Anzeige

Kolumne Deflation und Ölprinzen

Die Rohstoffproduzenten finanzieren uns gerade ein Konjunkturprogramm. Nicht jeder von ihnen kann sich das leisten. Von Christian Schütte
Figure
© Trevor Good

Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik

Liegt es am Angebot oder an der Nachfrage? Wird im Übermaß gefördert oder unerwartet wenig verbraucht? Das ist beim Ölpreis-Crash zurzeit die große Frage.

Die wichtigste Story der vergangenen Jahre hat sich ohne Zweifel auf der Angebotsseite abgespielt. Die USA sind mit ihren neuen Fördertechniken wieder zum weltgrößten Produzenten aufgestiegen und steuern auf einen Selbstversorgungsgrad von 80 Prozent zu. Die US-Ölförderung ist so hoch wie seit über 40 Jahren nicht. „Saudi America“ heißt die Parole – und manche spekulieren, dass die echten Saudis in Arabien jetzt auf Dumpingpreise setzen, um die neue Konkurrenz zu erledigen.

Die wichtigste Veränderung der vergangenen Monate hat sich allerdings auf der Nachfrageseite abgespielt. Das Wachstum blieb in vielen Regionen hinter den Erwartungen zurück, in Europa und Japan, aber auch in vielen Schwellenländern und sogar ein wenig in China. Dazu passt, dass auch die Preise für Kohle, Eisenerz und Kupfer deutlich gesunken sind.

Verbraucherländer profitieren

Es ist also eher nicht das Füllhorn neu gehobener Schätze, das der Welt gerade jetzt Öl zu Billigpreisen beschert. Sondern es ist die ungeplante Flaute bei der Nachfrage. Man könnte auch sagen, dass die deflationären Trends in aller Welt jetzt auch sichtbar die Rohstoffkönige und Ölprinzen treffen.

Im Großen und Ganzen wird das hilfreich sein. In den Verbraucherländern steigt das reale Einkommen, was dort viele sehr gut gebrauchen können – ganz besonders diejenigen, die gefährlich hoch verschuldet sind. Für sie kommt diese Form der Deflation wie gerufen. Die meisten Produzenten verfügen dagegen über genügend Vermögen, um ihre Einkommenseinbußen zumindest für eine Weile abfedern zu können. Sie werden ihre Investitionen einschränken, aber ihre Zahlungsfähigkeit ist nicht in Gefahr.

Für alle Produzenten gilt das aber nicht. Das traurige Musterbeispiel für einen Pleitekandidaten ist Venezuela, das so blank ist, dass jetzt selbst sein Adoptivkind Kuba die Kontakte zum Erzfeind USA anwärmt. Die Sozialisten in Caracas subventionieren Havanna seit Jahren, ihre internationalen Anleihen haben aber nur noch Junk-Status.

Sorge vor einer Pleitewelle

Auch in der Rohstoffindustrie gibt es Schuldner, die womöglich demnächst in Schwierigkeiten geraten. Wo genau diese Risiken stecken, ist von außen nicht immer leicht zu erkennen. Kommt irgendwo eine Pleitewelle in Gang, kann aber gerade diese Undurchsichtigkeit zu panischen Marktreaktionen führen.

So schön es also ist, dass die Ölprinzen und Metallkönige uns gerade unfreiwillig ein kleines Konjunkturprogramm schenken: Man kann nur hoffen, dass sie sich das auch alle wirklich leisten können.

Neueste Artikel