Die Pleite der Kryptobörse FTX gehört schon jetzt zu den spektakulärsten Wirtschaftskrimis der vergangenen Jahre. Gründer Sam Bankman-Fried, kurz: SBF und früher mal Galionsfigur der Kryptoszene, wurde zuerst von den Bahamas an die USA ausgeliefert, saß dort im Knast und kam am Donnerstag gegen Zahlung einer Kaution von 250 Mio. Dollar vorläufig frei. Doch es läuft weiter schlecht für ihn: Ein Bundesstaatsanwalt aus Manhattan verkündete am Mittwoch, dass zwei seiner engsten Mitarbeiter ein Geständnis abgelegt haben und sich für eine Zusammenarbeit mit den US-Behörden entschieden haben.
Damian Williams, US-Staatsanwalt aus New York, gab daraufhin die strafrechtliche Verfolgung von Caroline Ellison und Zixiao „Gary“ Wang bekannt. Ellison verantwortete zuletzt die Geschäftsführung der FTX-Handelsgesellschaft Alameda Research, Zixiao „Gary“ Wang gründete FTX zusammen mit Bankman-Fried. Beide Angeklagten sollen ein Geständnis abgelegt haben. Wangs Büro hatte vergangene Woche außerdem acht Anklagen gegen Bankman-Fried erhoben.
Williams Ankündigungen erfolgten kurz nachdem ein Flugzeug mit Bankman-Fried an Bord, die Bahamas verlassen hatte. Dort verzichtete Bankman-Fried darauf, seine Auslieferung anzufechten. Bereits am Donnerstag soll er vor einem Gericht in Manhattan erscheinen, sein Antrag für eine Freilassung gegen Kaution soll dann geprüft werden.
Die Vertraute Ellison bekannte sich offenbar in sieben Anklagepunkten schuldig, darunter Wertpapierbetrug und Geldwäsche. Diese Vergehen können in den USA mit einer Höchststrafe von 110 Jahren Gefängnis geahndet werden. Wang erklärte sich wohl in vier Anklagepunkten des Betrugs schuldig, die mit einer Höchststrafe von 50 Jahren geahndet werden können. Der „Financial Times“ liegen hierzu unterzeichnete Vereinbarungen vor.
In den Dokumenten heißt es, dass die Staatsanwaltschaft sich den Anträgen der beiden Angeklagten auf Freilassung gegen Kaution bis zur formellen Verurteilung nicht widersetzt – unter der Voraussetzung, dass Reisedokumente abgegeben werden.
Unabhängig davon reichten zwei Ausschüsse der US-Finanzaufsichtsbehörde Zivilklagen gegen die 28-jährigen Ellison und den 29-jährigen Wang ein und beschuldigten sie des Betrugs.
„Wir behaupten, dass Caroline Ellison und Sam Bankman-Fried gezielt den Preis von FTT, einem Kryptowährungs-Token, manipuliert haben, um ihr Kartenhaus des Betrugs aufrecht zu erhalten“, verkündete der Vorsitzende der US-Behörde Gary Gensler.
Als Geschäftsführer der FTX-Handelsgesellschaft „missbrauchte Ellison die FTX-Kundengelder, um Alameda-Schulden zu begleichen“ und leitete Milliardenbeträge der Einleger an das von ihr geführte Unternehmen um. All das, um ein Finanzloch zu stopfen, das durch einen Kryptomarkt-Crash im Mai verursacht wurde.
Die US-Behörde glaubt weiterhin, dass Wang an der Entwicklung einiger FTX-Algorithmen beteiligt war, die es Alameda ermöglichten, einen unbegrenzten Kredit an der Börse aufrechtzuerhalten, welcher dem Unternehmen einen „unfairen Vorteil“ verschaffte. „Dieser Code ermöglichte es Alameda, heimlich und rücksichtslos FTX-Kundengelder von der FTX-Plattform abzuschöpfen“, so die Behörde.
Beide Angeklagten arbeiten nach Angaben der Behörde mit den Ausschüssen zusammen. Wangs Anwalt, Ilan Graff, sagte: „Gary hat die Verantwortung für seine Handlungen übernommen und nimmt seine Verpflichtungen als kooperierender Zeuge ernst“. Ellison Anwälte gaben bislang keine Stellungnahme ab.
Das US-Justizministerium erhob letzte Woche Anklage gegen Bankman-Fried und beschuldigte ihn, „einen der größten Finanzbetrügereien in der amerikanischen Geschichte“ inszeniert zu haben, indem er FTX-Kundengelder veruntreute. Anschließend verhaftete man ihn auf den Bahamas. Gegen Bankman-Fried laufen außerdem parallele Zivilklagen der US-Finanzaufsichtsbehörde. Nach der Insolvenz des Unternehmens im letzten Monat, trat Bankman-Fried als Geschäftsführer von FTX zurück.
Der Staatsanwalt Williams wiederholte indessen seine Aufforderung an alle, die mit Bankman-Fried zusammengearbeitet haben. „Wenn Sie an einem Fehlverhalten bei FTX oder Alameda beteiligt waren, ist es jetzt an der Zeit, sich zu melden“, sagte er. „Wir kommen schnell voran und unsere Geduld ist nicht unendlich.“
Drei Freunde und mutmaßliche FTX-Betrüger
Sam Bankman-Fried ist der Sohn zweier Juraprofessoren aus Stanford. Nach einem Physikstudium am MIT arbeitete er einige Zeit als Trader. Er verließ die Wall Street sogar kurzzeitig, um eine philanthropischen Initiative zu unterstützen. Doch Bankman-Fried faszinierte sich schon bald darauf für Kryptobörsen in Asien. Prompt gegründete er das Handelshaus Alameda Research. Seine erste Million verdiente er, indem er die Preisunterschiede der asiatischen Kryptobörsen geschickt für sich nutzte. Erst später gründete er FTX.
Ehemalige Mitarbeiter beschreiben „SBF“ als Kultfigur innerhalb des Unternehmens. „Jeder, der bei FTX beschäftigt war, war auf irgendeine Art und Weise von ihm besessen“, sagte ein ehemaliger Kollege. „Der Junge war jung, die Prinzipien waren revolutionär, die Ideen waren golden. Er war der reichste 30-Jährige der Welt. Wer war ich, um Frage zu stellen?“
Die Stanford-Absolventin Ellison lernte Bankman-Fried während seiner Zeit als Trader kennen, 2018 schloss sie sich Alameda an. Sie war eine von mehreren Mitarbeitern, die mit Bankman-Fried in einer Wohngemeinschaft lebten.
Ellison übernahm im Herbst 2021 die stellvertretende Geschäftsführung von Alameda. Ehemaligen Mitarbeitern zufolge stand sie Bankman-Fried weiterhin nahe. Man traf die beiden häufig bei langen Spaziergängen auf dem Parkplatz des FTX-Büros in Nassau (Bahamas) an. Zeitweise soll die Beziehung romantische Züge angenommen haben.
Gary Wang war der Chief Technology Officer und zweitgrößter FTX-Aktionär.. Bankman-Fried lernte er in einem Mathe-Camp in der High School kennen, am MIT teilten sie sich ein Zimmer.
Mitarbeitern zu Folge, haben die beide „ihre eigene Sprache“. Wang war ein Einzelgänger, aber ein produktiver Programmierer. „Gary hatte definitiv Zugriff auf alles, was mit Technik zu tun hatte“, sagte ein ehemaliger Mitarbeiter und fügte hinzu: „Gary hat die meisten neuen Projekte selbst gestartet, aber er übernahm keine Managementfunktionen.“
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