Das Europawahlergebnis der FDP ist desaströs, aber es ist auch wenig überraschend. Die Vorstellung, dass diese Wahl die perfekte Gelegenheit für ein FDP-Comeback sei, weil die Sperrklausel fehlte, war schließlich nie besonders plausibel. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Europawahl war für die FDP von vornherein sehr schwierig, weil ihr alle Hilfsargumente fehlten, die sonst in der Regel stützen: Weder ging es am Sonntag um das parlamentarische Überleben des Liberalismus, noch um die Mehrheitsbeschaffung für eine Koalition.
Verschärfend kam hinzu, dass kein anderes Thema die FDP in den vergangenen Jahren so gespalten hat wie die Europapolitik. Im Streit um die Euro-Rettung erzwangen die Rebellen um Frank Schäffler 2011 eine Mitgliederbefragung, bei der sich Führung zwar am Ende klar durchsetzte. Die ganze Debatte riss aber tiefe Gräben in der Partei und bei ihren Anhängern. Eine attraktive Versöhnungsformel wurde nicht gefunden.
Endet die Afd wie die Piratenpartei?
Wer sich „mehr Europa“ wünscht, der wird jetzt eben auch von Union, SPD und Grünen gut bedient. Für die Skeptiker gibt es die AfD, die bei der Europawahl thematisch das perfekte Heimspiel hatte.
Die FDP-Optimisten können sich nun oberflächlich damit trösten, dass die Umstände bei den kommenden Wahlen wieder etwas günstiger sein werden. Sperrklauseln sind ein starkes Argument für die Wählermobilisierung. Und in vielen Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sind die liberalen Alleinstellungsmerkmale sehr viel einfacher zu erklären als in Sachen Europa. Die AfD ist dagegen vielfach so sozialkonservativ, dass sie nicht mit den Liberalen konkurriert.
Für die Aufsteiger vom Sonntag wird es deutlich schwerer, wenn sie den Marsch durch alle Provinzen antreten. Ihre Positionen sind teilweise unausgegoren, die Führungsriege um Parteichef Bernd Lucke hat neue Jobs in Europa und kann sich nicht mehr so wie bisher darum kümmern, das interne Chaos zu bändigen. Es bleibt also gut möglich, dass auch diese Partei so endet wie die Piraten, die Schill-Partei und andere Newcomer, die nach spektakulären Anfangserfolgen alle wieder in die Querulanten-Nische zurückfielen und sich dort selbst zerlegt haben.
FDP hat machtpolitisch ausgespielt
Lucke mag diese Gefahr des Sektierertums vor Augen gehabt haben, als er die AfD am Sonntag vorsorglich schon mal zur neuen „Volkspartei“ ausrief. Bei rund sieben Prozent der Stimmen ist solch ein Begriff natürlich etwas lächerlich.
Die Arithmetik des deutschen Parteiensystems verändert die AfD allerdings sehr wohl – und sie wird damit für FDP und Union schon jetzt zu einer strategisch höchst relevanten Größe.
Die FDP hat in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik immer auch von ihrer Rolle als möglicher Koalitionspartner gelebt. Sie war das „Zünglein an der Waage“, das einer der Volksparteien zur Mehrheit verhalf. Und das „Korrektiv“, das den großen Partner (zuletzt stets die Union) auf einen etwas liberaleren Kurs ziehen sollte. Dafür erhielt sie dann auch regelmäßig die Stimmen von Wählern, die nicht zum härtesten Kern der Überzeugungsliberalen zählen.
Nach der Europawahl und dem klaren Erfolg der AfD ist davon praktisch nichts mehr übrig. Wenn es künftig um Koalitionen geht, wird die FDP kaum noch auf der Rechnung stehen. Sie ist machtpolitisch zu einer vernachlässigbaren Größe geworden, denn in einem Parteiensystem, in dem sich eine Kraft rechts von der Union etabliert, gibt es keine Chance mehr für christliberale Allianzen. (Für sozialliberale ohnehin nicht.)
Liberale können sich nur noch selbst retten
Die Union wird sich Mehrheiten künftig noch öfter im Bündnis mit den Grünen suchen, die immerhin eine Stammwählerschaft von deutlich über fünf Prozent haben, in einigen Bundesländern sogar deutlich zweistellig sind. Vielleicht wird sie irgendwann auch einmal auf die AfD zugehen müssen. Die FDP ist als strategischer Partner uninteressant.
Nachdem es bei der Bundestagswahl für eine Koalition nicht mehr reichte, markiert diese Europawahl den endgültigen Zerfall des schwarz-gelben Lagers. Das Einzige, was die FDP jetzt noch retten kann, ist sie selbst.
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