Das Wichtigste, was von der Unterzeichnung des schwarz-roten Koalitionsvertrags einmal übrig bleiben wird, ist womöglich die Farbe des Jacketts der Kanzlerin: Angela Merkel trug am 27. November 2013 Grün.
Große Koalitionen sind immer nur eine Notlösung. Weil sie für beide Partner die befristete Ausnahme bleiben sollen, ist die Machtstrategie von Anfang an zentral: Schon beim Einstieg ist die wahre Schlüsselfrage, wem der Ausstieg am Ende besser gelingt.
In der Vergangenheit gab es da bereits Triumphe und Katastrophen: Die SPD konnte in der Großen Koalition (1966-1969) erstmals beweisen, dass sie Regierungsverantwortung für die Bundesrepublik übernehmen kann. Und sie konnte das Bündnis mit der FDP vorbereiten, mit dem Willy Brandt nach der Wahl 1969 Kanzler wurde. Diese sozialliberale Koalition hielt dann immerhin 13 Jahre lang.
Aus der zweiten Groko (2005-2009) kamen die Sozialdemokraten derart zertrümmert heraus, dass viele von dem Wahldesaster bis heute traumatisiert sind: Die „schwarze Witwe“ Angela Merkel habe die SPD in der Partnerschaft damals perfide ruiniert, ist die gängige, etwas selbstmitleidige Deutung.
Alarmsignal für die Union
1969 sortierten sich die politischen Lager neu. 2009 setzte sich am Ende wieder einer der beiden traditionellen Blöcke durch – in diesem Fall Schwarz-Gelb. Vor der dritten Groko ist noch unklar, auf welches der beiden Szenarien es am Ende hinausläuft.
Denn die Lage ist kompliziert: Es gibt zwar im Bundestag (und übrigens auch im Bundesrat) eine rot-rot-grüne Mehrheit - die aber bislang nur rechnerisch und nicht politisch funktioniert. Die SPD hat im Wahlkampf ein Bündnis mit der Linkspartei ausgeschlossen, weil vor allem mit deren Sektierern im Westen ein Regieren kaum möglich scheint.
Mittelfristig ist das vielleicht zu ändern - weshalb die SPD auch sofort nach der Wahl diese Tür geöffnet hat: Koalitionen mit der Linken werden künftig nicht mehr ausgeschlossen.
Für die Union war das ein Alarmsignal, denn sie läuft jetzt Gefahr, zu einer dauerhaft isolierten Minderheit zu werden - selbst wenn sie eine eigene absolute Mehrheit jeweils nur um Haaresbreite verpasst. In den 70er Jahren war sie unter Helmut Kohl in einer solchen Falle gefangen.
Merkels Jackettfarbe
Ihre Antwort auf die SPD-Öffnung nach links kam denn auch prompt und für alle gut sichtbar: In Hessen schmiedet die CDU nun ein schwarz-grünes Bündnis und die öffentlichen Komplimente der Konservativen an die Ökopartei scheinen seither überhaupt kein Ende mehr zu nehmen.
Merkels Jackettfarbe bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags war noch einmal ein klares Zeichen an die neuen roten Partner: „Ich könnte auch anders.“ Jedenfalls konnte man das ganz zufälligerweise so verstehen. Dass diese Kanzlerin irgendwelche Hintergedanken hat, bleibt natürlich Spekulation.
Nun sind wieder die Sozialdemokraten am Zug, und sie müssen reagieren. Denn auch die SPD ist strategisch extrem verwundbar: Sobald Merkel erst einmal die Grünen als Partner für sich gewonnen hat, ist nicht nur die rot-rot-grüne Option kaputt. Die SPD kann dann auch für viele Jahre jede Hoffnung begraben, wieder mal einen Kanzler zu stellen. Nur im Duo mit der Linken wird sie das jedenfalls nicht schaffen.
Alles läuft auf die Grünen zu
Parteichef Sigmar Gabriel - der vielleicht einmal SPD-Kanzler werden will – hat das kürzlich schon in aller Klarheit ausgesprochen: „Ihr glaubt doch nicht“, warnte er seine Genossen, „dass die Union, wenn sie einmal auf Bundesebene einen neuen strategischen Partner hat, den wieder laufenlassen wird! Und die Grünen werden das auch nicht machen.“ Schwarz-Grün wäre sicher nicht für immer - aber wohl lange genug - um eine Gabriel-SPD verzweifeln zu lassen.
So läuft nun machtpolitisch alles auf die Grünen zu. Was die selbst womöglich noch gar nicht alle gemerkt haben: Zu enttäuschend war das schlappe Wahlergebnis bei der Bundestagswahl, zu viele innere Probleme mussten seither erst einmal geklärt werden.
Strategisch ist den Grünen aber jetzt die Position zugefallen, die in der alten Bundesrepublik einmal von der FDP besetzt wurde: Wer eine Mehrheit außerhalb der Großen Koalition sucht, ist auf diesen Junior-Partner faktisch angewiesen.
Die Partei, die im Bundestag die kleinste Fraktion stellt, dürfte deshalb am Ende einen erheblichen Einfluss auf den Kurs der schwarz-roten Riesenmehrheit nehmen. Das muss man inhaltlich nicht gut finden. Aber man sollte sich darauf einstellen.
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