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Halbleiterindustrie Der Chipmangel und seine Folgen

Laut dem Investmentunternehmen Goldman Sachs könnten bis zu 169 Wirtschaftsbranchen von dem Chipmangel betroffen sein
Laut dem Investmentunternehmen Goldman Sachs könnten bis zu 169 Wirtschaftsbranchen von dem Chipmangel betroffen sein
© IMAGO / ITAR-TASS
Der Chipmangel wird zu einem immer größer werdenden Problem für Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen. Und ein Ende der Engpässe ist nicht absehbar. Diese Branchen und Unternehmen sind besonders betroffen

Autos, Smartphones, Haushaltsgeräte – die Lieferengpässe bei Halbleitern schlagen auf viele Unternehmen durch und sorgen für Produktionsstopps und Lieferverzögerungen. Seit Monaten produziert die Halbleiterindustrie auf Hochtouren, trotzdem reißt die Nachfrage an verschiedenen Halbleitern nicht ab.

Allein in der Autoindustrie können im ersten Halbjahr 2021 zwei bis vier Millionen Autos nicht gebaut werden, weil Mikrochips fehlen. Dort mangelt es vor allem an elektronischen Bauteilen wie Oszillatoren, Mikrocontrollern und Powerchips. Wegen der Knappheit haben Hersteller wie Volkswagen, Ford, Nissan oder Honda seit Anfang des Jahres immer wieder ihre Bänder anhalten müssen. Peugot behilft sich deshalb bereits mit analogen Funktionen. Ab Mai soll das Modell Peugeot 308 statt eines digitalen wieder einen analogen Tacho erhalten.

Kalt erwischt vom Nachfragehoch durch Corona

Dass die Autobauer von den Halbleiter-Engpässen besonders getroffen werden, liegt vor allem an der Nachfrage in der Pandemie. Unter dem Eindruck rückläufiger Bestellungen hatten viele Unternehmen ihre Bestellungen reduziert. Dann kam die Autonachfrage aber schneller zurück als erwartet. Die Chiphersteller haben ihre Produktion in der Zwischenzeit jedoch auf Chips für Computer und Smartphones umgestellt, die schon zu Beginn der Pandemie ein Nachfragehoch erlebten.

Die verfügbaren Mikrocontroller waren zu diesem Zeitpunkt bereits vom Markt verschwunden, weil China durch seinen vergleichsweise frühen Aufschwung nach der ersten Welle bereits die gestiegene Autonachfrage mit erhöhter Produktion bediente. Verglichen mit Computer- und Handyherstellern sind Autobauer relativ kleine Abnehmer der Chipbranche. Etwa acht Prozent aller weltweit produzierten Halbleiter wandern in Autos, das entspricht etwa der Nachfrage des US-Tech-Konzerns Apple.

Die Chip-Knappheit betrifft aber nicht nur Mikrocontroller, sondern macht sich auch bei Elektronik- und Haushaltsgeräten bemerkbar. In der Unterhaltungselektronik sind aktuell vor allem die Display-Driver-Chips heiß begehrt. Sie dienen dazu, grundlegende Informationen zur Beleuchtung von Bildschirmen, Monitoren oder Navigationssystemen zu übertragen, auch Energie-Management-Chips sind knapp.

Zahlreiche Kunden, wenige Hersteller

Hinzu kommt, dass die Halbleiterindustrie sich auf eine überschaubare Anbieterzahl konzentriert. Rund zwei Drittel der globalen Produktionskapazitäten für die Fertigung von Chips und Prozessoren befinden sich im Ausland. Der Grund: Viele Halbleiter-Hersteller weltweit entwickeln zwar die Chips, final produziert werden sie allerdings in sogenannten „Foundries“.

Die größte unter ihnen ist TSMC aus Taiwan, der drei Viertel seiner Halbleiter im Auftrag produziert – auch für amerikanische Chip-Hersteller. Zwar rechnet TSMC damit, dass sich die Lage in der Autoindustrie entspannen wird. Laut IHS Markit kommen rund 70 Prozent der Mikrocontroller für Autos aus den TSMC-Werken. Die generelle Knappheit sei damit allerdings noch nicht behoben. Nach eigenen Angaben läuft die Chip-Produktion des Unternehmens bereits unter Volllast. Die weiter steigende Nachfrage könne nicht mehr bedient werden.

Unerwartete Produktionsstopps bei weiteren Chip-Produzenten im ersten Quartal haben die Lage zusätzlich verschärft. Im Februar sorgte ein Erdbeben für einen zweitägigen Produktionstopp bei Renesas Electronics, Japans größtem Hersteller für Auto-Chips. Im März musste die Produktion nach einem Brand vorübergehend ruhen.

Ebenfalls im Februar sorgte ein heftiger Schneesturm im texanischen Austin dafür, dass drei weitere Halbleiter-Produzenten, die auch die Unterhaltungselektronik beliefern – Samsung, NXP Technologies und Infineon –, ihre Chip-Produktionsstätten wegen Stromausfällen schließen mussten. Samsung schloss sein Werk für einen Monat, während Infineon erklärte, erst ab Juni wieder das Niveau vor dem Ausfall zu erreichen. Zuletzt bereitete auch eine Dürre in Taiwan Sorgen darüber, ob die Trockenheit die Wasserversorgung von TSMC und damit die Chip-Produktion beeinträchtigen könnte.

Investitionen in mehr Produktionskapazitäten

Um die Wogen zu glätten kündigten viele Halbleiter-Hersteller an, ihre Produktionskapazitäten weiter auszuweiten. Die neue Produktionslinien dürften sich aber vor allem auf fortschrittlichere und oft dünnere Chips konzentrieren, die Autoindustrie setzt dagegen bislang auf ältere und dickere Chips. Eine spürbare Erleichterung der aktuellen Engpässe, dürfte sich durch eine Ausweitung der Produktion daher nur bedingt einstellen.

Gleichzeitig steht derzeit auch der Bau neuer Produktionsstandorte vor einigen Schwierigkeiten. Denn auch die benötigten Fertigungsmaschinen lassen sich zurzeit nicht in ausreichenden Mengen herstellen – unter anderem weil Chips für die Betriebssysteme fehlen.

Das bedeutet der Chipmangel für die Wirtschaft

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