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Bernd Ziesemer Der große Hype um China-Autos

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Noch ist die Messe für die chinesischen Autobauer keineswegs gelesen. Um in Europa zu reüssieren, müssten sie die asiatische Konkurrenz verdrängen

Wer sich in Deutschland nicht durchsetzt, der kann sich nicht als globaler Hersteller etablieren. Diesen Satz sagte mir vor 25 Jahren ein Vorstandsmitglied von Toyota. Ein Vierteljahrhundert später verfügt der japanische Autokonzern bei uns über einen Marktanteil von 2,6 Prozent. Etwas besser sieht es bei dem südkoreanischen Unternehmen Hyundai aus, dass sich nach jahrzehntelangen Anstrengungen vor die fernöstliche Konkurrenz schieben konnte und jetzt auf 3,7 Prozent aller Verkäufe in Deutschland kommt. Man sollte sich an diese Zahlen erinnern, wenn man in den nächsten Monaten mal wieder Nachrichten über die Exportschwemme aus China liest.

In den etablierten Automärkten dauert es lange, bevor sich eine neue Marke wirklich etabliert. Wofür steht der chinesische Hersteller BYD, der in diesen Wochen für Schlagzeilen sorgt als „größter E-Auto-Hersteller der Welt“? Die allerwenigsten potentiellen Autokäufer könnten darauf eine Antwort geben. Wer sich in Hamburg für ein BYD-Modell interessiert, der muss 46 Kilometer weit Richtung Bremen fahren, um in der kleinen Gemeinde Sittensen fündig zu werden. Demnächst soll allerdings ein „Showroom“ im Zentrum der Hansestadt die Türen öffnen – ähnlich wie es der große amerikanische Konkurrent Tesla vormacht.

Bisher erzielt BYD seine großen Erfolge jenseits der meisten großen Exportmärkte. Zum Beispiel in Russland – einem Markt, aus dem sich alle etablierten Hersteller zurückgezogen haben. Und natürlich in China selbst, wo sich BYD als Marktführer durchgesetzt hat – allerdings zwei Dutzend heimische Konkurrenten weiter auf Distanz halten muss. An Ambitionen fehlt es den Chinesen allerdings nicht, wie der geplante Bau einer Fabrik in Ungarn zeigt. Den europäischen Markt kann man nur erobern, wenn man dort auch produziert. Diese Erfahrung machten zuvor bereits die Japaner und Südkoreaner.

Die große Marktbereinigung wird kommen

Um in Europa zu reüssieren, müssten die Chinesen zuallererst die fernöstlichen Konkurrenten verdrängen. Sie mussten viel Lehrgeld bezahlen, bevor sie Gewinne auf den schwierigen Märkten machen konnten. Denn hohe Absatzzahlen sind zwar die Voraussetzung für Erfolg in der Branche – aber keineswegs eine Garantie für ein profitables Geschäft. Die meisten chinesischen Hersteller machen unter dem Strich noch nicht einmal in China Gewinne. Die große Marktbereinigung wird dort bald kommen – erst dann wird man sehen, wer wirklich die internationalen Märkte mit voller Kraft erobern kann und wer nicht.

Erinnert sich irgendjemand noch an die südkoreanische Marke Daewoo? Der Konzern galt vor 25 Jahre als einer der aggressivsten Angreifer auf den globalen Automärkten. In Deutschland rühmte sich das Unternehmen auf seinem Höhepunkt selbst als „die am schnellsten wachsende Importmarke“. Am Ende landete Daewoo in einer spektakulären Pleite. Die Marke gibt es schon lange nicht mehr. Auch andere Hersteller gingen in den letzten 25 Jahren diesen Weg. Heißt das, Chinas Autokonzerne haben auf den großen Märkten keine Chance? Natürlich doch. Aber die Strecke wird lang und steinig. Man sollte den ganzen Hype mit Frist von zehn Jahren auf Wiedervorlage legen. 

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