Es geht eine neue Spaltung durch die US-amerikanische Konsumgesellschaft. Auf der einen Seite: Menschen, die zu Abnehmmitteln greifen. Auf der anderen: Menschen, die das nicht tun. Vor denen, die die neuen Hype-Medikamente wie Ozempic oder Wegovy einnehmen, zittert nun der größte Einzelhändler des Staatenbundes. Laut Walmart, dem US-amerikanischen Pendant zu Netto oder Penny, sollen bereits Auswirkungen auf den Lebensmitteleinkauf von Menschen, die appetitzügelnde Medikamente einnehmen, zu sehen sein.
„Wir sehen einen leichten Rückgang im Warenkorb“, sagte CEO John Furner vergangene Woche zu „Bloomberg“. „Weniger Einheiten und etwas weniger Kalorien.“ Der Wirkstoff, der dieses Kunststück vollbracht hat, heißt Semaglutid. Er wird als ein Wundermittel im Kampf gegen Übergewicht gefeiert.
Ursprünglich war der Wirkstoff nur für die Behandlung von Diabetes Typ 2 vorgesehen. Nun hat sich gezeigt, dass er auch zur Gewichtsreduktion beiträgt. In den letzten Monaten erfreuen sich Injektionen mit Semaglutid unter den Markennamen Ozempic und Wegovy deshalb enormer Beliebtheit, die Produkte verzeichnen einen regelrechten Verkaufsansturm. Hersteller Novo Nordisk ist damit zum wertvollsten Unternehmen Europas geworden.
Und das Potenzial des Wirkstoffs scheint noch immer nicht ausgeschöpft: Einer neuen Studie von Novo Nordisk zufolge kann Semaglutid auch gegen Nierenleiden eingesetzt werden. Die Zwischenergebnisse der Studie sind offenbar derart vielversprechend, dass der Pharmakonzern sie vorzeitig abgebrochen hat. Für Wettbewerber im Dialysemarkt wie Fresenius Medical Care (FMC) sind das hingegen Hiobsbotschaften – weswegen die FMC-Aktie am Mittwochmorgen um fast ein Viertel einbrach. Das entspricht dem kompletten Kursgewinn für das Börsenjahr 2023.
Gewichtsverlust gleich Kursverlust?
Es gibt noch mehr Beispiele für den Ozempic-Effekt. Der Kurs der US-Softwarefirma Toast sackte ab, nachdem Analysten mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die Abnehmspritze das Kursziel der Aktie herunterstuften – weil sie für Toast, das einen Großteil seines Umsatzes mit der Zahlungsabwicklung in der Gastronomie verdient, im schlechtesten Fall ein um 5 Mrd. Dollar geringeres Bruttoverarbeitungsvolumen bis 2025 voraussagten.
Nach Ansicht einiger Marktbeobachter waren die auf Ozempic bezogenen Aussagen von Walmart-CEO Furner sogar für eine ganze Reihe von Kursverlusten in der Lebensmittelbranche verantwortlich. So verloren die Aktien von Danone, Nestlé, Anheuser-Busch InBev, Lindt & Sprüngli sowie von Ben & Jerry’s-Hersteller Unilever zwischenzeitlich um bis zu fünf Prozent. Die Kursverluste seien „eindeutig eine anhaltende Reaktion auf die Kommentare von Walmart“, sagte Bernstein-Analyst Bruno Monteyne gegenüber dem Magazin „Fortune“.
Auf der anderen Seite macht insbesondere die anhaltende Inflation der Basiskonsumgüterbranche ohnehin zu schaffen, der Sektor ist in diesem Quartal die drittschlechteste Branche im S&P 500 und hat in diesem Jahr 9,1 Prozent verloren.
Wer weniger wiegt, fliegt günstiger
Dass wir dünner und gesünder werden, ist gut – auch wenn es der Zuckerindustrie schadet. Eine andere Branche könnte hingegen vom geringeren Gewicht ihrer Kunden profitieren. Fluggesellschaften und -hersteller suchen ständig nach neuen Wegen, um das Gewicht von Flugzeugen und damit deren Kerosinverbrauch zu reduzieren. Ozempic und ähnliche Medikamente könnten ihnen dabei helfen, berichtete „Bloomberg“ in Bezug auf eine aktuelle Studie.
So könnte zum Beispiel United Airlines Millionen einsparen, wenn das Durchschnittsgewicht seiner Passagiere um nur fünf Kilogramm sinken würde. Das hat die Beratungsgesellschaft Jefferies errechnet. So läge das Gesamtgewicht eines United-Flugs um 895 Kilogramm niedriger, was ein Einsparungspotenzial von 27,6 Millionen Gallonen pro Jahr an Treibstoff bedeuten würde. Bei einem durchschnittlichen Preis von 2,89 Dollar pro Gallone im Jahr 2023 würde United so 80 Mio. Dollar pro Jahr einsparen.