Die Inflation in Deutschland hat sich im Januar deutlich geringer als erwartet abgeschwächt. Damit wird die Einschätzung der Europäischen Zentralbank infrage gestellt, wonach sich der Anstieg der Verbraucherpreise in der Eurozone in diesem Jahr spürbar abschwächen wird und eine straffere Geldpolitik nicht erforderlich ist.
Wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte, stiegen die Preise nach einem von der Europäischen Union harmonisierten Index um 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Das ist deutlich mehr als die 4,3 Prozent, die von Ökonomen in einer Bloomberg-Umfrage prognostiziert wurden. Im Dezember hatte die Teuerungsrate bei 5,7 Prozent gelegen. (Der nichtharmonisierte Wert liegt bei 4,9 Prozent nach 5,3 Prozent im Dezember.)
Am Montag meldete auch Spanien eine Inflation, die weit über den Schätzungen der Analysten lag. Frankreich wird seine Daten am Dienstag veröffentlichen, bevor am Mittwoch die Zahlen für Italien und den Euroraum mit seinen 19 Ländern bekannt gegeben werden. Es wird erwartet, dass der Preisdruck im Euroraum in diesem Jahr nachlässt, nachdem er im Jahr 2021 aufgrund von Unterbrechungen der Versorgungskette und eines Anstiegs der Energiekosten neue Rekordwerte erreichte. Die EZB-Vertreter, die diese Woche tagen, werden nun ihren langsamen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik rechtfertigen müssen, da die Inflation noch eine Weile hoch bleiben könnte.
"Die Hoffnungen auf einen deutlichen Rückgang der Inflation zu Beginn des Jahres haben sich nicht erfüllt", sagte ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann nach der Veröffentlichung der deutschen Daten. "Die Unternehmen werden die deutlich gestiegenen Beschaffungskosten weiterhin über Preisanpassungen an die Endverbraucher weitergeben. Das Jahr 2022 hat inflationär begonnen und wird es auch bleiben."
Derweil wetten Anleger verstärkt auf Zinserhöhungen durch die EZB und widersprechen damit den politischen Entscheidungsträgern, die sich gegen eine Anhebung der Kreditkosten in diesem Jahr aussprechen. Die Geldmärkte sehen jetzt eine Erhöhung um einen Viertelprozentpunkt bis zum Jahresende, was den Einlagensatz auf minus 0,25 Prozent bringen würde.
"Zunächst muss infrage stellen, ob es eine dauerhafte Inflationsentwicklung ist - wir müssen die Erwartung, dass das Geld stabil bleibt, weiter verankert halten", sagte der deutsche Finanzminister Christian Lindner am Montag in der ARD.
Die Verlangsamung der deutschen Inflation im Januar spiegelt das Auslaufen der Basiseffekte einer vorübergehenden Umsatzsteuersenkung wider, die die Jahresrate in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres um mehr als einen Prozentpunkt ansteigen ließ. Dennoch sagte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht letzte Woche voraus, dass das Preistempo zu Beginn des Jahres 2022 "wahrscheinlich außerordentlich hoch bleiben wird".
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