Wie hart wird die Corona-Krise Start-ups aus der Finanztechnologie treffen? Das endgültige Urteil steht in der Fintech-Studie von Comdirect noch aus. Für die Anfang 2021 veröffentlichte Untersuchung lagen noch keine Daten für das letzte Quartal 2020 vor. Klar ist aber: Das Krisenjahr hinterlässt Spuren. Die Krise an den wichtigsten deutschen Finanzplätzen eröffnet aber anderen Standorten auch Chancen.
Fintechs in Deutschland
Die Untersuchung von Comdirect mit Barkow Consulting und dem Main Incubator, dem Frühphaseninvestor der Commerzbank Gruppe, zählte aktuell 946 FinTech-Start-ups in Deutschland. Sie entfielen auf diese Bereiche:
- PropTech: 203 Start-ups
- Finance: 189
- InsurTech: 115
- Investment: 112
- Accounting: 79
- Blockchain: 77
- Sonstige: 171
Die Experten zählten bis Ende September 2020 bundesweit 48 Neugründungen. Damit blieb der Trend rückläufig. 2016 hatte der Bericht mit 148 Neugründungen die bisherige Höchstmarke verzeichnet. Der Wert fiel 2018 auf 141, 2019 auf 105. Anders sieht das Bild aus, wenn nur jeweils der Zeitraum bis 30. September berücksichtigt wird, für den im 2020-Bericht erst Zahlen vorlagen. Hier schmilzt das Minus im Vergleich zu 2019 den Angaben zufolge auf neun Prozent und 2020 erreicht sogar das Niveau von 2016. Die Autoren verwiesen in diesem Zusammenhang auf den sogenannten Tarnkappenmodus: „Fintechs bleiben bis circa zwölf Monate nach Gründung unsichtbar.“
Weniger Risikokapital
An einer schlechten Nachricht gab es im Krisenjahr allerdings nicht zu rütteln. „VC-Investments 2020 erstmals rückläufig“, titelte Comdirect. Die Wagniskapital-Investitionen waren 2019 um 50 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro empor geschossen . In den ersten drei Quartalen 2020 verzeichneten die Analysten nur ein Volumen von 953 Millionen Euro sowie 103 Finanzierungsrunden. Sie gingen davon aus, dass 2020 unter der 2019er Bilanz von 149 VC-Runden bleiben wird. Denn während die ersten zwei Quartale über dem Niveau des Vorjahres gelegen hätten, sei der Trend im dritten Quartal deutlich eingebrochen und werde zum Jahresende vermutlich weiterhin unter 2019 bleiben.
Seit 2012 sind den Angaben zufolge in Deutschland über sechs Milliarden Euro an Risikokapital in Fintechs geflossen. Der Sektor machte laut der Untersuchung 2019 über ein Viertel (27 Prozent) des deutschen VC-Marktes aus.
Wichtigste Fintech-Städte
Für das Ranking der wichtigsten Fintech-Hubs 2020 wurden vier Kriterien berücksichtigt:
- Zahl der Start-ups 2020: Wie groß ist der Standort?
- Neugründungen 2019 bis 2020: Wie stark wächst der Standort?
- Fintech-Risikokapital 2019 bis 2020: Wie viel Geld fließt in den Standort?
- Anzahl der VC-Runden 2019 bis 2020: Wie oft fließt Geld in den Standort?
Sieben Hubs wurden untersucht. Dies sind laut Comdirect die beliebtesten Städte für Fintechs in Deutschland.
Die beliebtesten Städte bei Fintechs

Unter den Top-Städten für Fintechs konnte sich nur ein Kandidat verbessern. Zwei Standorte stiegen ab, vier hielten die Position des Vorjahres. Zu den Verlierern gehörte Stuttgart. Der Fintech-Hub lag in der Comdirect-Analyse in allen vier Kategorien auf dem siebten und damit letzten Platz.

Stuttgart landete erneut auf dem sechsten Rang. Das war auch die Platzierung in allen Einzelkategorien, mit einer Ausnahme. Bei den Investitionen reichte es mit 161 Millionen Euro überraschend für den dritten Platz. Düsseldorf profitierte dabei allerdings den Angaben zufolge von einem Riesen-Deal mit einem Volumen von über 100 Millionen Euro.

Köln hielt Platz fünf im Ranking. Fintech-Start-ups in der Domstadt sammelten demnach in fünf Deals 42 Millionen Euro. Köln landete in allen Kategorien auf dem fünften Platz. „Der Abstand zu den Top 4 ist nach wie vor erheblich“, bilanzierten die Comdirect-Experten.

Frankfurt am Main ist der zweite Absteiger der Bestenliste. Für die deutsche Finanzmetropole reichte es im Fintech-Hub-Ranking 2020 nur noch für Platz vier. Sie punktete zwar mit der Zahl der Fintechs. „Beim Wagniskapital hängt Frankfurt mit Investments von 42 Millionen Euro aus 22 Finanzierungsrunden aber deutlich zurück“, monierten die Analysten und vergaben in dieser Kategorie nur Platz sechs.

Hamburg konnte sich als einzige der Top-Fintech-Städte verbessern. Die Hansestadt verdrängte Frankfurt am Main vom dritten Platz. „Hamburg punktet vor allem mit einem deutlichen Anstieg auf insgesamt 27 Finanzierungsrunden und liefert mit 17 Neugründungen erneut den Beweis für die hohe Gründungsdynamik in der Hansestadt“, lobten die Autoren.

München verteidigte im Fintech-Hub-Ranking 2020 von Comdirect den zweiten Platz. „116 Start-ups gibt es in der Isarmetropole, 20 davon wurden seit Anfang 2019 gegründet. Zudem legt München beim Wagniskapital durch Investments in Höhe von 433 Millionen Euro seit Anfang 2019 ordentlich zu“, hieß es zur Begründung.

Berlin bleibt auch nach dem Krisenjahr 2020 die unbestrittene Fintech-Hochburg Deutschlands. „Die Bedeutung Berlins für den deutschen Fintech-Sektor ist enorm“, teilte Comdirect mit. Die Bundeshauptstadt spiele sowohl bei der Anzahl an Fintechs (über 300 von deutschlandweit 946) als auch bei Neugründungen und Wagniskapital weiterhin in einer eigenen Liga. Die Studienmacher verzeichneten Investitionen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro für Berliner Fntechs. Das waren zwei Drittel der gesamten Fintech-Investments. Allerdings büßte der Spitzenreiter den Angaben zufolge etwas an Strahlkraft ein. Berlin hatte in der Studie 2019 noch bei 72 Prozent der Finanzsummen für sich reklamiert. Außerdem stellten die Autoren fest: „Zwar ist immer noch fast jedes dritte Fintech in Deutschland in Berlin angesiedelt, die Bundeshauptstadt hat aber erstmals weniger Fintechs als die darauffolgenden drei Städte München, Hamburg und Frankfurt zusammen.“