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Gastkommentar Frankreichs Reformen greifen langsam

Die wirtschaftliche Lage Frankreichs bessert sich langsam. Doch die Reformen zeigen nur in Teilbereichen Wirkung. Von Sylvain Broyer
Frankreich kommt nur langsam aus der Krise
Frankreich kommt nur langsam aus der Krise
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Sylvain Broyer ist Chefvolkswirt von Natixis, der Investmentbank der französischen Sparkassen

Die Europäische Kommission hat in einem aktuellen Bericht die Reformbemühungen Frankreichs begrüßt, sie aber auch als nicht ausreichend bezeichnet, um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und vor allem die öffentlichen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen. Grund hierfür seien Lücken (insbesondere bei den Reformen des Arbeitsmarkts und des Steuersystems) und die unvollständige Umsetzung der Reformen (wie im Falle der territorialen Verwaltungsreform oder des „Macron“-Gesetzes).

Ein Blick auf einige ökonomische Indikatoren bestätigt das von der Kommission entworfene Bild. Die Lohnstückkosten steigen zwar noch stärker als in den peripheren Ländern, jedoch schon langsamer als in Deutschland. Im verarbeitenden Gewerbe sind die Lohnstückkosten seit einem Jahr konstant. Somit hat sich die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs endlich stabilisiert.

Seit 2011 ist nicht nur die Langzeitarbeitslosigkeit (1,5-Prozentpunkte höher als im Schnitt der Jahre 2006 bis 2010), sondern auch die allgemeine Arbeitslosigkeit gestiegen - und das, obwohl auch die Zahl der offenen Stellen gewachsen ist. Dieser Trend hat sich seit zwei Quartalen wieder umgekehrt, was auf ein Ende der Verschlechterung der Arbeitsmarktbedingungen hindeutet.

Das „Macron“-Gesetz

Mitte Dezember stellte der französische Ministerrat den neuesten Teil des Reformprozesses, das „Macron“-Gesetz vor. Die Reichweite dieses Gesetzes ist groß und beinhaltet unter anderem eine Liberalisierung der sonntäglichen Arbeit, der Honorare und der Berufspraxis von reglementierten juristischen Berufen sowie den Verkauf von staatlichen Unternehmensbeteiligungen im Umfang von 10 der insgesamt 110 Mrd. Euro. Damit sollen die Transaktionskosten von vielen Dienstleistungen gesenkt und somit die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs gestärkt werden. Zudem will die Regierung damit Investitionsanreize in Schlüsselsektoren (z.B. bei Start-ups) schaffen und die Beschäftigung im Dienstleistungssektor erhöhen.

Der Einfluss des Gesetzes auf das Wachstum wird jedoch eher gering sein. So führt die Erhöhung der Sonntagsarbeit im Einzelhandel von fünf auf zwölf Sonntage vorrausichtlich nur zu einem 0,06-prozentigen Anstieg des BIPs.

Aussichten für 2015

Obwohl die wirtschaftliche Lage Frankreichs immer noch schlecht ist, sind die Aussichten in einigen Sektoren wieder besser. Dank der Reformen haben sich beispielsweise die Unternehmensgewinne stabilisiert (bei 8,5 Prozent des BIPs). Zudem profitiert Frankreich enorm von der derzeitigen Öl-Desinflation (in Form einer starken Verbesserung der „Terms-of-trade“) und nebenbei hat die Euro-Abwertung einen positiven Effekt auf die Wettbewerbsfähigkeit. Der niedrige Ölpreis lässt Konsum, Exporte, Einkommen und möglicherweise das Vertrauen steigen.

Der Ölpreisschock führt in den nächsten Monaten zu einem weiteren Rückgang der Inflation, was kurzfristig gesehen einen positiven Effekt auf die Kaufkraft der Haushalte und auf die finanzielle Situation einiger Unternehmen hat, jedoch die öffentliche Entschuldung erschwert. Auch die Investitionen in Immobilien sollten ihren Tiefpunkt erreicht haben und bald wieder steigen, da die Bedingungen für Hypothekenkredite erstmals seit 2010 wieder lockerer werden und die Kreditnachfrage Fahrt aufnimmt. Leider lässt sich eine solche Verbesserung bei den öffentlichen Finanzen nicht feststellen. So wird Frankreich 2015 voraussichtlich ein Haushaltsdefizit von 4,5 Prozent des BIPs aufweisen.

Insgesamt kann die französische Wirtschaft jedoch aufatmen. Das BIP könnte 2015 zwischen 0,6 und 0,9 Prozent wachsen, also etwas mehr als letztes Jahr. Denn der Konsum wird durch die Öl-Desinflation und die Stabilisierung des Arbeitsmarkts angekurbelt und der Rückgang der Investitionen kommt endlich zu einem Ende. Einzig die schwache öffentliche Nachfrage wird das französische Wachstum 2015 lähmen.

Längerfristig gesehen machen es die Reformen laut einer detaillierten OECD-Studie sogar möglich, die französische Wirtschaftsleistung in den nächsten zehn Jahren um ca. 3,7 Prozent anzuheben und das Staatsdefizit jährlich um 0,18 Prozent abzubauen. Auch der IWF geht in einer Studie davon aus, dass die Reformen langfristig etwa 600.000 neue Arbeitsplätze bringen, was eine Reduzierung der Arbeitslosenquote um 2,6 Prozentpunkte bedeuten würde.

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