CAPITAL: Wie läuft`s bei Ihnen?
CHRISTOPH LIEBEN-SEUTTER: Gut, wir sind im Hochbetrieb, in den vergangenen Monaten haben wir eine volle Streamingstruktur hochgefahren. Im Mai erreichen wir eine Schlagzahl von über 20 Streams. Da ist da schon rund um die Uhr was los, es gib Proben, Künstler reisen an, und all das ist mit großem technischem Aufwand verbunden. Auch Marketing, Vertrieb – eigentlich haben alle voll zu tun. Gleichzeitig will die Zukunft geplant sein. Das Programm für die nächste Spielzeit ist fertig.
Wann geht es wieder los?
Wir haben gerade erfahren, dass ab Ende Mai endlich wieder Publikum im Saal erlaubt ist. Daher geht es am 31. Mai los, mit eingeschränkter Kapazität und getesteten Besuchern. Ende Juli beginnt unter Sommerfestival, ab Ende September geht dann das normale Programm los. Davor noch planen wir eine Openair-Bühne vors Haus zu stellen.
Konzerte entstehen aber nicht von heute auf morgen.
Allerdings. Die Künstler müssen engagiert werden, Proben stattfinden, die Tickets verkauft werden. Wir sind seit über einem Jahr in der monatlichen Sisyphos-Übung, mit dem Betrieb in wenigen Wochen loslegen zu können. Im Januar haben wir das März-Programm fertig geplant, im Februar wieder ad acta gelegt und den April geplant. Wir sind jetzt Weltmeister im Umplanen.
Wie aufwändig ist das Streamen eines Konzerts?
Das geht von einem iPhone bis zu acht bemannten Kameras und extra Licht und Ton. Wir haben dafür eine Infrastruktur im Haus, ein TV-Studio und acht ferngesteuerte Kameras. Damit können wir Konzerte so mitschneiden, dass es dem Publikum gar nicht auffällt, weil keine Kameras zu sehen sind. Künstlerisch spannender ist es allerdings, wenn zwei, drei Kameras bemannt sind, ins Orchester reinfahren und die Aufnahmen im Nachhinein bearbeitet werden. Aber das kostet Zeit und die Produktionskosten liegen zwischen 10 und 40.000 Euro, je nach Aufwand und Nachbearbeitung. Im normalen Spielbetrieb ist der Regisseur schon froh, wenn es eine Generalprobe gibt, die er mitfilmen kann.
Ihr schönster Stream?
Ein Konzert mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester im März. Alan Gilbert dirigiert »Tempus Fugit« von Magnus Lindberg, und man sieht die Musiker nicht nur auf der Bühne, sondern auch an den unterschiedlichsten Orten im Gebäude spielen. Sehr inspirierend, wie sich die Architektur des Gebäudes und die Musik gegenseitig ergänzen.
Wie stemmen Sie das Digitalgeschäft im Moment?
Gute Inhalte sind recht personalintensiv. Unsere Technik- und Marketingteams haben sich da toll weiterentwickelt. Früher konnten wir nur mit externen Crews und Partnern einen Stream produzieren, jetzt übernehmen die eigenen Leute auch Produktion und Regie. Wichtig ist natürlich auch die Ausspielung auf den diversen Kanälen und eine entsprechende PR.
Wie sind die Klickraten?
Das geht von ein paar Tausend bis 150.000 und mehr Views pro Stream, je nachdem, was es ist. Die Leute finden uns über die Website der Elbphilharmonie oder einfach über Youtube oder Facebook. Wir haben Zuschauer aus der ganzen Welt, wissen allerdings nicht, wer die sind und wie lange sie gucken. Die Kundendaten gehören den Plattforum und nicht uns. Für eine Monetarisierung ist das schwierig.
Das heißt Sie verdienen nichts mit den Streaming-Konzerten?
Im Moment sind die Zugänge frei und kostenlos. Das liegt auch an der Genese der Elbphilharmonie. Unsere Konzerte waren anfangs immer ausverkauft. Es gab ein wahnsinniges Interesse aus der ganzen Welt. Deshalb wollten wir, dass alle, die keine Tickets bekommen hatten, zumindest im Internet gucken konnten. Und die Elbphilharmonie hat den Steuerzahler viel gekostet, da ist es ganz schön, wenn sie wenigstens gratis die Konzerte erleben können.

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