Manfred Knof muss sich ein wenig fühlen wie ein Trainer, der einen strauchelnden Traditionsklub in der Zweiten Fußball-Bundesliga übernommen hat. Es soll schnell wieder nach oben gehen, dorthin, wo man sich natürlicherweise verortet. So wie die Fans des HSV, von Schalke 04 oder Werder Bremen den Blick immer nach oben und im Zweifel „nach Europa“ richten, so will die Commerzbank wieder oben auf Augenhöhe mit europäischen Großbanken mitspielen können.
Doch der Weg dahin ist weit und beschwerlich, so dass auch der seit Jahresbeginn amtierende Commerzbank-CEO Knof wie ein neuer Trainer kommuniziert: die Lasten der Vergangenheit aufräumen, den „Club“ neu aufbauen, Geduld haben und trotzdem eine rosige Zukunft zeichnen. „Wir halten an unserer Ertragsprognose fest“, betonte er am Mittwoch während einer Telefonkonferenz für Journalisten. Sie sollen im Gesamtjahr „leicht über denen des Geschäftsjahres 2020 liegen“, als die Commerzbank Erträge von rund 8,2 Mrd. Euro verbuchte.
Die nun von der Commerzbank veröffentlichten Zahlen für das zweite Quartal zeigen zum einen, dass das Institut noch immer mt Aufräumarbeiten beschäftigt ist. Doch auch darüber hinaus gibt es Enttäuschungen. Kein Wunder also, dass die ohnehin schon schlecht laufende Aktie am Mittwoch zeitweilig rund fünf Prozent abgerutscht ist und mit rund 5,20 Euro mehr oder minder auf das Niveau zu Jahresbeginn zurückgefallen ist. Mit dem irgendwann erhofften Wiederaufstieg aus dem MDax in die erste Liga, also den Dax, wird es so nichts.
Zunächst zu den Zahlen . Die Commerzbank kommuniziert für das erste Halbjahr ein operatives Ergebnis von 570 Mio. Euro, davon wurden 32 Mio. Euro (Vorjahr: 205 Mio. Euro) im zweiten Quartal erwirtschaftet. Das klingt zunächst gut, doch die Realität des zweiten Quartals sieht düster aus. Hier steht ein Nettoverlust von 527 Mio. Euro zu Buche, während das Institut im Vorjahresquartal – und damit sogar auf dem wirtschaftlichen Höhepunkt der Corona-Krise – 183 Mio. Euro verdient hat. Der Quartalsverlust geht auf viele Einmal- und Restrukturierungseffekte zurück, dazu unten mehr. Allerdings fällt der Verlust auch höher aus, als der Analystenkonsens erwartet hatte – und der wusste um die laufende Restrukturierung.
Der Markt war laut Reuters nur von auf einem Minus in Höhe von 504 Mio. Euro ausgegangen. Die eigentliche Enttäuschung in den Quartalszahlen ist aus Marktsicht allerdings, dass die Erträge unter und die Kosten über den Erwartungen blieben, beides also Effekte, die nichts mit Restrukturierung oder Einmaleffekten zu tun haben.
Allerdings muss man dem Commerzbank-Management unter Knof auch zubilligen, dass sie die über Jahre verschluderte Aufräumarbeit bei dem Kreditinstitut anpacken müssen, das über lange Zeit seine Möglichkeiten überschätzte und immer wieder versuchte, auf Augenhöhe mit der Deutschen Bank zu spielen. Beim größeren Konkurrenten lief es im zweiten Quartal besser . Unter dem Strich erwirtschaftete die Frankfurter von April bis Juni einen Gewinn von 692 Mio. Euro, nach einem Verlust von 77 Mio. Euro vor einem Jahr. Es war der vierte Quartalsgewinn der Deutschen Bank in Folge.
Auch die Commerzbank verspricht wieder bessere Zeiten. „2022 sollten wir die Früchte des Transformationsprozesses deutlich sehen“, versprach Finanzvorständin Bettina Orlopp. Für das laufende Jahr wollte sie sich noch nicht auf eine Gewinnprognose festlegen. „Es schwabbelt um die Nulllinie herum“, sagte sie. Dass es operativ allerdings ganz ordentlich läuft, macht Orlopp daran fest, dass der Zinsüberschuss des Hauses stabil ist und die zweite wesentliche Ertragssäule, nämlich das Provisionsergebnis, nach oben zeigt.
In Polen droht Ungemach für die Commerzbank
Die Zurückhaltung dürfte mit dem Datum 2. September zusammenhängen. Dann entscheidet in Polen der oberste Gerichtshof über den Umgang mit Franken-Krediten aus den Nuller-Jahren. Wie in anderen osteuropäischen Ländern hatten Banken dort Hypotheken in Schweizer Franken mit niedrigen Zinsen vergeben. Die Spekulation ging nicht auf, weil der Franken im Zuge der Finanzkrise deutlich aufwertete und die Kreditnehmer in Landeswährung deutlich mehr zurückzahlen müssen. Was eigentlich Marktwirtschaft ist, stört die nationalpopulistische Regierung in Polen. Wenn das Gericht die Banken zur Kompensation zwingt, wird auch die dortige Commerzbank-Tochter mBank belastet werden.
Die Konzernmutter aus Frankfurt hat dafür eine Belastung von 55 Mio. Euro im zweiten Quartal verbucht, 300 Mio. Euro waren zuvor bereits zurückgestellt worden. Weitere Risiken bestehen offenbar. In der Präsentation zu den Quartalszahlen heißt es: „Der Ausblick basiert auf der Annahme, dass es keine substanziellen Veränderungen in Bezug auf das Kreditportfolio der mBank in Schweizer Franken gibt.“
Mit 66 Mio. Euro mehr schlug das Urteil des Bundesgerichtshofs zu Kontogebühren in Deutschland ins Kontor. Hier ist die Commerzbank nach eigenen Angaben, wie andere Banken derzeit auch dabei, die erhöhten Konto-Gebühren zu legalisieren, also die Zustimmung ihrer Kunden einzuholen.
Und dann gibt es noch Belastungen aus dem Cum-Ex-Skandal, nachdem das Bundesfinanzministerium kürzlich eine strengere steuerliche Prüfung des Themas angekündigt hat. Die genaue Belastung bezifferte die Commerzbank allerdings nicht, sie sind in einem allgemeinen Posten versteckt.
Der größte Einzelbrocken an Sonderbelastungen im zweiten Quartal war jedoch eine Abschreibung von 200 Mio. Euro auf das Projekt, die Wertpapierabwicklung an HSBC auszulagern . Als Grund nannte die Bank dafür bereits am 22. Juli „technische Umsetzungsrisiken und veränderte Marktbedingungen“. Zahlreiche Fragen dazu, wer die Verantwortung für das teure Scheitern des 2017 gestarteten Projektes trägt, blieben während der Telefonkonferenz unbeantwortet.
Unbeantwortet im Raum stehen auch noch die großen strategischen Fragen bei der Commerzbank: Wie verhalten sich die beiden maßgeblichen Großaktionäre Bund und Cerberus, von denen – anders als vor einem Jahr – derzeit öffentlich nichts zu vernehmen ist. Und die Kernfrage: Schafft es die Commerzbank nach ihrer derzeitigen Transformation selbstständig zu bleiben oder wird sie – gegebenenfalls auch in einem politischen Deal – Teil einer grenzüberschreitenden europäischen Großbank.

Kennen Sie schon unseren Newsletter „Die Woche“ ? Jeden Freitag in ihrem Postfach – wenn Sie wollen. Hier können Sie sich anmelden