist da

Im Sommer 2022 kostete Sprit noch häufig über 2 Euro. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sprachen von „Abzocke“ der Mineralölkonzerne – und auch das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck nahm sich den Fall an und kündigte eine Reform des Kartellrechts an
Im Sommer 2022 kostete Sprit noch häufig über 2 Euro. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sprachen von „Abzocke“ der Mineralölkonzerne – und auch das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck nahm sich den Fall an und kündigte eine Reform des Kartellrechts an
© IMAGO/aal.photo
Als die Spritpreise im vergangenen Jahr explodierten, und von einer Zerschlagung der Mineralölkonzerne fabuliert wurde, kündigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Novelle des Kartellrechts an. Jetzt hat das Kabinett die Pläne verabschiedet

Vielen Pendlerinnen und Pendlern graust es noch beim Gedanken an das vergangene Jahr. Noch nie mussten sie so viel fürs Tanken zahlen – im Mittel 1,94 Euro für einen Liter Diesel. Zwar waren die Gründe – der Ukrainekrieg – offensichtlich, doch spätestens als die Rohölpreise wieder fielen, die Spritpreise aber konstant blieben, begann die Diskussion: Streichen Mineralölkonzerne Übergewinne ein – und wären Zerschlagungen notwendig und möglich?

Wirtschaftsminister Robert Habeck schaltete sich ein und kündigte eine Novelle des Kartellrechts an. Das alte Gesetz sei zu lasch – das neue Wettbewerbsrecht werde eines „mit Klauen und Zähnen“. Wie die Novelle aussieht, steht nun weitgehend fest: Am Mittwoch brachte die Bundesregierung die Änderungen im Kabinett auf den Weg. 

Die elfte GWB-Novelle – also des „Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen” – ist tatsächlich in dem Bereich die größte Reform seit Jahrzehnten. Zwar gab es im Vergleich zum ersten Entwurf, den Habeck vor einem halben Jahr vorgelegt hatte, einige Änderungen, auch aufgrund von Beschwerden aus der Industrie, die die Pläne als zu weitgehend kritisieren. Doch die Richtung ist weiter eindeutig: Das Bundeskartellamt erhält deutlich stärkere Eingriffsmöglichkeiten. Und marktmächtigen Unternehmen drohen im Extremfall nun Zerschlagungen.  

Die Überprüfung ganzer Branchen – die sogenannte Sektoruntersuchung – endete bisher meist mit einem Bericht der Bonner Behörde. Künftig kann das Kartellamt im Extremfall als letztes Mittel eine Entflechtung von Unternehmen anordnen. Außerdem soll bei Kartellverstößen die Abschöpfung von Vorteilen, die dadurch für Unternehmen entstanden sind, leichter werden. Das Mittel gibt es bereits, allerdings mit hohen rechtlichen Hürden. Diese sollen nun abgesenkt werden. 

Zerschlagung als Ultima Ratio

Beispielsweise soll das Bundeskartellamt in Zukunft deutlich früher in Märkte eingreifen können – bereits dann, wenn kein richtiger Wettbewerb besteht, etwa bei offensichtlichen Markteintrittsbarrieren. Dazu zählen beispielsweise unwirtschaftliche Anfangsinvestitionen oder ein ruinöser Preiswettbewerb. Stellt es diese Barrieren fest, kann die Behörde Maßnahmen durchsetzen. Der Katalog reicht von Datenanforderungen über Vertragspflichten bis hin zur Zerschlagung als letztes Mittel. Bislang konnte die Behörde nur durchgreifen, wenn sie beispielsweise illegale Kartellabsprachen feststellte. 

„Im Großen und Ganzen ist dies ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Wettbewerbs in Deutschland“, befindet der prominente Wettbewerbsökonom Justus Haucap gegenüber Capital.„Dabei ist die Möglichkeit der Entflechtung gar nicht so entscheidend. Wichtig ist, dass das Bundeskartellamt nun – auch unabhängig von der gerichtsfesten Feststellung eines Kartellrechtsverstoßes – den Wettbewerb in Märkten stärken kann.“ 

Bisher habe die Politik immer mehr oder minder ad hoc auf bestimmte Ereignisse reagiert, um dann regulierend in Märkte einzugreifen, sagt Haucap. Dieser Prozess werde nun enorm versachlicht, indem das Bundeskartellamt zunächst eine Sektorenuntersuchung durchführt und dann, faktenbasiert, Eingriffe vornehmen kann. 

Industrie übt Kritik

Beispielsweise sind etwaige Eingriffe nur möglich, wenn der Wettbewerb in einem Markt „erheblich und fortwährend“ gestört ist. Das bedeutet, dass die Störung, die im Einzelfall geprüft wird, mindestens zwei Jahre anhält. Habecks Ursprungsplan sah eine etwaige zeitliche Spanne nicht vor. Auch beim Thema Zerschlagungen wollte Habeck ursprünglich stärkere Durchgriffsrechte. 

Dennoch wird die Novelle vor allem aus liberalen Kreisen stark kritisiert. Das Gesetz fördere ein staatliches Marktdesign, erklärte zum Beispiel der FDP-Politiker Gerald Ullrich gegenüber dem „Handelsblatt“. Er kündigte an, im parlamentarischen Verfahren auf Änderungen hinzuwirken. Auch aus der Wirtschaft ist die Kritik groß. Der Verband der Ölindustrie En2x weist auf den ohnehin starken Wettbewerb im Markt hin. Auch andere Vertreter fürchten, dass es der Bundesregierung nicht bloß um bessere Wettbewerbsbedingungen gehe. 

Haucap hätte sich eine stärkere Einbindung der Monopolkommission als unabhängiges Gremium in diese Prozesse gewünscht, auch um die zunehmende Macht des Kartellamtes etwas zu begrenzen. „Und ich bin mit der Definition der Wettbewerbsstörung im Gesetzentwurf noch nicht glücklich, das ist noch zu umfassend im Moment.“ 

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